Inhalt
Wien, zur Zeit der Jahrhundertwende: Der Industrielle Friedrich Hofreiter ist ein eitler, selbstgefälliger Mann, der es gewohnt ist, sich zu nehmen, was er haben will, und dem es Spaß bringt, Macht auszuüben. Seine zarte Frau Genia erkennt immer mehr seine Verlogenheit. Der russische Pianist Alexej Korsakow, ein feinsinniger Künstler, begeht ihretwegen Selbstmord. Hofreiter dagegen fährt in die Dolomiten mit seinem Freund und Hausarzt Dr. Mauer, der in die junge Erna verliebt ist. Hofreiter macht sie vor Mauers Augen zur eigenen Geliebten. Den Geliebten von Genia wiederum provoziert er zu einem Duell und erschießt ihn. Am Ende ist nur Leere. – Werkgetreue Verfilmung des Bühnenstücks von Arthur Schnitzler.
Kommentare
Sie haben diesen Film gesehen? Dann freuen wir uns auf Ihren Beitrag!
Jetzt anmelden oder registrieren und Kommentar schreiben.
Luc Bondy, der seinerzeit gerade an der einst avantgardistischen Berliner Schaubühne Molieres „Misanthrop“ inszenierte, hat mit einem internationalen Staraufgebot Schnitzlers 1911 gleichzeitig auf neun Bühnen zwischen Berlin, Breslau und Wien uraufgeführtes Stück „Das weite Land“ verfilmt, nachdem er das Konventions-Drama selbst drei Jahre zuvor im französischen Nanterre auf die Bretter stellte. Herausgekommen ist jedoch kein auf die Leinwand gebanntes Theaterstück, sondern ein richtiger Kinofilm. Luc Bondy ist es gelungen, die Atmosphäre einer untergehenden Epoche nach der Jahrhundertwende in opulenten Bildern von grandioser Schönheit festzuhalten. Das muss man auf einer großen Leinwand wie im „Auge Gottes“ erleben!
Michel Piccoli spielt den wohlhabenden Industriellen Friedrich Hofreiter, der mit seiner bildhübschen Frau Genia in einer paradiesischen Jugendstilvilla in Baden bei Wien lebt („wohnt“ wäre hier stark untertrieben). Hofreiter ist ein erfolgreicher Lebemann, der Macht auf Frauen jeglicher Herkunft und jeglichen Alters ausübt. Mit Adele, der Gattin seines Bankiers Natter, hat er gerade Schluss gemacht, als er die sich anbahnende Liaison zwischen seinem Arzt und Freund Dr. Mauer mit der blutjungen, mädchenhaft-schwärmerischen Erna Wahl eigennützig unterbindet. Bei einer anstrengenden Hochgebirgstour zu dritt nutzt er eine vorübergehende Schwäche Mauers, um sich Erna zu vergewissern.
Genia dagegen weist gleich zwei junge Liebhaber ab: den genialischen Pianisten Korsakow, der sich darauf das Leben nimmt, und den Marinefähnrich Otto, den Hofreiter im Duell tötet. Nicht, weil er einen Nebenbuhler der gesellschaftlichen Konvention wegen beseitigen musste, sondern um sich selbst und der Welt zu beweisen, wer Herr des Badener „Hofes“ ist. Otto hätte ein gefährlicher Gegner des Despoten werden können, wenn nicht im Bett seiner Gattin so doch wenigstens in ihrer Umgebung – und auf dem Tennisplatz.
Bei aller Opulenz der Ausstattung und der prachtvollen Dolomiten-Landschaftsaufnahmen Thomas Mauchs ist es Luc Bondy in seinem Film, dessen französischsprachige Version im Mai 1987 in Cannes uraufgeführt worden ist, sehr wohl gelungen, die „Spielregeln“ der Gesellschaft kurz nach der Jahrhundertwende und Schnitzlers tiefgründige Kritik an ihnen deutlich zu machen. „Das weite Land“ ist auch ein nostalgisch anmutendes Vergnügen, hineinversetzt zu werden in eine Zeit, die nicht besser und nicht schlechter war als die unsere, die aber einen Lebensstil kultivierte, der heute – bei allen Konventionen, die Schnitzler geißelt – verloren gegangen ist. Es ist ein Luxus, um noch einmal auf Miguel Herz-Kestranek zurückzukommen, zu dem auch die exquisite Besetzung gehört.
Pitt Herrmann