Mario Adorf
Mario Adorf, geboren am 8. September 1930 in Zürich in der Schweiz als Sohn eines Italieners und einer Deutschen, wuchs mit seiner allein erziehenden Mutter in der Eifel auf. Nach dem Abitur schrieb er sich 1950 zunächst an der Uni Mainz ein, wo er diverse Studiengänge, darunter Germanistik, Philosophie und Theaterwissenschaften, belegte. Während dieser Zeit war Adorf sowohl in einem studentischen Box-Verein, als auch an einer Studentenbühne aktiv. Nach wenigen Semestern wechselte er an die Universität in Zürich, wo er sich am Schauspielhaus als Statist und Regieassistent engagierte. 1953 brach Adorf seine Studien endgültig ab, um an der Münchner Otto-Falckenberg-Schule Schauspielerei zu erlernen. Im Anschluss war er von 1955 bis 1962 an den Münchner Kammerspielen in Klassikern wie "Endstation Sehnsucht" oder "Othello" zu sehen.
Noch während seines Schauspielstudiums erhielt Adorf 1954 seine erste Filmrolle in Paul Mays Landser-Drama "08/15". Der Durchbruch gelang ihm drei Jahre später mit der Hauptrolle in Robert Siodmaks Psychodrama "Nachts wenn der Teufel kam", in dem er eindringlich einen seelisch zerrissenen Frauenmörder verkörperte. Seine Leistung brachte ihm allerdings nicht nur einen Bundesfilmpreis als "Bester Nachwuchsdarsteller" ein, sondern führte auch dazu, dass er in den folgenden Jahren vor allem als Bösewicht und grimmiger Finsterling besetzt wurde – so etwa in Georg Tresslers "Das Totenschiff" (1959), als junger Bandenführer in Gerd Oswalds "Am Tag, als der Regen kam" (1959) oder als mörderischer Bandit Santer in Harald Reinls "Winnetou I" (1963).
In den frühen 1960er Jahren zog Adorf nach Italien und suchte angesichts des deutschen Kinosterbens verstärkt Rollen in ausländischen Produktionen. Allein bis Mitte der 1970er Jahre war er, neben seinen Rollen in deutschen Filmen, in zahllosen internationalen Produktionen zu sehen – auch hier vorwiegend in der Rolle des zwielichtigen Raubeins. Dank seines Renommees arbeitete er im Lauf seiner Karriere mit Regisseuren wie Sam Peckinpah ("Major Dundee", 1964), Sergio Corbucci ("Fahrt zur Hölle, ihr Halunken", 1969), Billy Wilder ("Fedora", 1978), John Frankenheimer ("Der 4 ½ Billionen Dollar Vertrag", 1985) und Claude Chabrol ("Stille Tage in Clichy", 1990) zusammen.
Anfang der 1970er Jahre wird Adorf von den Regisseuren des "Jungen deutschen Films" entdeckt – der Beginn einer Phase, in der er einige seiner schönsten, charaktervollsten und zugleich populärsten Rollen spielte: Als Gangster "Die Ratte" in Roland Klicks Genrefilm "Deadlock", als beinharter Polizist in Volker Schlöndorffs "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" (1975), als blinder Ganove in Nikos Perakis' Tragikomödie "Bomber und Paganini" (1976), als korrupter Unternehmer in Fassbinders "Lola" (1981) und natürlich als opportunistischer Kleinbürger und Nazi-Mitläufer in Schlöndorffs "Die Blechtrommel" (1979). Adorfs große Popularität in jenen Jahren zeigt sich auch in Preisen wie dem "Bambi" 1978 als "Beliebtester Schauspieler des Jahres" und dem Filmband in Silber 1982 für seine Leistung in "Lola".
Neben seinen zahlreichen Kinorollen konnte Mario Adorf auch im Fernsehen große Erfolge verbuchen. So gehört seine Verkörperung eines brutalen Familienvaters in Tom Toelles hoch gelobtem "Via Mala" (1985) ebenso zu seinen unvergesslichen Leistungen wie sein Part als neureicher Provinz-Industrieller in einer Folge von Helmut Dietls Mini-Serie "Kir Royal" (1986). Eine überaus erfolgreiche Zusammenarbeit verband ihn zudem mit dem Fernsehregisseur Dieter Wedel: Mit ihm drehte Adorf unter anderem die überaus populären TV-Mehrteiler "Der große Bellheim" (1993) und "Der Schattenmann" (1996).
1992 erhielt er für die Rolle eines volkstümlichen italienischen Restaurantbesitzers in "Pizza Colonia" ein Filmband in Gold. Vier Jahre später gab er einmal mehr einen Restaurantbesitzer – diesmal allerdings den eines angesagten Münchner Schickeria-Italieners in Helmut Dietls Satire "Rossini oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief".
Im Lauf seiner Karriere hat Mario Adorf in rund 220 Film- und Fernsehproduktionen mitgewirkt – und gehört damit zweifellos zu den produktivsten Darstellern des deutschen Films. Im Jahr 2000 erhielt er für sein Lebenswerk den Bayerischen Filmpreis, 2004 den Deutschen Filmpreis für "herausragende Verdienste um den deutschen Film". Aber trotz seiner Konzentration auf Kino und Fernsehen war Adorf immer wieder auch auf der Theaterbühne zu sehen. 1985/86 etwa ging er gemeinsam mit Hardy Krüger mit dem selbstinszenierten Zweipersonen-Stück "Wiedersehen im Herbst" auf Tournee; 2002 spielte er unter Dieter Wedel in den "Nibelungen". 1995 und 2001 ging er mit den erfolgreichen Solo-Programmen "Al Dente" und "Ciao!" auf Tournee.
1992 veröffentlichte Adorf eine Sammlung mit autobiographischen Erzählungen unter dem Titel "Der Mäusetöter", 1995 folgte der Erzählband "Der Dieb von Trastevere", 1996 "Der Fenstersturz. Und andere merkwürdige Geschichten", 2000 "Der römische Schneeball. Wahre und erfundene Geschichten", 2004 die Autobiografie "Himmel und Erde. Unordentliche Erinnerungen", ein Jahr später der autobiografische Bildband "Bilder meines Lebens".
Zu Mario Adorfs wichtigsten Filmen nach 2000 gehören "Epsteins Nacht" (2001), in dem er als ehemaliger KZ-Häftling beeindruckte, der im Pfarrer seines Dorfes einen früheren SS-Mann zu erkennen glaubt, sowie die Kinderfilme "Es ist ein Elch entsprungen" (2005) von Ben Verbong und "Die Rote Zora" (2008) – durchweg Filme, in denen er abermals unter Beweis stellte, dass er eine weit größere Bandbreite beherrscht als die Bösewichte, auf die er zu Beginn seiner Karriere festgelegt wurde.
Auch nach seinem 80. Geburtstag im Jahr 2010 blieb Adorf als Schauspieler sehr aktiv. So spielte er die Titelrolle in dem Fernsehfilm "Der letzte Patriarch" (2010), einen Marzipanfabrikanten, der für den Erhalt seines Imperiums kämpft. In Nikolaus Leytners "Die lange Welle hinterm Kiel" (2011) beeindruckte er als tschechischer Kriegsverbrecher, der nach dem 2. Weltkrieg mit den Angehörigen eines seiner Opfer konfrontiert wird. Auf der Kinoleinwand sah man Adorf dann 2012 wieder: In "Die Libelle und das Nashorn" gab er einen alternden, eitlen Filmstar, der in einem Luxushotel eine ereignisreiche Nacht mit einer Nachwuchsschriftstellerin erlebt, die ihm zuvor eigentlich unsympathisch war.
Danach brillierte er in Urs Eggers Fernsehspiel "Krokodil" (2013) als einst erfolgreicher, zurückgezogen lebender Schriftsteller, dessen Leben von einer jungen Frau und deren kleinem Sohn durcheinander gewirbelt wird. In Anna Justices TV-Zweiteiler "Pinocchio" (2013) hatte er wenig später eine Paraderolle als gütiger, leicht melancholischer Schreinermeister Gepetto. Beim Münchner Filmfest feierte 2013 Lola Randls "Die Erfindung der Liebe" Premiere, der nach dem unerwarteten Tod der Hauptdarstellerin Maria Kwiatkowsky im Jahr 2011 erst nach einer langen Drehpause fertig gestellt worden war; darin hatte Adorf eine Nebenrolle als eleganter Adeliger.
Eine starke Kino-Hauptrolle spielte er in "Der letzte Mentsch" (2014), als KZ-Überlebender, der einst ein neues Leben als "Deutscher" begann und nun seine jüdische Herkunft beweisen muss, um auf einem jüdischen Friedhof beigesetzt werden zu können. Viel Kritikerlob gab es auch für Jan Georg Schüttes weitgehend improvisierte Ensemble-Komödie "Altersglühen - Speed Dating für Senioren" (2014, TV), in der Adorf einen Witwer verkörpert, der seiner sterbenden Frau versprechen musste, eine neue Partnerin zu finden.
Nach einer Nebenrolle als Vater der gestressten Hauptfigur in Dani Levys Komödie "Der Liebling des Himmels" (2015, TV) kehrte Mario Adorf noch einmal zu den Anfängen seiner Karriere zurück: In dem aufwändigen Fernsehfilm "Winnetou" (2016) verkörpert er wie schon in der Originalverfilmung von 1963 den mörderischen Banditen Santer. Eine kleinere, aber wichtige Rolle hatte er als strenger Vater der Titelfigur in der Komödie "Schubert in Love - Vater werden ist (nicht) schwer" (2016). In der Low-Budget-Produktion "Real Fight" (2017) übernahm er den Part eines Oligarchen, in der viel gelobten TV-Komödie "Einmal Sohn, immer Sohn" (2018) mit Christiane Hörbiger hatte er einen feinen Gastauftritt als Stararchitekt.
2018 verliehen die Stadt Worms und die Nibelungenfestspiele Worms erstmals den Mario-Adorf-Preis, der an Mitwirkende der Nibelungenfestspiele verliehen wird. Adorf selbst, der 2002 zu den Initiatoren der Festspiele gehörte und Kuratoriumsmitglied ist, gehört auch der Jury an.
Im Jahre 2018 spielte er in dem ZDF-Doku-Drama "Karl Marx – der deutsche Prophet" die Titelrolle – womit sich für Adorf ein erklärter Karrieretraum erfüllte. Eine Paraderolle hatte er auch in dem Zweiteiler "Alle für die Mafia" (DE/AT), als Mafioso, der aus Sizilien in ein Südtiroler Dorf verbannt wird.
2019 war Mario Adorf dann selbst das Thema eines Films: In "Es hätte schlimmer kommen können – Mario Adorf" zeichnet Dominik Wessely ein vielschichtiges Porträt des legendären Schauspielers, für das er diesen über mehrere Monate begleitete.