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Alle Fotos (43)Biografie
Hanna Schygulla, geboren am 25. Dezember 1943 in Kattowitz, dem heutigen Katowice in Polen, zog 1945 mit ihrer Mutter nach München. Nach dem Abitur und einem Jahr als Au-pair in Paris studierte sie ab 1964 in München Germanistik und Romanistik, daneben nahm sie 1966/67 Schauspielunterricht.
Durch Rainer Werner Fassbinder kam sie 1967 zum Action-Theater und gründete 1968 gemeinsam mit Fassbinder, Peer Raben und anderen das antiteater. Bis 1969 war sie in zahlreichen Fassbinder-Inszenierungen zu sehen, während sie erste kleinere Filmrollen bei Jean-Marie Straub, Peter Fleischmann und Reinhard Hauff spielte. In "Liebe ist kälter als der Tod" spielte sie zum ersten Mal in einem Film Fassbinders und wurde dafür 1970 mit dem Bundesfilmpreis ausgezeichnet. Bis 1972 war sie mit einer Ausnahme in allen Fassbinder-Filmen zu sehen, außerdem in vielen seiner Bühnen-Inszenierungen. Bald wurde sie als "Superstar der Subkultur" gefeiert. Fassbinders Fernsehserie "Acht Stunden sind kein Tag" machte sie auch einem breiteren Publikum bekannt. Nach dem ersten gemeinsamen Kassenerfolg "Fontane Effi Briest" kam es jedoch zu einer Aufkündigung der Zusammenarbeit.
Bis 1977 spielte sie in Filmen anderer Regisseure, so zum Beispiel in "Falsche Bewegung" von Wim Wenders (1975 Bundesfilmpreis für das Ensemble) und in "Ansichten eines Clowns" von Vojtech Jasny. 1978 arbeitete sie erneut unter der Regie von Fassbinder im Nachkriegs-Melodram "Die Ehe der Maria Braun", für den sie abermals hoch dekoriert wurde: Sie erhielt den Bundesfilmpreis 1979 und den Silbernen Bären in Berlin. Auch im Ausland fand der Film große Beachtung, genauso wie 1980 "Lili Marleen". Im gleichen Jahr spielte sie die Eva in Fassbinders großer Döblin-Adaption "Berlin Alexanderplatz".
1979 spielte Schygulla an den Münchner Kammerspielen, es folgten Tourneen. Sporadisch trat sie in internationalen Produktionen auf, unter anderen in Filmen von Jean-Luc Godard, Carlos Saura, Margarethe von Trotta und Andrzej Wajda. 1983 wurde sie für ihre Rolle in "Storia di Piera" (Marco Ferreri) in Cannes ausgezeichnet. 1985 war sie erstmalig in einer amerikanischen Produktion zu sehen: Sie verkörperte Zarin Katharina die Große im TV-Mehrteiler "Peter the Great". Danach spielte sie immer wieder in höchst unterschiedlichen Produktionen in Europa und den USA.
Nach längerer Drehpause kehrte Schygulla zum deutschen Film zurück. In "Die blaue Grenze" (2005), einer leisen, tragisch-komischen Liebesgeschichte, spielte sie an der Seite von Dominique Horwitz - der Beginn eines erfolgreichen Leinwand-Comebacks. In Hans Steinbichlers "Winterreise" spielte sie dann an der Seite von Sepp Bierbichler die duldsame Frau eines Manisch-Depressiven. Eine Mutter, die in Istanbul Abschied von ihrer toten Tochter nehmen will, verkörperte Schygulla in Fatih Akins vielfach ausgezeichnetem "Auf der anderen Seite". Beim Deutschen Filmpreis 2008 wurde sie dafür als Beste weibliche Darstellerin in einer Nebenrolle nominiert; in dieser Kategorie ausgezeichnet wurde sie von der US-amerikanischen National Society of Film Critics.
In den vergangenen Jahren war sie beispielsweise in Aleksandr Sokurovs "Faust" (RU 2011), Emmanuelle Antilles "Avanti" (F/CH 2012) und Sam Garbarskis "Vijay und ich" (D/BE/LU 2013) zu sehen. Als Regisseurin präsentierte sie 2010 auf der Berlinale ihre beiden Kurzfilme "Alicia Bustamante" und "Moi et Mon Double".
Schygulla ging immer wieder auch mit Liederabenden auf Tournee, unter anderem mit Chansons nach Kompositionen von Jean-Marie Sénia und Bertolt Brecht. Ihre Auftritte führten sie durch Europa, in die ehemalige Sowjetunion und nach Südamerika.
2013 veröffentlichte Hanna Schygulla, die abwechselnd in Paris und Berlin lebt, ihre Autobiographie "Wach auf und träume". Ihre "Traumprotokolle", eine Rauminstallation aus einer Reihe von ihr inszenierter Videokurzfilme, stellte sie 2013 und 2014 in Ausstellungen in Paris, New York und Berlin vor.
Ebenfalls 2014 wurde sie beim Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern mit dem Ehrenpreis 'Goldener Ochse' ausgezeichnet. Als Schauspielerin sah man sie in den nächsten Jahren vor allem in internationalen Produktionen: In dem schwedischen Drama "The Quiet Roar" (2014) hatte sie eine Hauptrolle als Psychotherapeutin einer unheilbar kranken Frau; in dem Sozialdrama "Unless" (CN/IR 2016) spielte sie eine Schriftstellerin und Mentorin der Hauptfigur; in Aelrun Goettes viel gelobter Konstanzer "Tatort"-Folge "Wofür es sich zu leben lohnt" (2016) hatte sie eine zentrale Rolle als Mitglied einer mysteriösen Seniorinnen-WG. Außerdem gehörte sie zum Ensemble des italienischen Sozialdramas "Fortunata" (2017) und der französischen Produktion "La prière" ("The Prayer", 2018), als Geistliche in einem klösterlichen Drogentherapie-Zentrum. 2017 erhielt Schygulla den Ehrenpreis des Deutschen Schauspielerpreises für ihr Lebenswerk.
Danach sah man sie in der französischen Science-Fiction-Serie "Ad Vitam" ("Ad Vitam- In alle Ewigkeit"), die auf ARTE ausgestrahlt wurde und in der Schygulla in fünf von sechs Folgen in einer kleinen Rolle als subversive Hohepriesterin auftrat. 2019 kam "Le mystère Henri Pick" ("Der geheime Roman des Monsieur Pick") in die deutschen Kinos, eine im Bibliotheksmilieu angesiedelte französisch-belgische Komödie mit Schygulla als Exilrussin und ehemaliger Freundin der Hauptfigur. In der spanischen Serie "Alive and Kicking", die im deutschsprachigen Raum im April 2021 auf dem FOX Channel ausgestrahlt wurde, übernahm sie ebenfalls eine Nebenrolle, so auch im ein Jahr später in den deutschen Kinos veröffentlichten Sterbehilfe-Drama von François Ozon, "Tout s'est bien passé" ("Alles ist gutgegangen", FR/BE), das bereits im Juli 2021 auf dem Filmfestival in Cannes uraufgeführt worden war.