Corinna Harfouch
Corinna Meffert, geboren am 16. Oktober 1954 in Suhl, aufgewachsen im sächsischen Großenhain. Nach dem Abitur und einer Lehre als Krankenschwester nahm sie 1975 ein Studium zur Textilingenieurin an der TU Dresden auf. Kurz darauf heiratete sie den syrischen Informatiker Nabil Harfouch, aus der Ehe ging eine Tochter hervor.
Von 1978 bis 1981 studierte Harfouch an der Hochschule für Schauspielkunst Berlin. 1981 trat sie mit Kommilitonen in "Auf dem Weg zur Bühne" auf, einem Dokumentarfilm über Schauspielschüler in Vorbereitung auf ihr erstes Engagement. Nach dem Besuch der Meisterklasse am Berliner Theater im Palast (TiP) 1982/83 folgten im weiteren Verlauf der 1980er Jahre Auftritte und Engagements am Städtischen Theater Karl-Marx-Stadt, an der Volksbühne Berlin und dem Berliner Ensemble. Ab 1990 wurde sie ins Ensemble des Deutschen Theaters Berlin aufgenommen.
Vor der Kamera spielte Harfouch ab Mitte der 80er Jahre zunächst vor allem Nebenrollen in Fernsehen und Film, sowohl bei der DEFA als auch in westdeutschen Produktionen. So etwa als Sekretärin Jenny Weinhold in Rainer Simons "Wengler & Söhne" (1987) oder als Kriminalbeamtin in Hark Bohms "Der kleine Staatsanwalt" (1987), nachdem sie auf Grund ihrer Schwangerschaft 1983 die Hauptrolle in Bohms "Der Fall Bachmeier" absagen musste. Für größere Aufmerksamkeit sorgte Harfouch erstmals in Roland Gräfs Friedrich Wolf-Verfilmung "Das Haus am Fluß" (1986), in der sie eine lebensfrohe Frau verkörpert, die an den Verhältnissen während Krieg und Nazizeit zerbricht.
Ein früher Höhepunkt ihrer Filmkarriere war das Jahr 1988. Harfouch begeisterte Kritik und Publikum in gleich zwei Hauptrollen, für die sie mehrere Auszeichnungen erhielt: In Siegfried Kühns "Die Schauspielerin" spielte sie eine Aktrice, die während des "Dritten Reichs" auf eine Bühnenkarriere verzichtet und eine jüdische Identität annimmt, um mit ihrem jüdischen Geliebten zusammen sein zu können. Beim Internationalen Filmfestival Karlovy Vary wurde sie für diese Leistung als Beste Darstellerin geehrt.
In Michael Gwisdeks Regiedebüt "Treffen in Travers" (1988), verkörperte sie die Ehefrau des Revolutionärs Georg Forster. Der kammerspielartige Film wurde von der Kritik als darstellerische Tour de force gelobt. Harfouch erhielt einen Darsteller-Preis auf dem letzten Spielfilmfestival der DDR und den Kritikerpreis "Die große Klappe"; weiterhin wurde sie für den Europäischen Filmpreis "Felix" nominiert. Kurz nach dem Mauerfall übernahm sie 1990 eine Hauptrolle in Horst Seemanns "Zwischen Pankow und Zehlendorf", der die Teilung Berlins anhand einer Familiengeschichte nachfühlbar macht.
Während sie in den 1990er Jahren auf der Bühne immer seltener zu sehen war - Aufsehen erregte sie vor allem 1996 in "Eva, Hitlers Geliebte" und 1997 als General Harras in "Des Teufels General" unter der Regie von Frank Castorf - wurde Harfouchs Arbeit für Film und Fernsehen immer umfangreicher. Sie war in den unterschiedlichsten Rollen zu sehen und erarbeitete sich damit einen Ruf als eine der wandlungsfähigsten Schauspielerinnen der deutschen Filmszene. So gab sie die Mutter der Zwillinge in "Charlie & Louise – Das doppelte Lottchen" (1994), eine flüchtige DDR-Bürgerin in "Das Versprechen" (1995) und eine Gefängnisärztin in Matthias Glasners Gangsterfilm "Sexy Sadie" (1996). Für ihre Rolle in der Komödie "Irren ist männlich" erhielt sie 1997 den Bayerischen Filmpreis. Im gleichen Jahr wurde sie für ihre Leistungen in Hermine Huntgeburths Krimikomödie "Gefährliche Freundin" (TV) und Mark Schlichters Thriller "Der Ausbruch" (TV) mit dem Bayerischen Fernsehpreis geehrt. Für "Gefährliche Freundin" gab es zudem einen Grimme-Preis.
In dem Kinohit "Knockin' on Heaven"s Door" (1997) hatte sie einen Gastauftritt als Krankenschwester, in Bernd Eichingers Kino-Regiedebüt "Der große Bagarozy" (1999) spielte sie eine Psychotherapeutin.
Unter der Regie ihres damaligen Ehemanns Michael Gwisdek, der auch die männliche Hauptrolle übernahm, setzte sie sich in "Das Mambospiel" (1998) spielerisch mit dem Ende ihrer eigenen Ehe auseinander. Im Fernsehen sah man sie unter anderem in Hark Bohms hoch gelobtem, auf einem wahren Kriminalfall basierenden Dreiteiler "Vera Brühne" (2001), für den sie einen Deutschen Fernsehpreis erhielt. 2002 übernahm sie bis 2006 die Titelrolle der Kriminalkommissarin in der Krimiserie "Blond: Eva Blond!". Großen Erfolg hatte Harfouch auch als Hexe in den Kinderfilmen "Bibi Blocksberg" (2002) und "Bibi Blocksberg und das Geheimnis der blauen Eulen" (2004). Für den ersten Film wurde sie 2003 mit dem Deutschen Filmpreis für die beste Nebenrolle ausgezeichnet.
Großes Lob erhielt sie auch für ihre Verkörperung der Magda Goebbels in Oliver Hirschbiegels umstrittenem "Der Untergang" (2004) – eine Leistung, die ihr eine weitere Nominierung zum Deutschen Filmpreis einbrachte – und für ihre Rolle in Züli Aladags kontrovers diskutiertem Fernsehspiel "Wut" (2005), über eine bürgerliche deutsche Familie, die von einem türkischen Jugendlichen tyrannisiert wird.
Auch in den kommenden Jahren war Harfouch in einer Reihe ambitionierter Kino- und TV-Produktionen zu sehen. In Oskar Roehlers Houellebecq-Adaption "Elementarteilchen" (2006) überzeugte sie als Psychologin ebenso wie als Madame Arnulfi in Tom Tykwers "Das Parfum" (2006). Im mehrfach preisgekrönten Familiendrama "Im Winter ein Jahr" von Caroline Link, das im November 2008 in den Kinos anlief, spielte Harfouch an der Seite von Karoline Herfurth, Josef Bierbichler und Hanns Zischler.
Ein weiteres Mal als Psychologin war sie in Hannes Stöhrs Musikerporträt "Berlin Calling" zu sehen. Auf der Flucht vor ihrer eigenen Feier zum 50. Geburtstag befand sie sich in der Titelrolle von Christoph Schaubs Film "Giulias Verschwinden" (2009). Für ihre Darstellung einer von der Liebe tief enttäuschten Kriminalkommissarin in Matthias Glasners Drama "This is Love" wurde Harfouch 2010 abermals für den Deutschen Filmpreis nominiert.
Danach sah man sie in einer Reihe ambitionierter Fernsehspiele, etwa Mark Schlichters Drama "Tod einer Schülerin" (2010) oder Jan Ruzickas Krimikomödie "Schmidt & Schwarz" (2011). Ende 2011 kam dann "Auf der Suche" (Regie: Jan Krüger) in die Kinos, ein weitgehend unabhängig produziertes Drama über eine Mutter, die in Marseille nach ihrem verschwundenen schwulen Sohn sucht.
Von ihrer komödiantischen Seite zeigte sie sich 2011 in Torsten Wackers Romanverfilmung "Kein Sex ist auch keine Lösung", als jung gebliebene Mutter eines Herzensbrechers in Liebesnöten. In Hans-Christian Schmids bei der Berlinale 2012 uraufgeführtem Familiendrama "Was bleibt" brillierte sie als depressive Mutter einer bürgerlichen Provinzfamilie, in der Komödie "3 Zimmer/Küche/Bad" als Mutter dreier erwachsener Kinder, die in Berlin versuchen, ihren Lebensweg zu finden. Eine herausfordernde Rolle hatte sie in dem Sozialdrama "Puppe" (2012) von Sebastian Kutzli: Darin spielt sie eine Therapeutin, die versucht, das Vertrauen eines vom Leben verhärteten Straßenkindes zu gewinnen.
2013 gehörte sie als bildungsbürgerliche, emotional verkümmerte Mutter zum großen Ensemble der bitterbösen Deutschland-Satire "Finsterworld". Viel Kritikerlob erhielt auch Urs Eggers "Der Fall Bruckner" (2014, TV), über eine Jugendamtsmitarbeiterin (Harfouch), die sich eines heiklen Falls von Kindesmisshandlung annimmt. Für diese Rolle gewann Harfouch den Günter Rohrbach Filmpreis und den Deutschen Schauspielerpreis; darüber hinaus wurde sie zusammen mit Urs Egger sowie den Autoren Hans Ullrich Krause und Cooky Ziesche mit dem Grimme Preis ausgezeichnet. Weitere Fernsehrollen spielte sie unter anderem als von einem Killer verfolgte Ehefrau in Hagen Bogdanskis schwarzer Komödie "Die vermisste Frau" (2016) und als klammernde Mutter eines 18-jährigen Sohnes in dem Drama "Viel zu nah" (2017). Letzterer Part brachte ihr den Hessischen Fernsehpreis ein.
Einen kurzen, aber humorvoll-markanten Kinoauftritt hatte Harfouch als nihilistische Berufsinformationszentrum-Mitarbeiterin in dem Kassenhit "Fack ju Göhte 3" (2017). Hauptrollen spielte sie als frustrierte Ehefrau in dem tragikomischen Roadmovie "Wer hat eigentlich die Liebe erfunden?" (DE/CH 2018) und erneut als überfürsorgliche Mutter eines erwachsenen Sohnes in Jan-Ole Gersters "Lara" (2019). Für diese Leistung erhielt Harfouch den Preis der deutschen Filmkritik und den Darstellerinnenpreis beim Internationalen Film Festival von Karlovy Vary.
Beim Hamburger Filmfest 2019 feierte Urs Eggers Drama "Kranke Geschäfte" Premiere, über illegale Medikamententests westdeutscher Pharmakonzerne in der DDR. Harfouch spielte darin eine undurchschaubare DDR-Stationsärztin.
In der Serie "Deutschland 89" (2020) spielte sie eine DDR-Agentin, in der preisgekrönten TV-Tragikomödie "Ruhe! Hier stirbt Lothar" (2021) eine Brustkrebspatientin, die sich im Hospiz mit einem ebenfalls unheilbar an Krebs erkrankten Mann anfreundet.
Beim Münchner Filmfest 2021 feierte "Das Mädchen mit den goldenen Händen" Premiere, eine 1999 spielende Mischung aus ostdeutscher Sozialstudie und Mutter-Tochter-Drama, mit Harfouch und Birte Schnöink in den Hauptrollen. Der reguläre Kinostart erfolgte im Februar 2022.
Ende 2022 spielte Harfouch in der anarchisch-fantasievollen Komödie "Was man von hier aus sehen kann" eine Großmutter vom Dorf, die in ihren Träumen Todesfälle vorhersehen kann. Beim Hessischen Filmpreis wurde der Film mit dem Ensemblepreis ausgezeichnet. Im Fernsehen war sie in einer Hauptrolle der Dreiecksgeschichte "Der neue Freund" und als couragierte Polizeiakademie-Dozentin in dem zweiteiligen "Tatort: Nichts als die Wahrheit" (2023) zu sehen.
Im Wettbewerb der Berlinale 2024 gehörte Corinna Harfouch als schwerkranke Mutter zum Hauptensemble von Matthias Glasners Familiendrama "Sterben". Für ihre Leistung in dem Film erhielt sie im Mai 2024 bei der Verleihung des Deutschen Filmpreis die Lola in der Kategorie Beste weibliche Hauptrolle.
Corinna Harfouch hat aus ihrer zweiten Ehe mit dem Schauspieler und Regisseur Michael Gwisdek zwei Söhne: Robert, der ebenfalls Schauspieler ist, und Johannes. Nach ihrer Trennung von Gwisdek war sie zwischenzeitlich mit dem Produzenten Bernd Eichinger liiert.