Vom Bildschirm auf die Leinwand - Die deutsche Filmkomödie zu Beginn des 21. Jahrhunderts
von Rainer Dick, 2004
Sobald eine von deutschen Produzenten hergestellte Filmkomödie halbwegs Erfolg hat, wird von Branche und Presse stets die vermeintliche Wiederkehr einer angeblich lange darnieder gelegenen Gattung beschworen. Die Renaissancen der hiesigen Filmkomödie sind so zahlreich wie die Thesen zur Behauptung, dass die Deutschen keinen Humor hätten. Fakt jedoch ist natürlich, dass es immer deutsche Filme gegeben hat, die darauf abzielten, ihr Publikum zum Lachen zu bringen. Die künstlerische, dramaturgische, inszenatorische und darstellerische Qualität bleibt von dieser Feststellung ebenso unberührt wie die Frage, auf welchem Niveau sich die dargebotene Komik abspielt. Gerade zu Beginn des 21. Jahrhunderts erlebt die Filmkomödie "made in Germany" einen neuerlichen Boom, wobei sich die Exponenten des heiteren Fachs interessanterweise nahezu komplett aus Fernsehschaffenden rekrutieren. Eine Wechselwirkung zwischen Rundfunk und Kino besteht seit Aufkommen des Tonfilms, als nicht nur populäre Schlager über beide Medien verbreitet wurden, sondern auch aus dem Radio bekannte Humoristen und Komiker vor die Kamera geholt wurden. Karl Valentin verdankte seine nationale Popularität vermutlich eher der Schallplatte als den Kurzfilmen, die uninteressierte Regisseure auf der Grundlage seiner Bühnensketche herunterkurbelten. Der Film der 1930er Jahre sicherte sich die enorme Beliebtheit des Parodisten, Dialekt- und Stimmenimitators Ludwig Manfred Lommel ebenso, wie er nach dem Kriege auf den Ruhm von Heinz Erhardt zurückgriff. Diese Praxis sollte sich alsbald verlagert fortsetzen – an die Stelle des Talentpools Radio trat das Fernsehen.
Von Lou van Burg bis Helge Schneider
Selbst reine Moderatoren wie Lou van Burg, Peter Frankenfeld, Robert Lembke und der ausgebildete Schauspieler Hans-Joachim Kulenkampff wurden vor die Filmkamera geholt, nachdem sie sich auf dem Bildschirm einem größeren Publikum bekannt gemacht hatten. Anfang der 1970er Jahre blödelten Rudi Carrell und Ilja Richter durch ein halbes Dutzend alberner "Tanten-Filme", deren Erbe im folgenden Jahrzehnt von Thomas Gottschalk und Mike Krüger angetreten wurde. Der durch die TV-Reihe "Nonstop Nonsens" zu beträchtlicher Popularität gelangte Kabarettist Dieter Hallervorden erschien ab 1980 auch in diversen Kinofilmen, wobei er in "Ach du lieber Harry" (1981), "Alles im Eimer" (1981), "Didi - Der Doppelgänger" (1984) sowie "Didi und die Rache der Enterbten" (1985) mehr auf Slapstick setzte, während er in späteren Werken ("Didi auf vollen Touren", 1986; "Der Experte", 1988; "Alles Lüge", 1992) eher kabarettistische Töne anschlug. Einen deutlich stilleren Humor kultivierte unterdessen der Karikaturist "Loriot" alias Vicco von Bülow, der durch seine Serien "Telekabinett" und "Loriot" zum Doyen der geistvollen Fernseh-Unterhaltung in Deutschland avancierte. Er versuchte sich in den 1960er Jahren vereinzelt als Filmdarsteller und absolvierte in der ansonsten eher durchschnittlichen Posse "Wer spinnt denn da, Herr Doktor?" (1982) einen herrlichen Gastauftritt, ehe er schließlich zwei überaus erfolgreiche Kinofilme schrieb, inszenierte und spielte. Sowohl "Ödipussi" (1988) als auch "Pappa ante portas" (1991) variierten effektvoll Loriots satirisches Dauerthema von der Hilflosigkeit, mit der sehr ernsthafte Trottel einen ins Absurde übersteigerten Alltag zu meistern trachten, wobei sie in wohl gesetzten Worten aneinander vorbei reden. Einen nur wenige Sekunden dauernden Gag-Auftritt hat Loriot außerdem im Film "Otto, der Außerfriesische" (1989) seines Kollegen Otto Waalkes.
Otto vermarktete anfangs seine Bühnenprogramme parallel in eigenen Fernseh-Shows und auf Schallplatte, ehe er ebenso wie Loriot vom Produzenten Horst Wendlandt auf die Kinoleinwand gelockt wurde. 1985 legte Waalkes das Opus "Otto - Der Film" vor, in dem ein Nichts an Handlung den roten Faden für seine fulminanten Ein-Mann-Sketche abgab. Es folgten "Otto - Der neue Film" (1987), "Otto - Der Liebesfilm" (1992) und "Otto - Der Katastrofenfilm" (2000), ehe er mit "7 Zwerge - Männer allein im Wald" (2004) eine übermütige Paraphrase des Schneewittchen-Märchens ablieferte. Hierfür ließ er eine ganze Riege von Spaßmacher-Stars des Fernsehens aufmarschieren, die angesichts der geringer werdenden Bedeutung echter schauspielerischer Potenz nicht mehr Komiker genannt werden, sondern nunmehr als Comedians firmieren. Bei Waalkes werden die sieben Zwerge von TV-Komikern wie Martin Schneider, Ralf Schmitz, Markus Majowski und Mirco Nontschew gespielt, die jeweils ihre vom Bildschirm bekannten Markenzeichen ausspielen; dies gilt auch für die Darsteller der Nebenrollen, etwa Hans-Werner Olm, Atze Schröder und Helge Schneider.
Kabarettistische Sujets: Fehlanzeige
Letzterer, der in seinen Bühnenprogramm virtuose Musikalität mit platten Kalauern vermengt, hatte in den 1990er Jahren bewusst dilettantisch gestaltete Unsinn-Filme produziert, an denen sich die Geister schieden. An Filmen wie "Texas - Doc Snyder hält die Welt in Atem" (1993), "00 Schneider - Jagd auf Nihil Baxter" (1994) und "Praxis Dr. Hasenbein" (1997) rühmen die einen die hanebüchene Handlung, die kümmerliche Dramaturgie und das schauspielerische Untalent Schneiders als irreale Verfremdung, die bewusst gegen alle Spannungs- und Unterhaltungsgrundsätze des Kinos verstößt. Die anderen dagegen attestieren Schneiders filmischem Schaffen "keine Handlung, keinen Sinn" (Schweizer Zeitung, 30. 1. 1997) und bezichtigen ihn als Un-Komiker. Eindeutiger waren die Verrisse von "Die drei Mädels von der Tankstelle" (1997), in dem TV-Comedian Wigald Boning seine erste Kino-Hauptrolle spielte. Sein einstiger Sketch-Partner Olli Dittrich ist zwischenzeitlich bei Film ("Frau Rettich, die Czerny und ich", 1998; "Late Show", 1999; "Der Wixxer", 2004) und Fernsehen (Serie "Blind Date", ab 2001; "Dittsche", ab 2004) gleichermaßen präsent, während Comedians wie Markus Maria Profitlich, Anke Engelke, Hella von Sinnen und Dirk Bach bislang keine oder wenig beachtete Abstecher auf die Leinwand unternommen haben. Jürgen von der Lippe zog sich nach dem Misserfolg seines Films "Nich" mit Leo" (1995) wieder zum Fernsehen zurück, das hessische Dou Gerd Knebel und Henni Nachtsheim alias Badesalz gestaltete seinen Film "Abbuzze! Der Badesalz-Film" (1996) als reine Nummernrevue, in der die beiden Komiker ebenso wie in ihren Bühnen- und TV-Programmen ständig in neue Maskeraden schlüpften. Im Übrigen lässt sich bei Badesalz so etwas wie verhaltene Gesellschaftskritik erkennen, derweil eine echte politisch-kabarettistische Satire im deutschen Film derzeit kaum vorhanden ist. Die TV-Stars Harald Schmidt und Ottfried Fischer, die ursprünglich vom politischen Kabarett kamen (wobei Fischer auf eine Karriere als Nebendarsteller im Kino zurückblicken kann), beschränken ihre Leinwand-Auftritte inzwischen hauptsächlich auf die Vermarktung ihres auf dem Bildschirm erworbenen Ruhms.
Nationales und Regionales
Immerhin bot die deutsch-deutsche Wiedervereinigung Stoff und/oder Hintergrund für eine Reihe hübscher Komödien, deren Palette von "Go, Trabi, Go" (1990; mit dem aus der Ex-DDR stammenden, vor allem im Fernsehen aktiven Komödianten Wolfgang Stumph) über "Sonnenallee" (1999) bis hin zu "Herr Lehmann" (2003; beide mit dem auch als Regisseur lakonischer Komödien hervorgetretenen Detlev Buck) reichte. Die komische Reflexion anderer gesellschaftlicher Aspekte – etwa der Wirbel um die vermeintlichen Hitler-Tagebücher ("Schtonk", 1992) oder das Phänomen der Autonomen- und Hausbesetzer-Szene ("Was tun, wenn"s brennt?", 2001) – blieb weiter die Ausnahme. Der erschreckend authentische Kleinbürger-Satiriker Gerhard Polt, der im Fernsehen eine wunderbare Serie kabarettistischer Meisterstücke gestaltete, macht sich im Kino eher rar ("Kehraus", 1983; "Man spricht deutsh", 1988; "Herr Ober!", 1992) und landete 2004 mit der Sandalenfilm-Parodie "Germanikus" einen veritablen Flop. Der Entertainer Hape Kerkeling, der in der erfolgreichen Komödie "Kein Pardon" (1993) seine erste Hauptrolle in einem Kinofilm gespielt hatte, widmete sich danach als eigener Drehbuchautor Fernsehspielen wie "Club Las Piranhas" (1995), "Willi und die Windzors" (1996) sowie der Reihe "Gisbert" (1998) und meldete sich erst 2004 mit der Posse "Samba in Mettman" im Kino zurück. Bevorzugt im Ruhrgebiet angesiedelt, bedienen Filme wie "Was nicht passt, wird passend gemacht" (1997), "Bang Boom Bang" (1999), sowie Tom Gerhardts Proleten-Späße "Voll normaaal" (1994) und "Ballermann 6" (1997) das Klischee geistig unterbelichteter Rabauken, die in einer bizarren Debilen-Mundart kommunizieren. Nach demselben Muster sind die Pubertäts-Klamotten "Harte Jungs" (2000), "Feuer, Eis und Dosenbier" und "Knallharte Jungs" (beide 2002) gestrickt, deren Darstellerensemble gleichfalls auf TV-bewährte Versatzstücke zurückgreifen.
Mit der Fußballer-Komödie "Männer wie wir" wurde 2004 ein loser Zyklus um Selbstverständnis und gesellschaftliche Stellung von Homosexuellen fortgesetzt, der unter anderem aus Sönke Wortmanns Comic-Verfilmung "Der bewegte Mann" (1994) und Rolf Silbers "Echte Kerle" (1996) bestand. Diese Filme stellen eine Art "liberalisierte" Analogie zu jenen heiteren Liebes- und Beziehungsgeschichten dar, die in den 1980er und 1990er Jahren mit Filmen wie "Männer" (1985), "Beim nächsten Mann wird alles anders" (1988), "Allein unter Frauen" (1991), "Ein Mann für jede Tonart" (1992) oder "Abgeschminkt" (1993) oder schon einmal eine vermeintliche Renaissance der (damals noch west-) deutschen Filmkomödie eingeläutet hatten. Die Originalität, die Wortmanns Film so erfrischend machte, verflachte indes in den Nachfolge-Filmen immer mehr, sodass irgendwann nur die altbekannten Klischees übrig blieben. Eine 2003 produzierte TV-Serie mit dem Titel "Bewegte Männer" – selten gewordenes Beispiel für den Weg eines Stoffs vom Kino zum Fernsehen – hatte schließlich nicht mehr zu bieten als verkrampft schwule Stereotypen. In umgekehrter Richtung indes verlief die Erfolgsgeschichte des Duos Erkan Maria Moosleitner und Stefan Lust. Das Komikerpaar "Erkan und Stefan" übertrug seine deutsch-türkisch radebrechenden Deppen mit Kleinganoven-Ambitionen von der Bühne zunächst aufs Fernsehen und schließlich ins Kino ("Erkan & Stefan", 2000; "Erkan & Stefan gegen die Mächte der Finsternis", 2002; "Erkan und Stefan III - Fettes Merci für die Leiche", 2005).
Manitu, (T)raumschiff, Wixxer: Die deutsche Filmkomödie auf neuen Wegen?
Beim ersten Kinofilm von Erkan und Stefan saß ein Komiker und Autor auf dem Regiestuhl, der für die beiden bemerkenswertesten deutschen Filmkomödien der letzten Jahre verantwortlich zeichnet. Michael Herbig alias "Bully" präsentierte ab 1997 im Fernsehen seine "Bully-Parade" – eine unbekümmerte Revue anarchischer Szenen, Dialoge und Songs, die er gemeinsam mit seinen Partnern Christian Tramitz und Rick Kavanian auch geschrieben hatte. Die nummernhafte Gestaltung seiner temporeich-respektlosen Gags kennzeichnete auch seinen überaus erfolgreichen Kinofilm "Der Schuh des Manitu" (2001), eine liebe- und stimmungsvolle Parodie auf die Karl-May-Western der 1960er Jahre, deren Reiz nicht zuletzt auf der bewussten Übernahme der damaligen Bildgestaltung beruht. Nach gleichem Muster ist auch "(T)raumschiff Surprise - Periode 1" (2004) aufgebaut, in dem er nicht minder wirkungsvoll die TV-Abenteuer des "Raumschiffs Enterprise" persiflierte. Fast zeitgleich mit Herbigs "(T)raumschiff Surprise" kam "Der Wixxer" (2004) in die Kinos, in dem Oliver Kalkofe und Bastian Pastewka die Edgar-Wallace-Verfilmungen der 1960er Jahre mit all ihren Spukschlössern, Geheimorganisationen, irren Massenmördern und knarzenden Treppen verulkten. Diese Veralberung hinlänglich bekannter Publikumserfolge, deren Versatzstücke für die Zuschauer sofort identifizierbar sind und gerade deshalb ebenso komisch wie liebevoll karikiert wirken, stellte in ihrer Konsequenz und Geschlossenheit für den deutschen Film ein Novum dar. Zuvor hatte es dies nur in US-Produktionen wie "The Naked Gun" ("Die nackte Kanone",1988), beim amerikanischen Starkomiker Mel Brooks oder den wüsten Anarcho-Späßen des britischen Komiker-Sextetts Monty Python gegeben. Die deutsche Filmkomödie, die inzwischen nahezu ausschließlich ihre besten Kräfte beim Fernsehen abwirbt, beschreitet damit erstmals wieder neue Wege.