Erich Kettelhut
Erich Kettelhut wurde am 1. November 1893 als Sohn des Schneiders Ernst Ferdinand und seiner Frau Anna (geb. Pohl) in Berlin geboren. Nach Abschluss der Gemeindeschule ging er auf das Sophien-Gymnasium im Stadtteil Mitte, wo er sich insbesondere für Malen und Zeichnen interessierte. Als der Vater starb und die Familie in Finanznot geriet, verließ er die Schule jedoch ohne Abschluss.
Kettelhut entschloss sich, eine Lehre in der Werkstatt einer Berliner Theatermalerei zu beginnen, während der er die Handwerkerschule besuchte. 1909 erhielt er seinen ersten Auftrag als Theatermaler und gestaltete gemeinsam mit Otto Hunte das Dekor des Stadttheaters Aachen. Im Anschluss besuchte er von 1910 bis 1912 die Berliner Kunstgewerbeschule, wo er Kultur- und Kunstgeschichte studierte sowie eine Ausbildung in Kostümkunde erhielt. Praktische Erfahrungen sammelte er im Rahmen einer dreijährigen Lehrzeit an kleineren Theatern der deutschen Provinz. Kurzzeitig arbeitete Kettelhut außerdem als Leiter der Abteilung Theatermalerei bei einer Firma im thüringischen Mühlhausen.
Seiner Karriere als Theatermaler und -dekorateur wurde durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges ein abruptes Ende bereitet. Er wurde zum 95. Garde-Infanterie-Regiment einberufen und an der Front in Ypern und Langemarck eingesetzt. Nach dem Ende des Kriegs kam Kettelhut dann – vermittelt durch seine alten Kollegen Hunte und Karl Vollbrecht – zur Firma des Berliner Bildhauers und Ausstatters Martin Jacoby-Boy, die Aufträge aus der Filmbranche annahm.
Im April 1919 wurde Kettelhut schließlich als Hilfsarchitekt für Joe Mays Produktionsgesellschaft engagiert und war so an Mays monumentalem Achtteiler "Die Herrin der Welt" beteiligt – sein erster Job beim Film. Zusammen mit Hunte und Vollbrecht schuf er auf dem Außengelände der May-Film in Woltersdorf bei Berlin ganze Filmstädte aus dem Nichts. Kurze Zeit darauf machte er die Bekanntschaft mit Fritz Lang, der ebenfalls schon an "Die Herrin der Welt" als Drehbuchautor beteiligt gewesen war. Zur ersten Zusammenarbeit, der bald weitere folgen sollten, kam es beim von May produzierten Film "Das wandernde Bild" (1920), für den Kettelhut die Modellbauten beisteuerte.
Auch in den nächsten May/Lang-Kollaborationen, den beiden Teilen des aufwändigen Kostümfilms "Das indische Grabmal" (1921) arbeiteten Kettelhut, Hunte und Vollbrecht sowie Jacoby-Boy gemeinsam an der dekorativen Ausgestaltung. Nachdem Kettelhut von Erich Pommer 1920 für die Decla-Bioskop, 1921 dann für den Mutterkonzern Ufa engagiert worden war, folgte erneut ein Engagement für einen Fritz-Lang-Film. Mit den Kollegen Vollbrecht und Hunte fungierte Kettelhut als ausführender Architekt für den Zweiteiler "Dr. Mabuse, der Spieler" (1922). Wenig später schuf das Trio unter Leitung Huntes die Bauten für Langs mythisches und erneut zweiteiliges Epos "Die Nibelungen" (1924). Sie bauten Wald, Paläste und den Rhein auf dem Neubabelsberger Gelände nach. Während der Dreharbeiten lernte Kettelhut die Kostümzeichnerin Änne Willkomm kennen, die beiden heirateten.
Weiterhin zeichnete Kettelhut für die Bau-Ausführung des May-Mehrteilers "Tragödie der Liebe" (1923) mitverantwortlich, bevor er gemeinsam mit Hunte und Vollbrecht schließlich seine wohl berühmteste Arbeit ablieferte, die Gestaltung der futuristisch-phantastischen Großstadtkulissen von Langs Stummfilmutopie "Metropolis" (1926). Dies sollte jedoch seine vorerst letzte Zusammenarbeit mit dem Ufa-Regisseur werden, der sich aufgrund des den Rahmen sprengenden Films mit der Produktionsfirma überwarf. Kettelhut konstruierte danach die filmtechnischen Bauten für Walther Ruttmanns avantgardistisches Stadtporträt "Berlin, die Sinfonie der Grosstadt" (1927) und unterschrieb wenig später einen Vertrag bei der Paramount, für die Erich Pommer einen Film in den USA produzieren sollte. Als die Produktion abgebrochen wurde, löste Kettelhut den Vertrag, blieb in Deutschland und übernahm die komplexen, an Kamerafahrten angepassten Bauten in "Asphalt" (1929) unter Regie von Joe May, produziert erneut von Pommer und der Ufa.
In den folgenden Jahren wurde der Filmarchitekt immer wieder von Pommer engagiert. Insbesondere im Vergleich mit Langs monumentalen Spielfilmen handelte es sich bei vielen dieser Produktionen jedoch um eher seichte Werke der melodramatischen Art, wie beispielsweise den ersten Ufa-Tonspielfilm "Melodie des Herzens" (1929) und diverse Operetten mit Lilian Harvey. Dabei war er auch an mehreren von Robert Siodmaks letzten deutschen Filmen wie "Quick" (1932) beteiligt. Aus Kettelhuts eher unauffälliger Schaffensphase während der späten Jahre der Weimarer Republik ragt ein Werk heraus: der Science-Fiction-Film "F.P. 1 antwortet nicht" (1932) mit Hans Albers und Sybille Schmitz, basierend auf Kurt Siodmaks gleichnamigem Roman. Nach Plänen des Ingenieurs Albert Henninger gestaltete er eine gesamte Insel – die Greifswalder Oie – zur titelgebenden stählernen "Flugzeug-Plattform 1" um, die im Film als 500 Meter langer ozeanischer Stützpunkt des Luftverkehrs dient.
Nachdem die Nationalsozialisten 1933 an die Macht gewählt wurden und im Anschluss viele Kollegen aus der Filmbranche – nicht zuletzt Fritz Lang – Deutschland verließen, entschied sich Erich Kettelhut zu bleiben und konzentrierte sich in seiner Arbeit auf die Dekors und Bauten für Revuen, Lustspiele und Musik-Komödien, die beim Publikum beliebt waren. Insbesondere Filme von Georg Jacoby wurden von ihm ausgestattet, darunter auch "Frauen sind doch bessere Diplomaten" (1941), der erste Ufa-Farbfilm, in dem er sein Talent in Agfacolor beweisen musste. Als einer der zentralen Filmarchitekten der Ufa fungierte er zudem zeitweise als Lehrbeauftragter der Deutschen Filmakademie in Babelsberg. Von 1933 bis 1945 arbeitete Kettelhut an gut drei Dutzend Filmen, dann legte er mit dem Ende des Kriegs eine mehrjährige Pause ein.
In den 1950er-Jahren zeichnete er schließlich erneut für die Bauten in Jacoby-Filmen wie "Die Csardasfürstin" (1951) oder "Drei Mädels vom Rhein" (1955) verantwortlich, und wurde weiterhin für die Gestaltung leichter Stoffe unter wechselnder Regie an unterschiedlichen Standorten in Deutschland engagiert. Im Laufe des Jahrzehnts mischten sich auch wieder ernsthaftere Filme in das Portfolio des Szenenbildners, so zum Beispiel der von Erich Pommer produzierte "Kinder, Mütter und ein General" (1955). Außerdem stattete er die U-Boot-Filme "Haie und kleine Fische" (1957) und "U47 – Kapitänleutnant Prien" (1958) stilgerecht aus.
1960 arbeitete er bei "Die 1000 Augen des Dr. Mabuse" ein letztes Mal mit Fritz Lang zusammen. Danach endeten beider Karrieren beim Film. Während der Regisseur nunmehr noch gelegentlich vor der Kamera mitwirkte, war der Filmarchitekt bis zu Beginn der 1970er Jahre bei der Produktion von Fernsehspielen des NDR involviert. 1968 wurde Erich Kettelhut mit dem Deutschen Filmpreis / Filmband in Gold für "langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film" ausgezeichnet.
Am 13. März 1979 starb Erich Kettelhut im Alter von 86 Jahren in Hamburg. Er wurde auf dem Hauptfriedhof Ohlsdorf beigesetzt.