Harun Farocki
Harun Farocki wurde am 9. Januar 1944 in Neutitschein (CZ) als Sohn des Inders Abdul Qudus Faroqui und seiner Frau Lili Faroqui, geb. Draugelattis, geboren. Nach mehreren Umzügen und Auslandsaufenthalten wurde er 1962 in Berlin ansässig, machte dort im Abendstudium sein Abitur und studierte Theaterwissenschaft, Soziologie und Publizistik. 1966 begann er sein Studium im ersten Jahrgang der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB), 1968 wurde er mit 18 weiteren Kommilitonen – unter ihnen auch Hartmut Bitomsky, Wolfgang Petersen und Holger Meins – aus politischen Gründen für kurze Zeit relegiert.
Bereits 1966 begann Farockis Filmarbeit, frühe Werke wie "Die Worte des Vorsitzenden" (1967) und "Nicht löschbares Feuer" (1969) sorgten für Aufsehen. Von Kritikern wurde "Nicht löschbares Feuer", als "intelligent und präzise" gelobt, Klaus Kreimeier nannte ihn den "wichtigsten Agitprop-Film der Vietnam-Bewegung", andere Stimmen lehnten den Film als "marxistisches Agitpropstück" ab. Kontinuierlich arbeitete Farocki seitdem hinter sowie vor der Kamera, seine Filme hebelten tradierte Gattungen aus, oszillierten immer wieder zwischen Experimental-, Dokumentar- und Essayfilm, in der Gegenwart und Haltung des Filmemachers bzw. der Filmemacher spürbar blieben.
Ab 1972 war Farocki Autor und ab 1974 Redakteur der Zeitschrift "Filmkritik", die 1984 ihr Erscheinen einstellen musste, weil sie, so Farocki, "finanziell daran gescheitert ist, über Film zu schreiben, ohne dem Zuschauer zu sagen, was er von dem Film halten möge". Neben Dozententätigkeiten, Hörfunkbeiträgen und kleineren Fernsehaufträgen – in den 1970er Jahren produzierte Farrocki auch Beiträge für die TV-Sendung "Sesamstraße" – arbeitete er auch am Theater: Gemeinsam mit Hanns Zischler inszenierte er 1976 in Basel Heiner Müllers "Die Schlacht" und "Traktor".
Es folgten weitere Film- und Fernsehproduktionen wie z.B. "Zwischen zwei Kriegen" (1978), "Etwas wird sichtbar" (1980-1982), "Wie man sieht" (1986), "Der Ausdruck der Hände" (1997), "Gefängnisbilder" (2000) und "Erkennen und Verfolgen" (2003), die Harun Farocki international den Ruf eines der bedeutendsten Vertreter des zeitgenössischen Dokumentarfilms einbrachten.
Seit "Pilotinnen" (1995) war er zudem in unterschiedlichen Funktionen an allen Spielfilmen von Christian Petzold beteiligt. 1993 erhielt Harun Farocki eine Gastprofessur an der University of California in Berkley, seit 2000 lehrte er an der Universität der Künste Berlin. 2003 wurde "Erkennen und verfolgen" beim Filmfestival in Locarno mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet.
2004 legte er mit "Nicht ohne Risiko", über den Versuch einer Firma, Investoren für ein neues Projekt zu gewinnen, einen weiteren Dokumentarfilm vor. In den Jahren danach produzierte Farocki unter anderem Aysun Bademsoys Dokumentarfilme "Die Hochzeitsfabrik" (2005) und "Ich gehe jetzt rein" (2008) und nahm mit der Videoarbeit "Deep Play" in Kassel an der documenta XII teil. Sein Dokumentarfilm "Zum Vergleich", über die unterschiedlichen Arbeitsweisen bei der Ziegelfabrikation in Industrie- und Entwicklungsländern, feierte im Forum der Berlinale 2009 Premiere und wurde bei der Duisburger Filmwoche 2009 mit dem ARTE-Dokumentarfilmpreis ausgezeichnet.
Harun Farocki starb am 30. Juli 2014 im Alter von 70 Jahren in der Nähe von Berlin.
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