Helmut Käutner
Helmut Käutner, geboren am 25. März 1908 in Düsseldorf, ab 1916 aufgewachsen in Essen, engagierte sich bereits während seiner Zeit am Realgymnasium in der Schultheatergruppe. Nach dem Abitur im Jahr 1926 nahm er Tanz- und Pantomimeunterricht an der Folkwang-Schule und studierte an der Kunstgewerbeschule in den Fächern Grafik, Kostümkunde, Bühnenbild und Innenarchitektur. 1928 wechselte er an der Universität München, wo er Germanistik, Philosophie, Psychologie, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaften studierte. Außerdem besuchte er das Theaterseminar Arthur Kutschers, dessen Schüler als "die Zirkusleute" auftraten, und schrieb feuilletonistische Beiträge und Kritiken.
Im Frühjahr 1930 gründete Käutner gemeinsam mit Kurt E. Heyne, Bobby Todd (bürgerlich: Hans Karl Rohrer) und Werner Kleine eine Kabarettgruppe namens "Die vier Nachrichter". Mit dem Programm "Hier irrt Goethe", das sich satirisch mit dem "Goethe-Jahr" 1932 befasste, wurde das Quartett auch außerhalb Münchens bekannt. Von 1932 bis 1935 folgten Gastspiele in Deutschland, Österreich und der Schweiz. 1932 haben die vier gemeinsam einen ersten Filmauftritt in dem Kriegsfilm "Kreuzer Emden". Nach der Machtergreifung der Nazis wurde die Gruppe, obwohl eher unpolitisch, 1935 verboten. Während Todd und Heyne emigrierten, wendete Käutner sich der Grafik und der Innenarchitektur zu, schrieb außerdem Chansons und Schlager.
Diese Phase währte allerdings nicht lange: Bereits 1936 ging Käutner als Schauspieler an die Landesbühne Luisenburg im Fichtelgebirge, wechselte dann als Darsteller und Regisseur ans Leipziger Schauspielhaus, wo er auch seine spätere Ehefrau Erika Balqué kennen lernte. Von ihm verfasste Stücke wie "Ein Auto geht in See" oder "Juchten und Lavendel" wurden in Frankfurt und Leipzig uraufgeführt. Schließlich wechselte Käutner an die Münchner Kammerspiele und betätigte sich an diversen Berliner Bühnen. Gemeinsam mit Bobby E. Lüthge verfasste er Filmdrehbücher, etwa zu Paul Verhoevens "Salonwagen 451" (1939).
1939 gab er mit "Kitty und die Weltkonferenz" sein Debüt als Filmregisseur. Allerdings wurde der Film bereits kurz nach der Premiere wegen "probritischer Tendenzen" verboten. Als Konsequenz aus diesem Vorfall drehte Käutner danach betont unpolitische Filme wie "Frau nach Maß" (1940). Dennoch konnte er sich dem Einfluss der Nazis nicht komplett entziehen: Bei "Auf Wiedersehen, Franziska!" mit Marianne Hoppe und Hans Söhnker musste er 1941 auf Anordnung des Propagandaministeriums eine kriegspropagandistische Schlusssequenz einfügen, die er jedoch durch Schwarzfilm und bewusste Achsensprünge formal vom übrigen Film absetzte. Mit dem Melodram "Romanze in Moll" (1943), dem Hans-Albers-Vehikel "Große Freiheit Nr. 7" (1944) und der Dreiecksgeschichte "Unter den Brücken" (1945), seinem Bekenntnis zum poetischen Realismus, fand Käutner auch international Anerkennung.
Obwohl bereits 1944 gedreht kam "Unter den Brücken" bis Ende des Krieges nicht mehr in die Kinos. Zwei der vier bereits hergestellten Kopien wurden nach Schweden gebracht. Heute gilt der Film als eines der großen Meisterwerke des deutschen Films. Der Filmkritiker Karsten Witte schrieb die bewusst formelle, graphische Bildkomposition des Films dem politischen Druck zu, unter dem Käutner in den letzten Kriegsjahren stand.
Nach dem Kriegsende und der Befreiung Deutschlands zog Käutner nach Hamburg, wo er sich mit anderen Berliner Filmkünstlern, die es dorthin verschlagen hatte, zusammentat, um bei der Reorganisation von Theater, Film und Rundfunk mitzuarbeiten. Er inszenierte am Hamburger Schauspielhaus Shakespeares "Der Widerspenstigen Zähmung" und fand in den folgenden Jahren in den Hamburger Kammerspielen seine Hauptwirkungsstätte. Gemeinsam mit Ernst Schnabel, seit 1946 Chefdramaturg und Leiter der Abteilung "Wort" beim NWDR, richtete er eine Hörspielabteilung ein. In Zusammenarbeit mit Schnabel entstand im Winter 1946/47 das Drehbuch zu "In jenen Tagen", Käutners erstem Nachkriegsfilm und der ersten westdeutschen Spielfilmproduktion nach dem Krieg überhaupt. In sieben Episoden erzählte der Film anhand der Geschichte eines Autos und seiner wechselnden Besitzer von den Lebensverhältnissen unter dem NS-Regime.
In Co-Autorenschaft mit seinem aus dem Exil zurückgekehrten Kollegen Bobby Todd schrieb er danach das Drehbuch zu "Der Apfel ist ab". Der Film kam 1948 in die Kinos – und geriet ebenso zu einem finanziellen Misserfolg wie der folgende Film "Königskinder" (1950). In Berlin, wo er am Hebbel-Theater mit Fritz Kortner Arthur Millers "Tod eines Handlungsreisenden" inszenierte, entstand für Artur Brauners CCC Filmproduktion das Kriminaldrama "Epilog: Das Geheimnis der Orplid" (1950) – auch diesem war jedoch kein nennenswerter Erfolg beschieden.
Erst mit der deutsch-jugoslawischen Koproduktion "Die letzte Brücke" mit Maria Schell, die die Geschichte einer im Krieg mit den Partisanen kollaborierenden Ärztin erzählt, konnte Käutner 1953 an der Kinokasse und bei der Kritik reüssieren. Der Film wurde beim Cannes Filmfestival mit dem Prix International ausgezeichnet und erhielt einen Deutschen Filmpreis in Silber für die "Beste Regie". Mit "Ludwig II – Glanz und Elend eines Königs" (1954), "Des Teufels General" (1955), "Ein Mädchen aus Flandern" (1956), "Der Hauptmann von Köpenick" (1956, mit Heinz Rühmann) und "Die Zürcher Verlobung" (1957) folgten weitere, auch internationale Erfolge. Allein "Der Hauptmann von Köpenick" wurde mit sechs Bundesfilmpreisen geehrt, in 53 Länder verkauft und gilt als erster deutscher Nachkriegserfolg in den USA.
Dieser Triumphzug blieb nicht ohne Folgen für seine Karriere: 1956 reiste Käutner zum ersten Mal in die USA und handelte mit den Universal Studios in Hollywood einen Sieben-Jahres-Vertrag aus, der ihm die Inszenierung eines Films pro Jahr unter optimalen Bedingungen garantierte – doch seine beiden 1957 und 1958 in den USA entstandenen Filme "The Restless Years" und "Stranger In My Arms" nannte er später "unglückliche Zwitter".
1957 gründete er gemeinsam mit Wolfgang Staudte und Harald Braun in Hamburg die Freie Film Produktion GmbH, die eng mit der Real-Film und dem Europa-Filmverleih zusammenarbeitete. Jeder Gesellschafter sollte pro Jahr einen künstlerisch hochwertigen Film drehen können – jedoch wurden lediglich Käutners "Hamlet"-Adaption "Der Rest ist Schweigen" (1959, mit Hardy Krüger) und Staudtes Nachkriegsdrama "Kirmes" (1960) tatsächlich realisiert.
Mit Beginn der 1960er Jahre ging Käutners Kinokarriere allmählich zu Ende. Weder konnte er sich mit dem "Neuen deutschen Film" identifizieren, noch wollte er ins belanglose Kommerzkino abdriften. Die Alfred-Andersch-Verfilmung "Die Rote" (1962), wurde, obgleich atmosphärisch dicht in der Kameraarbeit, ein Flop. Die Ludwig-Thoma-Verfilmung "Lausbubengeschichten", produziert von Franz Seitz, wurde 1964 Käutners letzte Kinoregie.
In den folgenden 13 Jahren arbeitete er als Autor, Schauspieler und Regisseur fürs Fernsehen. Er spielte in TV-Produktionen wie der Wilkie-Collins-Verfilmung "Die Frau in Weiß" (1971) und inszenierte Fernsehspiele (unter anderen nach Vorlagen von Goethe, Guy de Maupassant und Jean Anouilh) sowie einzelne Folgen von Serien wie "Der Kommissar" und "Derrick". 1973 erhielt er das Filmband in Gold für sein "langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film"; 1974 folgte das Große Bundesverdienstkreuz. Im gleichen Jahr gelang ihm eine darstellerische, mit einem Deutschen Filmpreis ausgezeichnete Glanzleistung in der Titelrolle von Hans Jürgen Syberbergs "Karl May".
1977 zog Käutner sich aus dem Berufsleben zurück und ließ sich in der Toskana nieder. Im Jahr darauf ernannte ihn der Berliner Senat zum Professor honoris causa.
Am 20. April 1980 starb Helmut Käutner in seinem Haus bei Castellina/Chianti, Italien.
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