Bettina Böhler
Bettina Böhler, geboren am 24. Juni 1960 in Freiburg, sammelte erste Erfahrungen beim Film durch ein Praktikum in einem Kopierwerk im Jahr 1979. Danach war sie als Synchronschnittassistentin bei der Berliner Firma Interopa tätig. Böhler absolvierte keine klassische Ausbildung, sondern machte sich nach dem Prinzip "learning by doing" mit den technischen Aspekten des Filmemachens vertraut. Sie bekam Jobs beim Sender Freies Berlin (SFB), assistierte bei Produktionen von Helma Sanders-Brahms, Rudolf Thome und Ulrike Ottinger.
1985 zeichnete sie bei "Du mich auch" von Helmut Berger, Anja Franke und Dani Levy erstmals als Editorin verantwortlich. In den folgenden Jahren etablierte Böhler sich als eine der versiertesten Editorinnen des deutschen Kinos. Ihre Bandbreite reicht dabei von betont poetischem, ruhigem Kunstkino wie "Novalis - Die blaue Blume" (1993) bis zu wild montierter Trash-Art wie Christoph Schlingensiefs "Die 120 Tage von Bottrop" (1997). Seit 1991 ist sie Dozentin für Schnitt an der Deutschen Akademie für Film und Fernsehen Berlin.
Mit mehreren Filmemachern und Filmemacherinnen etabliert Böhler eine jahrelange Zusammenarbeit. Mit Michael Klier arbeitete sie an "Überall ist es besser, wo wir nicht sind" (1989), "Ostkreuz" (1991), "Heidi M." (2001) und "Farland" (2004). Für Angela Schanelec übernahm sie die Montage unter anderem bei "Plätze in Städten" (1998), "Marseille" (2004) und "Nachmittag" (2007). Seit 2005 fungiert Böhler zudem bei fast allen Filmen ihrer Lebenspartnerin Angelina Maccarone als Editorin, darunter das preisgekrönte Liebesdrama "Verfolgt" (2006) und die umstrittene "Tatort"-Folge "Wem Ehre gebührt" (2007). Aber auch mit anderen, stilistisch so gegensätzlichen Regisseuren wie Henner Winckler ("Klassenfahrt", 2002; "Lucy", 2006) und Oskar Roehler ("Lulu und Jimi", 2009; "Jud Süss - Film ohne Gewissen", 2010) arbeitet sie mehrfach zusammen.
Am häufigsten wird der Name Bettina Böhler gleichwohl mit Christian Petzold in Verbindung gebracht. Durch Michael Klier hatte sie den Filmemacher Anfang der 90er Jahre kennen gelernt; mit ihrer Montage beim Fernsehspiel "Cuba Libre" begann 1996 dann eine bis heute andauernde, fruchtbare Zusammenarbeit. Die Montage des hoch gelobten Familien- und Gesellschaftsdramas "Die innere Sicherheit" (2000) brachte Böhler den Preis der deutschen Filmkritik und den Schnitt-Preis beim Kinofest Lünen ein. Außerdem montierte sie die Petzold-Filme "Toter Mann" (2001), "Wolfsburg" (2002), "Gespenster" (2005), "Yella" (2007, Femina-Preis auf der Berlinale 2007) und "Jerichow" (2008).
"In den präzise gearbeiteten Petzold- Filmen", schrieb Christiane Peitz 2012 in einem Böhler-Porträt im "Tagesspiegel", "kann man gut sehen, wie sie Szenen nachhallen und ausschwingen lässt, den Impuls einer Sequenz mit dem der nächsten synchronisiert. Sie ist die Taktgeberin, aufmerksam, einfühlsam, voller Empathie mit den Figuren." Im gleichen Jahr wurde Bettina Böhler für die Montage bei Petzolds DDR-Drama "Barbara" (2012) für den Deutschen Filmpreis nominiert. Darüber hinaus erhielt Böhler für diesen Film den Preis der deutschen Filmkritik.
Beim Toronto Film Festival wurde im Herbst 2012 Margarethe von Trottas "Hannah Arendt" uraufgeführt. Regisseur Thomas Arslan betraute sie mit dem Schnitt seines in verschneiter Landschaft spielenden Westerns "Gold", der im Wettbewerb der Berlinale 2013 uraufgeführt wurde.
Zu Böhlers weiteren wichtigen Arbeiten gehören der Langzeit-Dokumentarfilm "Das Gelände" (2014), die in Thailand spielende Liebesgeschichte "Patong Girl" (DE/TH 2014), Margarethe von Trottas Familiengeschichte "Die abhandene Welt" (2015) sowie Christian Petzolds Nachkriegs-Melodram "Phoenix" (2014) und seine "Polizeiruf 110"-Folgen "Kreise" (2015, TV) und "Wölfe" (2016, TV). Für den Regisseur Daniel Harrich übernahm sie den Schnitt bei dem vielbeachteten, investigativen Fernsehfilm "Meister des Todes" (2015).
2017 wurde Böhler für die Montage von Nicolette Krebitz' hoch gelobtem "Wild" (2015) erneut für den deutschen Filmpreis nominiert. Ebenfalls 2017 feierte im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes "Western" (2017) Premiere, eine in der bulgarischen Provinz spielende Charakter- und Milieustudie von Valeska Grisebach.
Bei Margarethe von Trottas Dokumentarfilm "Auf der Suche nach Ingmar Bergman" (DE/FR 2018) zeichnete Böhler neben dem Schnitt auch als Co-Regisseurin verantwortlich. Als Editorin arbeitete sie mit Regisseur Christian Petzold wieder bei dessen Kinofilm "Transit" (2018) und der "Polizeiruf 110"-Folge "Tatorte" (2018) zusammen. Auch bei Sherry Hormanns preisgekröntem Drama "Nur eine Frau" (2019) über eine Deutsch-Türkin, die nach einem selbstbestimmten Leben strebt und dafür von ihren Brüdern erst bedroht und dann ermordet wird, fungierte Böhler als Editorin.
Auf der Berlinale 2020 lief im Wettbewerb Christian Petzolds "Undine" (DE/FR), bei dem einmal mehr Böhler für den Schnitt verantwortlich zeichnete. Im Panorama der Berlinale 2020 stellte Bettina Böhler auch ihr alleinverantwortliches Regiedebüt vor, den Dokumentarfilm "Schlingensief - In das Schweigen hineinschreien". Für ihr Portrait des verstorbenen Künstlers erhielt Böhler mehrere Auszeichnungen: Der Dokumentarfilm gewann 2020 den Bayrischen Filmpreis und wurde beim Deutschen Filmpreis in den Kategorien Bester Dokumentarfilm und Bester Schnitt nominiert. Böhlers editorische Arbeit wurde 2021 beim Deutschen Kamerapreis und dem Edimotion gewürdigt.
Nach diesem erfolgreichen Debüt übernahm Böhler den Schnitt bei Lisa Bierwirths interkultureller Beziehungsstudie "Le Prince" (2021). Für den Schnitt der Liebeskomödie "A E I O U - Das schnelle Alphabet der Liebe" (DE/FR 2022) von Nicolette Krebitz wurde sie ein weiteres Mal für den Deutschen Filmpreis nominiert.