Dominik Graf, geboren am 6. September 1952 als Sohn des Schauspieler-Ehepaars Selma Urfer und Robert Graf, begann 1972 ein Studium der Germanistik und Musikwissenschaft an der Universität München. 1974 wechselte er zur Hochschule für Fernsehen und Film (HFF), wo er im ersten Studienjahr den Kurzfilm "Carlas Briefe" drehte. Neben dem Studium schrieb er Drehbücher, zum Beispiel für die TV-Serie "Auf Achse", und wirkte als Darsteller in einigen Spielfilmen mit, so in "Der Mädchenkrieg" (1977, Alf Brustellin, Bernhard Sinkel) und einer Hauptrolle in Heidi Genées Komödie "1 + 1 = 3" (1979).
Sein Abschlussfilm "Der kostbare Gast" (1979) erhielt einen Bayerischen Filmpreis. Graf arbeitete intensiv für das Fernsehen, drehte Episoden für Vorabendserien wie "Familientag" oder "Köberle kommt" und konnte sich als Spezialist für Action und Krimis etablieren, etwa mit Folgen von "Der Fahnder" und dem Schimanski-Tatort "Schwarzes Wochenende" (1985).
Einige seiner meist von der Bavaria Atelier GmbH produzierten Filme kamen auch ins Kino: "Treffer" (1984) über die Träume von drei heranwachsenden Motorrad-Freunden; "Tiger, Löwe, Panther" (1989), der Ausbruchsversuch dreier Frauen um die 30 aus ihrem Alltag. Im TV-Film "Bei Thea" (1986) bewies sich Graf als sensibler Inszenator deutsch-jüdischer Probleme. Weniger Erfolg hatte Graf bei seinen Versuchen mit komischen Stoffen, beispielsweise mit der Komödie "Drei gegen Drei" (1985) mit der Musikgruppe "Trio", dem Genre-Mix "Spieler" (1990) oder der bajuwarisierten Medizin-Satire "Dr. Knock" (1997).
Hoch gelobt wurden hingegen seine Action-Filme wegen ihrer spannungsreichen Konstruktion und professionellen Inszenierung. Für den Thriller "Die Katze" (1987), die zwölf Stunden eines Banküberfalls mit Geiselnahme beschreibt, erhielt er einen Bundesfilmpreis für die beste Regie. Götz George war auch Star der ökologischen Thriller-Serie "Morlock", zu der Graf mit "Die Verflechtung" (1992) einen Beitrag lieferte. Der Ensemblefilm "Die Sieger" (1994) um Polizisten einer Spezialeinheit, von Günter Rohrbach mit großem finanziellen Aufwand produziert, floppte zwar an der Kinokasse, wurde jedoch von der Kritik als handwerklich herausragende Genreware gelobt.
In den kommenden Jahren arbeitete Dominik Graf vor allem fürs Fernsehen. Hier wechselte er bei seiner Projektauswahl beständig zwischen durchaus kontroversen Genre-Beiträgen wie "Sperling und der brennende Arm", Melodramen wie "Bittere Unschuld" (mit Elmar Wepper in der Hauptrolle) und poetischen Arbeiten wie "Die Freunde der Freunde".
Mit dem umstrittenen Filmpoem "Der Felsen" meldete Graf sich 2002 im Kino zurück. Der Film über eine "amour fou" zwischen einem jugendlichen Delinquenten und einer erwachsenen Frau wurde bei der Berlinale uraufgeführt und rief kontroverse Reaktionen hervor – nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass Graf und sein Kameramann Benedict Neuenfels den Film aus Kosten-, aber auch aus ästhetischen Gründen auf Videomaterial gedreht hatten.
Mit der Milieustudie "Hotte im Paradies" über einen erfolglosen Berliner Zuhälter und dem Drama "Kalter Frühling" über eine junge Frau, die durch Intrigen die Firma ihrer Eltern übernimmt, lieferte Graf zwei weitere hoch gelobte Fernsehfilme. Dem Fernsehen wandte er sich auch nach dem eher zwiespältig aufgenommenen Kinofilm "Der rote Kakadu" über die legendäre DDR-Musikkneipe gleichen Namens wieder zu. Der Krimi "Er sollte tot" aus der Serie "Polizeiruf 110" war so drastisch in seinen Gewaltszenen, dass die ARD im Anschluss an den Sendetermin dem Publikum eine Online-Diskussionsmöglichkeit mit dem Regisseur anbot. Auch für "Eine Stadt wird erpresst", der neben seiner Krimigeschichte nicht zuletzt auch vom Niedergang der ostdeutschen Provinz erzählt, erntete Graf großes Kritikerlob.
Danach wandte Graf sich mit "Das Gelübde" (2007) einem völlig anderen Themenbereich zu: Der Historienfilm erzählt von der Beziehung zwischen Clemens von Brentano und der Nonne Anna Katharina von Emmerick. Beim Festival des deutschen Films 2008 wurde der Film mit dem Filmkunstpreis ausgezeichnet. Einen weiteren Grimme-Preis erhielt Graf zwei Jahre später für den Krimi "Kommissar Süden und der Luftgitarrist" mit Ulrich Noethen und Martin Feifel in den Titelrollen.
Nach einem Beitrag zu dem Episodenfilm "Deutschland 09 - 13 kurze Filme zur Lage der Nation" nahm Dominik Graf sein bislang wohl ambitioniertestes Projekt in Angriff: Die zehnteilige TV-Serie "Im Angesicht des Verbrechens" erzählt in einer komplex verschachtelten Geschichte von den Machenschaften der Berliner Russenmafia. Die Dreharbeiten wurden von Problemen am Set begleitet, es kam zu künstlerischen Differenzen zwischen Graf und den Geldgebern, die Produktion überzog das Budget und während der Postproduktion musste die Produktionsfirma Typhoon AG schließlich Insolvenz anmelden. Zumindest dem künstlerischen Erfolg des 10-Millionen-Euro-Projekts taten die Querelen und Rückschläge keinen Abbruch: Nach der Premiere auf der Berlinale 2010 sowie zu den Fernsehausstrahlungen auf Arte und der ARD wurde die Serie von der Kritik weitgehend in höchsten Tönen gelobt. In Sachen Zuschauererfolg blieb sie hingegen hinter den Erwartungen zurück. "Im Angesicht des Verbrechens" erhielt eine Reihe von Auszeichnungen, darunter den Deutschen Fernsehpreis als Bester Mehrteiler, den Grimme-Preis in der Kategorie Fiktion sowie den Regiepreis beim Bayerischen Fernsehpreis 2011.
Im Forum der Berlinale 2011 stellte Graf seinen nächsten Film vor: "Komm' mir nicht nach" war sein Beitrag zu "Dreileben", einem mit Spannung erwarteten Gemeinschaftsprojekt mit Christian Petzold und Christoph Hochhäusler: Alle drei Regisseure inszenierten dabei unabhängig voneinander Filme, deren inhaltlichen Verbindungspunkt die Jagd auf einen entflohenen Mörder darstellt. "Cassandras Warnung", ein erneuter Beitrag Grafs zu der Krimireihe "Polizeiruf 110", feierte beim Münchner Filmfest 2011 Premiere. Noch im gleichen Jahr wurde der Fernsehkrimi "Das unsichtbare Mädchen", mit Elmar Wepper als alterndem Kommissar, bei den Hofer Filmtagen uraufgeführt; die TV-Ausstrahlung folgte 2012. Auf der Berlinale 2012 stellte Graf dann "Lawinen der Erinnerung" vor, ein dokumentarisches Porträt des 2011 verstorbenen Filmemachers Oliver Storz.
Ebenfalls 2012 erhielt er gemeinsam mit Christoph Hochhäusler und Christian Petzold einen Grimme-Preis für die "Dreileben"-Trilogie. 2013 drehte Graf nach 18 Jahren erstmals wieder einen "Tatort": Die in München spielende Folge "Aus der Tiefe der Zeit" erzählt vom Niedergang einer wohlhabenden Familie, vor dem Hintergrund von Baukorruption und Gentrifizierung. Von der Kritik wurde der Krimi für seinen unkonventionellen und anspruchsvollen Inszenierungsstil gelobt.
Im Wettbewerb der Berlinale 2014 feierte Dominik Grafs erster Kinofilm seit acht Jahren Premiere: "Die geliebten Schwestern" erzählt von der folgenreichen Beziehung des Dichters Friedrich Schiller zu zwei mittellosen Adelsschwestern. Beim Bayerischen Filmpreis erhielt das Historiendrama den Preis für die Beste Kamera. Aufsehen erregte auch Grafs TV-Essayfilm über die Geschichte und die "Seele" des deutschen Fernsehens "Es werde Stadt", der anlässlich des 50. Jubiläums des Grimme Preises im April 2014 ausgestrahlt wurde. Im folgenden Sommer feierte dann Grafs Heimatkrimi "Die reichen Leichen. Ein Starnbergkrimi" (TV) beim Filmfest München Premiere, kurz darauf startete "Die geliebten Schwestern" regulär in den Kinos.
Ebenfalls 2014 wurde die "Polizeiruf 110"-Folge "Smoke on the Water" ausgestrahlt, mit Matthias Brandt als Münchner Kommissar Hanns von Meuffels.
Ein sehr persönliches Projekt war der Dokumentarfilm "Was heißt hier Ende?" (2015), eine Mischung aus Hommage und filmischem Nachruf auf den Filmkritiker Michael Althen (1962-2011), mit dem Graf eng befreundet war und mit dem er die Essay-Filme "Das Wispern im Berg der Dinge" (1997) und "München - Geheimnisse einer Stadt" (2000) gedreht hatte. Graf gehörte auch zur Jury des 2012 gegründeten Michael-Althen-Preises für Kritik.
Im Forum der Berlinale 2016 feierte Grafs "Verfluchte Liebe Deutscher Film" (Regie zusammen mit Johannes F. Sievert) Premiere, ein Dokumentarfilm über das deutsche Genre-Kino der 1970er und 1980er Jahre; ein Jahr später lief, ebenfalls im Forum, die Fortsetzung "Offene Wunde Deutscher Film", über obskure und randständige deutsche Genre-Filme. Dazwischen lief Grafs Krimi "Die Zielfahnder - Flucht in die Karpaten" (2016) im Fernsehen, und er inszenierte "Am Abend aller Tage", ein Drama über Kunst, Liebe, Betrug und Schuld, angelehnt an Henry James' Novelle "Die Aspern-Schriften" (1888) und stark inspiriert vom Fall des Münchener Kunstsammlers Cornelius Gurlitt (1932-2014).
Während "Am Abend aller Tage" 2017 zu diversen Festivals tourte, sorgte Grafs "Tatort"-Folge "Der rote Schatten" für heftige Diskussionen: Das Stuttgarter Ermittlerduo Lannert und Bootz wird darin mit Nachwirkungen des RAF-Terrors konfrontiert und kommt einer Verschwörung über die Todesnacht von Stammheim auf die Spur. Manche Historiker warfen Graf eine "gefährliche" Vermischung von Fakt und Fiktion vor, und teilweise sogar "RAF-Propaganda" (so Stefan Aust); von der Kritik wurde der Film jedoch weitgehend positiv besprochen.
Konsensfähiger war Grafs Dokumentarfilm "Philip Rosenthal - Der Unternehmer, der nicht an den Kapitalismus glaubte", über den Porzellanhersteller, Design-Professor und SPD-Politiker Philip Rosenthal. Der Film feierte seine Premiere bei den Hofer Filmtagen 2017, wo Graf auch den Hans-Vogt-Filmpreis erhielt, verliehen an Filmschaffende, die "innovativ und sorgfältig um den Ausdruck und die Qualität ihres Filmtones besorgt sind".
2018 lief "Am Abend aller Tage" schließlich auch im Fernsehen. Derweil ging Grafs neues Fernsehspiel auf Festivaltour: "Hanne", über eine frisch pensionierte Frau (Iris Berben), die nach einem ärztlichem Verdacht auf eine schwere Krankheit ein Wochenende in einer fremden Stadt mit fremden Menschen verbringt.
2019 drehte der unermüdliche Dominik Graf wieder einen Kinofilm: Die Erich-Kästner-Adaption "Fabian", mit Tom Schilling in der Titelrolle eines Werbetexters, der im Berlin der Zwanzigerjahre zwischen wildem Nachtleben, Affären und politischen Unruhen seine Haltung sucht. Bevor dieser Film startete, inszenierte Graf zwei hoch gelobte Fernsehkrimis: die Münchner "Polizeiruf: 110"-Folge "Die Lüge, die wir Zukunft nennen" (2019) und den ersten Teil der Jubiläums-"Tatort"-Folge "In der Familie" (2020), über eine italienische, in Mafiageschäfte verstrickte Familie (bei Teil 2 führte Pia Strietmann Regie). Im Wettbewerb der rein digitalen "Corona"-Berlinale 2021 feierte schließlich seine Kästner-Verfilmung "Fabian oder Der Gang vor die Hunde" Premiere. Für den Film wurde Graf in den Kategorien Regie und Drehbuch beim Deutschen Filmpreis 2021 nominiert. In diesen beiden Kategorien ging Graf zwar leer aus, "Fabian oder Der Gang vor die Hunde" gewann jedoch die Auszeichnung Bester Spielfilm in Silber, außerdem wurde er für die Beste Kamera (Hanno Lentz) und den Besten Schnitt (Claudia Wolscht) prämiert. Graf selbst wurde unter anderem mit dem Bayerischen Filmpreis für die Beste Regie und dem Günter-Rohrbach-Filmpreis ausgezeichnet.
Nach dem von der Kritik gelobten "Polizeiruf 110: Bis Mitternacht" (2021) mit Verena Altenberger als Münchner Oberkommissarin drehte er ebenfalls mit Altenberger in der Hauptrolle den TV-Film "Gesicht der Erinnerung", der beim Filmfest München 2022 Premiere feierte. Im Juli 2022 wurde bekannt gegeben, dass Dominik Graf für sein Gesamtwerk den Filmpreis der Stadt München erhält.
Ab 1990 teilte sich Graf mit Peter Lilienthal und Peter F. Bringmann eine Professorenstelle an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Seit 2004 ist er Professor für Spielfilmregie an der Internationalen Filmschule Köln.