Inhalt
Einst war Marlen eine echte Weltenbummlerin. Doch heute verlässt sie kaum mehr ihre Wohnung. In gewisser Weise hat sie die Welt bei sich versammelt: Alles ist vollgestellt mit allen möglichen Dingen, die Marlen wichtig erscheinen oder von denen sie sich schlichtweg nicht trennen kann. Das genaue Gegenteil dieser leicht chaotischen Lebensweise ist Fynn. Sein Anspruch besteht darin, nicht mehr als 100 Dinge zu besitzen, denn wie man so schön sagt: Ordnung ist das halbe Leben. Allerdings besagt eine andere Binsenweisheit, dass Gegensätze sich anziehen. So ist es auch bei Marlen und Fynn, wenngleich ihr Aufeinandertreffen zunächst zu einigen Reibereien führt.
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So erhält auch der junge IT-Spezialist Fynn keinen Einlass, der vorübergehend in die Wohnung über Marlen gezogen ist. Die marode Heizungsanlage hat einen Wasserschaden verursacht, weshalb es bei Marlen durch die Decke tropfen müsste, was diese jedoch rundum abstreitet. Er soll in der nahegelegenen Recyclingfirma Winfried Rehbergers die Flaschensortieranlage reparieren – zur hoffnungsvollen Freude seiner temporären Kollegin Lea, die sogleich ein Auge auf ihn geworfen hat.
Erst einige Tage später, als Fynn in Ermangelung einer Bleibe für die Nacht, seine Wohnung muss von Grund auf renoviert werden, in der Tiefgarage hockt, erbarmt sich Marlen seiner und gewährt ihm zwischen all‘ ihren „geretteten“ Gegenständen Asyl. „Haben Sie da schon einmal jemanden drin verloren?“ fragt der Nachbar sarkastisch. Der sich mit nur einhundert Dingen belasten will, um flexibel bleiben zu können. „Ordnung ist das halbe Leben!“ lautet daher seine Maxime. Und erhält prompt zur Antwort: „Willkommen in der anderen Hälfte!“
„Das Blöde an wenig Besitz ist, man ist ständig am Waschen“: Fynn zeigt sich zunehmend fasziniert von der eigentümlichen Ordnung seiner chaotischen Umgebung, die er zunächst noch – „schnelle Analyse nach kurzer Betrachtung“ – von ein paar Studenten ausräumen lassen wollte. Fasziniert auch von seiner zwar schrulligen, bisweilen auch schroffen, unterm Strich aber durchaus sympathischen Gastgeberin. Die alle Avancen ihres liebevoll-fürsorglichen Chefs Magnus Joosten zurückweist, aber keine Hemmungen hat, mit dem Hausverwalter zu schlafen, damit er ihr den Heizungsmonteur vom Halse schafft.
Die leidenschaftlich-zwanghafte Sammlerin, die auf Nachfrage zu jedem Gegenstand eine Geschichte zu erzählen weiß, hat vom genervten Verkäufer eines Möbelgeschäftes Hausverbot erteilt bekommen, nachdem sie es sich allzu häufig in den Ausstellungsstücken bequem gemacht hatte. Bald liegt Fynn neben ihr auf einem der herrlich bequemen Doppelbetten…
In ihrem Langfilm-Regiedebüt „Alles in bester Ordnung“ richtet die Schauspielerin Natja Brunckhorst, die vor 40 Jahren mit der Hauptrolle in „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ schlagartig berühmt wurde, einen so warmherzigen wie humorvollen Blick auf unsere Wegwerf-Gesellschaft. In welcher der Dienstleistungssektor der Aufräumer nicht zuletzt dank einiger Real-TV-Serien einen ungeheuren Aufschwung genommen hat. Ihr Feel-Good-Movie, am 3. Oktober 2021 in der Sektion „Große Freiheit“ des 29. Filmfests Hamburg uraufgeführt, punktet mit pointiert-wortwitzigen Dialogen einer Klasse-Besetzung, allen voran Corinna Harfouch als zarte, aber auch konsequente und durchaus auch selbstironische Marlen, die am Ende nicht nur die Handwerker, sondern auch ihren Chef samt ihrer Kolleginnen Andrea und Bea in ihre vier Wände lässt. Und nicht zuletzt mit dem Lola-reifen Gesamtkunstwerk der Szenenbildnerin Zazie Knepper, deren Tropfstein-Wohnhöhle einen Platz im Museum verdient hätte.
„Alles in bester Ordnung“ ist eine eher leise, zurückhaltende Komödie über das Zuviel und Zuwenig unserer kapitalistischen Konsumgesellschaft. Vor allem aber eine Hommage Natja Brunckhorsts an ihre während der Vorbereitungen zum Film gestorbene Mutter, wie sie auf der „Deutschlandpremiere“ (wo, bitte, liegt Hamburg?) am 16. Mai 2022 in der Essener Lichtburg mit Joachim Król und dem Produzenten Joachim Ortmanns bekundete.
Pitt Herrmann