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Alle Fotos (8)Biografie
Wolfgang Georg Louis Liebeneiner, geboren am 6. Oktober 1905 in Liebau im damaligen Niederschlesien (heute: Lubawka, Polen), studierte ab 1924 Philosophie, Germanistik und Geschichte in Innsbruck, Berlin und (ab 1926) München. Durch seine Mitgliedschaft und spätere Leitung der Akademischen Spielschar München wurde 1928 Otto Falckenberg auf ihn aufmerksam, damals Direktor der Münchner Kammerspiele. Er engagierte Liebeneiner in sein Ensemble, wo dieser noch im gleichen Jahr in einer Inszenierung von Wedekinds "Frühlingserwachen" in der Hauptrolle des Melchior Gabor debütierte. Angesichts dieses Erfolgs brach Liebeneiner sein Studium ab, um sich ganz auf die Schauspielerei zu konzentrieren. 1930 trat er erstmals am Deutschen Theater Berlin auf, dessen Ensemble er von 1932 bis 1934 angehörte.
Sein Debüt als Filmschauspieler gab Liebeneiner 1931 als romantischer englischer Leutnant in "Die andere Seite". Zwei Jahre später verkörperte er in Max Ophüls' melancholischer Schnitzler-Verfilmung "Liebelei" (1933) einen österreichischen Offizier, dem die überkommenen Ehrvorstellungen seiner Zeit zum Verhängnis werden. In den nächsten drei Jahren wirkte Liebeneiner in rund 20 Spielfilmen mit, wobei er meist als galanter, gerne aus dem künstlerisch-intellektuellen Milieu stammender Liebhaber besetzt wurde.
Ab 1936 ging es mit Liebeneiners Karriere rasant voran. Gustaf Gründgens engagierte ihn ans Staatstheater, wo er bis zur Schließung 1944 als Regisseur und Schauspieler tätig war. 1937 gab er mit der Komödie "Versprich mir nichts!" sein Debüt als Filmregisseur und wurde kurz darauf in den Aufsichtsrat der Produktionsfirma Terra berufen. Von 1938 bis 1944 war er Leiter der künstlerischen Fakultät der Filmakademie Babelsberg, 1939 wurde er ehrenamtlicher Leiter der Fachschaft Film in der Reichsfilmkammer. 1942 wurde er Mitglied des Präsidialrats der Reichstheaterkammer. Von 1942 bis 1945 fungierte er als Produktionschef der Ufa.
Aber auch als Regisseur blieb Wolfgang Liebeneiner aktiv. Seine Filme zeichneten sich durch eine Besetzung mit prominenten Schauspielern des Staatstheaters und durch ein hohes handwerkliches Niveau aus. Auf formaler Ebene ließ sich ein gewisses Bemühen um ungewöhnliche filmische Ausdrucksmittel erkennen, wie etwa der Einsatz der subjektiven Kamera in "Der Florentiner Hut" (1939). Wenngleich Liebeneiners Filme dieser Jahre mehrheitlich als unpolitische Unterhaltungsware gelten, entsprachen sie in ihrer Propagierung von "Tugenden" wie Verzicht und Gehorsam doch ganz dem Geist der Nazis.
Drei seiner Filme aus der Nazizeit stechen indes durch ihren politischen Gehalt hervor: Die historischen Dramen "Bismarck"(1940) und "Die Entlassung" (1942) stellen den "Eisernen Kanzler" Otto von Bismarck als Vorläufer Adolf Hitlers dar und verbrämen Hitlers Politik als Erfüllung von Bismarcks Zielen. Das berühmt-berüchtigte Drama "Ich klage an" (1941) behandelte vordergründig einen Fall von Tötung auf Verlangen: Ein Arzt verhilft seiner schwerkranken Frau zum Tod. Parallel dazu erzählt der Film aber auch von einem geistig behinderten Kind, dessen Zustand den kritischen Freund des Arztes von der Sinnlosigkeit einer Erhaltung allen menschlichen Lebens überzeugt. Der propagandistische Trick lag in der Umkehrung dieser beiden Handlungen: Der Fall von Tötung auf Verlangen diente zur Rechtfertigung der Euthanasie und nicht umgekehrt. Historikern gilt "Ich klage an" als ebenso gezielte wie perfide Rechtfertigung der Nazis für ihre systematische Ermordung behinderter Menschen.
1944 heiratete Liebeneiner in zweiter Ehe die Schauspielerin Hilde Krahl, die zwischen 1941 ("Das andere Ich") und 1952 ("1. April 2000") in fast all seinen Filmen die Hauptrolle spielte. Ebenfalls 1944 begann Liebeneiner mit den Dreharbeiten zu dem von Joseph Goebbels besonders geförderten Propagandafilm "Das Leben geht weiter", der den Überlebenswillen einer deutschen Familie im zerbombten Berlin demonstrieren sollte. Der Film wurde jedoch nicht vollendet, das Material gilt bis heute als verschollen.
Nach Kriegsende erhielt Liebeneiner bereits im Herbst 1945 vom Kulturausschuss eine Arbeitserlaubnis, die 1947 von einer Entnazifizierungs-Kommission bestätigt wurde. Er arbeitete bis 1954 an den Kammerspielen, wo er 1947 Wolfgang Borcherts "Draußen vor der Tür" inszenierte. Mit der Leinwandadaption des Stücks unter dem Titel "Liebe 47" kehrte Liebeneiner 1948/49 auch zur Filmregie zurück. Hauptdarstellerin Hilde Krahl wurde für ihre Verkörperung einer lebensmüden Kriegswitwe beim Locarno Filmfestival ausgezeichnet.
Das Kriminal- und Beziehungsdrama "Der Weibsteufel" (AT 1951) sowie der satirische Science-Fiction-Film "1. April 2000" (AT 1952) liefen im Wettbewerb des Cannes Filmfestivals. Liebeneiner selbst bezeichnete seine ersten Nachkriegsfilme als "avantgardistische Versuche". Nach einigen kommerziellen Flops (zuletzt 1953 mit "Das tanzende Herz") wendete er sich dem reinen "Publikumsfilm" zu. Besonders erfolgreich war in dieser Schaffensphase seine Zusammenarbeit mit Ruth Leuwerik, mit der er zwischen 1956 und 1958 sechs Filme drehte, darunter die überaus erfolgreiche musikalische Biografie "Die Trapp-Familie" (1956), das Preußen-Melodram "Königin Luise" (1957) und das Kriegsgefangenendrama "Taiga" (1958).
Im Theaterbereich gehörte Liebeneiner von 1954 bis 1958 zum Ensemble des Wiener Theaters in der Josefstadt; danach war er neben der Filmregie als freier Theaterregisseur tätig. 1962 inszenierte er an der Wiener Volksoper mit Sullivans "Der Mikado" erstmals eine Operette. In den nächsten Jahren folgten Inszenierungen von Opern und Operette unter anderem in Wien, Zürich und Düsseldorf sowie Theaterinszenierungen an den Hamburger Kammerspielen.
Ab 1963 arbeitete Liebeneiner fast ausschließlich fürs Fernsehen. Er adaptierte Theaterstücke, Opern und Operetten, dreht erfolgreiche Fernsehspiele und Mehrteiler wie "Die Schatzinsel" (1966), "Tom Sawyers und Huckleberry Finns Abenteuer" (DE/FR 1968) und "Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk" (AT/DE 1972-76).
Seine letzten Kinofilme waren das Medizinerdrama "Das chinesische Wunder" (1976) mit Senta Berger und Heinz Rühmann und der aufwändige Historienfilm "Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand" (1978), eine Verfilmung des Schauspiels von Goethe über den historischen Ritter von Berlichingen. Bis Mitte der 1980er Jahre inszenierte Liebeneiner noch einige Fernsehspiele, darunter die Komödie "Der Mustergatte" (1983) mit Harald Juhnke und Gritt Boettcher, ein Remake seines eigenen Films von 1937, in dem Heinz Rühmann die Hauptrolle gespielt hatte.
Am 28. November 1987 starb Wolfgang Liebeneiner in Wien.