Inhalt
Kanada im Sommer 1898. Eine Gruppe deutscher Einwanderer macht sich mit Planwagen, Packpferden und wenigen Habseligkeiten auf den Weg in den hohen Norden. In Ashcroft, der letzten Bahnstation, brechen die sieben Teilnehmer auf. Mit ihrem Anführer, dem großspurigen Geschäftsmann Wilhelm Laser, wollen sie ihr Glück auf den neu entdeckten Goldfeldern in Dawson suchen. Sie haben keine Vorstellung davon, welche Strapazen und Gefahren sie auf der 2500 Kilometer langen Reise erwarten. Unsicherheit, Kälte und Erschöpfung zerren an den Nerven der Männer und Frauen. Die Konflikte eskalieren. Immer tiefer führt sie der Weg in eine bedrohliche Wildnis.
Die Helden und Heldinnen des Berliner Regisseurs Thomas Arslan sind immer in Bewegung. Man lernt sie bei ihren Gängen durch ihren Alltag und durch ihr Leben näher kennen: den Gangster Trojan aus "Im Schatten" (Forum 2010) oder auch die aus der Türkei stammende junge Deniz aus "Der schöne Tag" (Forum 2001) und nun Emily. So gefährlich der Weg durch unerschlossenes Land ohne zuverlässige Karten auch ist – einer Sache ist sich Emily ganz sicher: Eine Rückkehr in ihr altes Leben kommt nicht in Frage.
Quelle: 63. Internationale Filmfestspiele Berlin (Katalog)
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Wilhelm Laser versammelt nur eine Handvoll Goldsucher, die sich auf seine Zeitungsanzeige hin bei ihm gemeldet haben, am Ausgangspunkt eines 1.500 Kilometer langen Weges durchs unwegsame Landesinnere bis nach Dawson, wobei die letzte Strecke im Boot auf dem Yukon-Fluss zurückgelegt werden soll. Das schon etwas ältere Ehepaar Maria und Otto Dietz hat ihr New Yorker Restaurant verkauft und alles Hab und Gut für einen Neuanfang auf einen Planwagen gepackt. Auch Joseph Rossmann setzt für eine Wende seines ärmlichen Lebens alles auf eine Karte. Der abgehärmte, häufig melancholische Einzelgänger, der gern auf seinem Gitarrenbanjo spielt, versucht, jedem Streit aus dem Weg zu gehen.
Der sich beim unbeherrschten, alkoholsüchtigen (Foto-) Journalisten Gustav Müller gleich zu Beginn andeutet: Aus Hannover über den Großen Teich gekommen für eine Goldrausch-Sensationsgeschichte, aber keineswegs abgeneigt, seinen „Hungerlohn als Schreiberling“ durch ein paar eigene Nuggets aufzubessern, will er sich nichts sagen lassen, weder vom Führer des kleinen Trecks, Wilhelm Laser, dessen Kompetenz er anzweifelt, noch gar vom angeheuerten Packer Karl Böhmer. Auf den er eifersüchtig ist, als sich die auf den ersten Blick so kühl-zurückweisend gebende Emily bereiterklärt, ihm beim abendlichen Absatteln und Versorgen der Vierbeiner zu helfen.
Als die sieben Goldsucher voller Zuversicht zu ihrer prognostiziert sechswöchigen Tour aufbrechen, haben sie keine Vorstellung davon, welche Strapazen sie auf den versprochenen „gut ausgebauten Wegen“ erwarten. Die immer tiefer in die unermesslich erscheinende, unwirtliche Wildnis Kanadas führen. Die Landkarten Wilhelm Lasers erweisen sich als unzuverlässig, sodass mehrfach Indianer einspringen müssen, um gegen Bezahlung etwa zur besten Überquerungsmöglichkeit eines Flusses zu führen. Der Planwagen mit der Ausrüstung des Ehepaars Dietz und dem Proviant der Gruppe wird zum Hindernis, das schon bald zurückgelassen werden muss, und die Packpferde sind der Belastung immer weniger gewachsen.
Gnadenlos treibt Laser den Treck durch eine bergige, heiße, staubige und schier endlose Landschaft, die Patrick Orths Kamera zum eigentlichen Gegenspieler der Menschen aufwertet. Weiß er, was nur das Kinopublikum mitbekommt, dass zwei bewaffnete Reiter die Gruppe offenbar mit einem bestimmten Ziel verfolgen? Unsicherheit und Erschöpfung zerren an den Nerven, die Konflikte spitzen sich zu, als Laser des Diebstahls bezichtigt wird und aufgeknüpft werden soll. Was Emily, die ihn in der Nacht befreit, verhindert. Nun sind es nur noch ein halbes Dutzend, die unter der selbsternannten Führung Gustav Müllers weiterziehen.
Nach einem schweren Unfall, Otto Dietz ist vom Pferd gestürzt, als dieses sich einer Klapperschlange erwehrte, schleppen sich alle bis zur nächsten Ansiedlung. Noch 400 Meilen bis zum nächsten Ort, das Ehepaar gibt auf. „Das Gold wird uns für alles entschädigen“ verspricht Müller: Zu viert geht’s weiter. Nicht lange danach tappt der Journalist in eine Wildtierfalle, ein Bein muss amputiert werden, um eine weitere Ausdehnung des letztlich tödlichen Wundbrandes zu verhindern. Karl Böhmer unternimmt die nur kurzzeitig erfolglose „Operation“ unter Whiskey-Narkose: Da waren es nur noch drei. Rossmann verkraftet die psychische Belastung nicht mehr und irrt nackt allein durchs Unterholz, die beiden Verbliebenen suchen ihn vergeblich.
In Telegraph Creek finden Karl und Emily endlich zueinander. Doch der Packer wird wegen Totschlags gesucht – und von den beiden Verfolgern gefunden und erschossen. Emily Meyer, die den Österreicher auf dem Friedhof bestattet, setzt den Ritt nach Dawson allein fort: Sie hat nichts Wertvolles zurückgelassen, was allein zählt ist die Zukunft…
Eine wie gewohnt unterkühlt-ikonische Nina Hoss über ihre Rolle im Piffl-Presseheft: „Martha Black, die 1898 nach Klondike ging und später eine der ersten Parlamentarierinnen Kanadas wurde, hat geschrieben, dass sie nicht losgegangen ist, um Sicherheit zu finden, sondern um sich zu befreien, um Abenteuer zu erleben. Diesen Drang gab es bei den Frauen dieser Zeit. Und das Einfachste, das umzusetzen, ist, dass man da hingeht, wo es noch keine fertige Gesellschaft gibt, sondern wo alle eigentlich ums Überleben kämpfen. In den Berichten der Frauen von damals kam auch vor, dass sie irgendwann gewagt haben, den Rock über dem Knöchel zu kürzen, das ging eigentlich nicht, das war richtiggehend verboten. Und irgendwann haben die Frauen sich darüber hinweggesetzt, so wie Emily sich später von dem Korsett befreit, das sie am Anfang trägt. Dem nachzugehen und nachzuspüren, was das für Frauen gewesen sein mussten, die diese Zwänge gesprengt haben, die sich eigentlich ohne Vorbilder befreit haben, das hat mich auch noch interessiert.“
„Gold“ wurde im Herbst 2012 authentisch zweisprachig in Kanada gedreht: die Deutschen sprechen untereinander in ihrer Sprache und mit den Einheimischen auf Englisch. Thomas Arslans zwar wie von der „Berliner Schule“ gewohnt elegischer, aber auch sehr bildgewaltiger Autorenfilm startete am 15. August 2013 in den deutschen Kinos und wurde am 10. Juni 2015 auf Arte erstausgestrahlt.
Pitt Herrmann