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Die satirische Aufbereitung des Skandals um die 1983 veröffentlichten "Hitler-Tagebücher": Der erfolglose Maler Fritz Knobel gibt sich als Kunstexperte und -händler aus und verkauft dem Fabrikanten Lentz ein gefälschtes Tagebuch, das angeblich von Adolf Hitler stammt. Als der abgehalfterte Reporter Hermann Willié von der Existenz dieses und weiterer Tagebücher erfährt, wittert er eine journalistische Sensation.
Er überredet seine Vorgesetzten, Knobel die restlichen Tagebücher des Diktators abzukaufen: Für 40.000 Mark pro Stück liefert Knobel der Redaktion ein Buch nach dem anderen. Die exklusive Story wird für das Blatt ein grandioser Erfolg – bis der Verdacht aufkommt, dass die Hitler-Tagebücher vielleicht gar nicht echt sind ...
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Schnitt. Westdeutschland in den 1950er Jahren: Aufschwung, Wirtschaftswunder. Auch der Ich-Erzähler Fritz Knobel macht Karriere. Aus dem Neunjährigen, der Amis auf dem Schwarzmarkt angeblich authentische Hitler-Devotionalien verkauft, ist ein Fälscher im großen Stil geworden. Die Geschäfte laufen blendend: Für die Malerei des Expressionismus, des Kubismus und überhaupt der abstrakten Kunst, die unter den Nazis als „entartet“ beschlagnahmt und für viel Geld ins Ausland verhökert wurde, besteht enormer Bedarf.
Schnitt. Ein paar Jahre später im Schwäbischen. Die Leinwand wird farbig, doch die idyllischen Bilder inzwischen längst wieder blühender Landschaften täuschen. Die Geschäfte des Kunstmalers Fritz Knobel gehen schlecht, denn statt großer Werke der Welt-Kunst sind nun provinzielle Nazi-Schinken gefragt. So sattelt Knobel flugs zum Kunstsammler um und erhält einen ersten Auftrag: Der Fabrikant Karl Lentz, ein so unverbesserlicher Nazi wie seine Gattin, wünscht sich ein Eva Braun-Porträt, möglichst einen Akt – und den auch noch aus der Hand Adolf Hitlers.
Versprochen ist versprochen. Doch Knobels Gattin Biggi, die sich als Putzfrau selbständig gemacht hat („Blitzblank“), will partout nicht Modell sitzen, weshalb Fritz sich unter den Landarbeiterinnen umsieht – und bei der drallen Martha fündig wird. Die posiert bereitwillig hüllenlos in Knobels Atelier und lässt sich auch sonst gern vom Künstler verwöhnen.
Knobel landet mit seinem Akt beim Auftraggeber einen umso nachdrücklicheren Erfolg, als mit dem Kunstexperten Strasser ein Insider die Echtheit des Berghof-Kitschbildes bestätigt: Der Autor des Buches „Der Führer und ich“ sei selbst dabei gewesen, als Hitler seine Geliebte im Evakostüm vor der Berchtesgadener Alpenkulisse gemalt habe. Das Bild galt zusammen mit anderen wertvollen Gegenständen aus der Berliner Reichskanzlei, darunter auch Hitlers Tagebüchern, als verschollen: Die Junkers-Maschine mit dem brisanten Material sei in den letzten Kriegstagen über Börnersdorf bei Dresden abgestürzt.
Fritz Knobel hat verstanden. Mit Hilfe alter DDR-Schulkladden aus stark holzhaltigem Papier, Tee, einem Toaster, Feder und Tinte entsteht in seiner Werkstatt Hitlers Tagebuch vom 30. April 1945...
Schnitt. Hansestadt Hamburg. Ein Schiffswrack wird gehoben und auf Reede geschleppt. Der durch Alkoholexzesse und zahlreiche Pannen vor der Entlassung stehende „HH-Press“-Reporter Hermann Willie hofft, mit diesem Schrotthaufen in die Schlagzeilen des Blattes zurückzukommen, handelt es sich doch um die „Carin II“, die ehemalige Yacht Hermann Görings. Doch sein Vorgesetzter Pitt Kummer will von dieser „Story“ nichts wissen.
So setzt Willie, der in einem Akt von Größenwahn das Schiff erworben hat und wieder flott machen will, alles auf eine Karte – und die Bekanntschaft mit Freya von Hepp, der Nichte des Reichsmarschalls. Die lässt sich nicht lange bitten, steckt den Astralkörper des Reporters nur vorübergehend in Görings Bademantel, um ihn dann ganz mit Haut und Haaren einzusacken. So kommt Willie endgültig ins „Milieu“ und bei einem der pompösen Lentzschen Empfänge zu Führers Geburtstag in Kontakt zu Knobel und Hitlers Tagebuch. Flugs fährt er nach „drüben“, um in Börnersdorf zu recherchieren, meint auf dem Dorffriedhof fündig geworden zu sein, bequatscht seinen Chef und dann auch noch „HH-Press“-Verlagsleiter Dr. Wieland.
40.000 Mark gibts für jede Tagebuch-Kladde, für „Extras“ wie das Parteiprogramm von 1920, Liebesbriefe und Gedichte später sogar noch mehr. Und Knobel kommt ordentlich ins Schwitzen, was jedoch nicht nur mit seiner ertragreichen Produktion zu tun hat: Nachdem Gattin Biggi und Geliebte Martha ihre Eifersucht überwunden und sich zusammengetan haben, hat Fritz noch weniger zu lachen. Aber wenigstens einiges an bitteren Erfahrungen („Die ständigen Anstrengungen der letzten Wochen verursachen mir Blähungen, und Eva sagt, ich habe Mundgeruch“) beizusteuern zu den sehr intimen Bekenntnissen des Führers. Die im Übrigen, da ein „A“ im Setzkasten gerade nicht greifbar war, mit den Initialen „F.H.“ versehen sind.
Sie schlagen im noblen Hamburger Verlagshaus ein wie eine Bombe, endlich können auch die skeptischen Chefredakteure Kurt Glück und Uwe Esser nicht mehr anders als diesen Sprengsatz vor der flugs zusammengetrommelten Weltöffentlichkeit zu zünden: „Von heute an müssen große Teile der deutschen Geschichte neu geschrieben werden“. Drei Gutachter haben völlig unabhängig voneinander die Echtheit der Tagebücher attestiert. So feiert Willie sein 30-jähriges Berufsjubiläum mit all’ seinen aufrechten neuen Freunden auf der frisch restaurierten „Carin II“...
Mit „Schtonk!“ ist Helmut Dietl eine zumindest bis dato singuläre, bis in kleinste Nebenrollen glänzend besetzte Real-Satire gelungen, die am 12. März 1992 in den Kinos startete. Nach wie vor bleibt die Dreistigkeit eines Militariahändlers und Fälschers wie Konrad Kujau, die Leichtgläubigkeit eines Journalisten wie Gerd Heidemann und eines Verlagsleiters wie Gerd Schulte-Hillen und nicht zuletzt die Rückratlosigkeit von Chefredakteuren wie Peter Koch und Felix Schmidt ein großes Rätsel. Denn die Fälschungen waren allzu plump, um diese aufzudecken hätte es nicht erst des Bundeskriminalamtes bedurft. Freilich: Wenn selbst das Koblenzer Bundesarchiv und das Mainzer Landeskriminalamt dem „Stern“ die Echtheit der Kujau-Tagebücher attestierten, so trifft den Verlag – und die Zunft der Journalisten – die Schuld nicht allein.
Pitt Herrmann