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Richard Angst wurde am 23. Juli 1905 in Zürich, Schweiz, als Sohn eines Schweizer Vaters und einer deutschen Mutter geboren. Er wuchs in Pforzheim auf, dem Herkunftsort seiner Mutter. Nach dem Schulabschluss besuchte er eine Handelsschule, doch sein Berufsweg entwickelte sich anders: 1923 lernte der naturverbundene Skifahrer und Bergsteiger den Kameramann Sepp Allgeier kennen, der zur Freiburger Schule gehörte, einer Gruppe von Kameramännern, die durch experimentelle Techniken besonders in Ski- und Bergfilmen stilbildend waren. Der 18-jährige Angst wurde Allgeiers Assistent und lernte durch ihn Arnold Fanck kennen, der wie Allgeier zur Freiburger Schule gehörte und als Erfinder des Bergfilms gilt. Bei Fancks Firma, der Berg- und Sportfilm GmbH in Freiburg, eignete Angst sich weiteres Wissen über Kameratechnik und die Arbeit im Filmlabor an. Er wurde auch lizenzierter Filmvorführer.
1926 nahm Angst an einer Filmexpedition Bernhard Villingers nach Spitzbergen teil. Auf dieser Expedition entstand "Milak, der Grönlandjäger", ein Dokumentarfilm mit Spielhandlung, bei dem Angst neben Allgeier und Albert Benitz erstmals als Kameramann verantwortlich zeichnete. Sehr schnell stiegen er selbst und sein Lehrer Allgeier neben Hans Schneeberger zu Arnold Fancks Chefkameraleuten auf, oftmals im Team arbeitend. Zu ihren Credits gehören Bergfilm-Klassiker wie "Der große Sprung" (1927), "Die weiße Hölle vom Piz Palü" (1929), "Stürme über dem Montblanc" (1930) und "Der weiße Rausch. Neue Wunder des Schneeschuhs" (1931).
Richard Angsts Talente als Kameramann und Bergsteiger waren aber auch bei anderen Regisseuren gefragt. Unter anderem gehörte er zum Team von Mario Bonnards "Die heiligen drei Brunnen" (1930) und war bei Max Obals "Abenteuer im Engadin" (1932) zusammen mit Hans Schneeberger für die Außenaufnahmen zuständig.
1932 unternahm er zusammen mit Fanck eine Reise nach Grönland, wo er an der deutschen und der amerikanischen Version des Abenteuerfilms "SOS Eisberg" (1933) mit Leni Riefenstahl mitwirkte. Wie der Filmkurier damals von den Dreharbeiten berichtete, rettete Angst bei einem Unfall seinen Kollegen Hans Schneeberger vor dem Ertrinken. Während derselben Reise entstand auch Andrew Martons Komödie "Nordpol - Ahoi!" (DE/US 1933), nach einer Idee von Fanck. "Der ewige Traum" (1934), der parallel als deutsche und französische Version ("Rêve éternel") entstand, war der letzte gemeinsame Bergfilm von Fanck und Angst.
In den folgenden Jahren führte sein Beruf als Kameramann Richard Angst an verschiedene Orte in Asien: 1934/35 begleitete er den Geologen und Bergsteiger Günther Oskar Dyhrenfurth in den Himalaya, wo das Material für den Film "Der Dämon des Himalaya" (CH/DE 1935) entstand. 1936 ging er mit dem Forschungsreisenden und Ornithologen Victor von Plessen auf eine Expedition nach Borneo, woraus der Dokumentarfilm "Die Kopfjäger von Borneo" (NL/DE 1936) hervorging.
Im selben Jahr reisten Angst und Fanck im Rahmen deutsch-japanischer Kulturbeziehungen nach Japan, wo sie den Spielfilm "Die Tochter des Samurai" (DE/JP 1936) realisierten, eine von Problemen und Konflikten überschattete, dennoch viel beachtete Prestigeproduktion (von der die Japaner am Ende eine eigene Fassung erstellten). Auf ihren Reisen durch Japan und die Mandschurei produzierte das eingespielte Duo zudem dokumentarisches Material, das in den 1940er Jahren von der Kulturfilmabteilung der UFA als Kurzfilmreihe veröffentlicht wurde, so etwa 1941 "Japans heiliger Vulkan" und 1944 "Bilder von Japans Küsten".
Durch den jungen Filmschaffenden Wolfgang Loë-Bagier, Adoptivsohn des Tonfilm-Pioniers Guido Bagier, wurde 1937 der japanische Filmproduzent Takeo Ogasawara während eines Berlin-Aufenthalts auf Angst aufmerksam. Ogasawara plante eine weltmarktfähige Großproduktion und engagierte die beiden Deutschen als Berater; Angst holte zudem den Schweizer Autor und Regisseur Richard Schweizer ins Boot, mit dem er gerade den Bergfilm "Kleine Scheidegg" (CH 1937) drehte. Doch das Projekt zerschlug sich.
Als Ersatz schlug Angst Ogasawara eine Geschichte über zwei japanische Skispringer vor, die sich unter deutscher Anleitung auf die Olympiade 1940 vorbereiten, Titel: "Das heilige Ziel". Ogasawara war begeistert, Angst erhielt einen Dreijahresvertrag, als Autor wurde Schweizer verpflichtet, als Regisseur und Co-Autor Loë-Bagier; die Rolle des deutschen Trainers übernahm der Skiläufer Sepp Rist, der in Japan durch seine Mitwirkung in mehreren Fanck-Filmen bekannt war. Nach der Ankunft in Tokio (Juni 1937) erwies Rist sich jedoch als haltloser Trinker und Unruhestifter; derweil war Loë-Bagier den deutschen Statthaltern wegen seiner jüdischen Abstammung ein Dorn im Auge. Die genaueren Umstände sind unklar, doch in den Credits von "Das heilige Ziel" wurde schließlich der Japaner Hiromasa Nomura (als Kosho Nomura) als Regisseur genannt; Loë-Bagier tauchte nur noch als Mitautor auf (ob der Film je in den Kinos startete, ist ebenfalls unklar).
Arnold Fanck reagierte auf Angsts Vorstöße in Japan eifersüchtig, da er eine Art "Monopolrecht" auf deutsch-japanische Produktionen beanspruchte, wie Angst in seinen Memoiren schrieb. So warf er seinem langjährigen Mitarbeiter vor, "unberechtigter Weise den Samen, den er in Japan gesät habe, ernten zu wollen". Angst selbst hingegen bezeichnete Japan als Chance, der "geschwängerten Naziluft" in Deutschland zu entkommen und zugleich seinen "Wunsch nach Abenteuern" zu stillen.
So blieb er auch nach dem Drehende von "Das heilige Ziel" (1938) in Japan und bezog mit seiner Frau Ilse ein Haus in einem Tokioter Vorort. Im Auftrag des japanischen Marineministeriums drehte er einen (verlorenen) Film über den Kampf gegen die chinesische Guerilla am Wanpoo-Fluss. Seine nächste Spielfilmidee mit dem Titel "Samurai im Stahlhelm" kam allerdings nicht zustande.
1939 kehrte Angst nach Berlin zurück, wo er vor allem für die Tobis und die Terra Film arbeitete. Er war Kameramann bei Leopold Hainischs Mozart-Filmbiografie "Eine kleine Nachtmusik" (1939) und Paul Verhoevens Künstler-Melodram "Der große Schatten" (1942). Das antibritische Drama "Mein Leben für Irland" (1941) blieb seine einzige Mitwirkung an einem expliziten Nazi-Propagandafilm.
Mit dem Regisseur Hans Steinhoff drehte er den Heimatfilm "Die Geierwally" (1940), die Filmbiografie "Rembrandt" (1942), die für Angsts innovativen Einsatz von Licht und Schatten gerühmt wurde, das Selbstfindungs-Melodram "Gabriele Dambrone" (1943) und den melodramatischen Liebesfilm "Melusine" (1944). Letzterer wurde nach der Fertigstellung jedoch von der NS-Zensur verboten und nicht gezeigt, mutmaßlich wegen seiner Thematisierung von Liebesproblemen (70 Jahre später, im März 2014, fand die Uraufführung in Berlin statt).
Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges verließ Angst das ausgebombte Berlin und zog ins österreichische Ötztal. Dort drehte er mit Leopold Hainisch mehrere Tiroler Heimatfilme, etwa "Ulli und Marei" (1945) und "Erde" (AT/CH 1947). Zusammen mit seiner Frau und seinen fünf Kindern ließ er sich schließlich im Tessin (Schweiz) nieder. Der Amerikaner Irving Allen engagierte ihn bei dem Film "High Conquest" (1947) für die Außenaufnahmen am Matterhorn. Später verwendete der Regisseur das Filmmaterial auch für den Kurzfilm "Climbing the Matterhorn", der 1948 mit dem Oscar als "Bester Kurzfilm" ausgezeichnet wurde.
1950 drehte Angst seinen ersten deutschen Nachkriegsfilm: "Föhn", ein Remake von Fancks "Die weiße Hölle vom Piz Palü", diesmal mit Hans Albers in der Hauptrolle. Außerdem fotografierte er vier der bedeutenden Nachkriegsfilme von Harald Braun: "Der fallende Stern" (1950), "Herz der Welt" (1952), "Vater braucht eine Frau" (1952) und "Der letzte Mann" (1955).
Angst, inzwischen als der große alte Mann der deutschen Kinematographie bekannt und wegen seines impulsiven und oft unhöflichen Verhaltens auch bei Regisseuren und Assistenten gefürchtet, wurde von Artur Brauner für die Prestigeproduktionen "Der Tiger von Eschnapur" (DE/FR/IT 1959) und "Das indische Grabmal" (DE/FR/IT 1959) unter der Regie von Fritz Lang engagiert. Bei Wilhelm Dieterles Zweiteiler "Herrin der Welt" (DE/FR/IT 1960) übernahm er gegen Ende auch die Regie (ohne Nennung). Insgesamt arbeitete Angst bis Ende der 1960er Jahre 25 Mal für Brauners CCC Film.
Eine bedeutende Zusammenarbeit verband ihn nicht zuletzt mit dem Regisseur Kurt Hoffmann, mit dem er zwölf Filme drehte, darunter einige seiner bekanntesten Klassiker: "Hokuspokus" (1953), "Drei Männer im Schnee" (1955), "Das Wirtshaus im Spessart" (1958), "Wir Wunderkinder" (1958), "Schloss Gripsholm" (1963) und, als letzte Zusammenarbeit, "Rheinsberg" (1967).
In den 1960er Jahren war Angst zudem bei mehreren Edgar-Wallace-Krimis von Franz Josef Gottlieb für die Bildgestaltung verantwortlich, so etwa bei "Der schwarze Abt" (1963) und "Das Phantom von Soho" (1964). Weitere wichtige Arbeiten waren "Der brave Soldat Schwejk" (1960) und Werner Jacobs' Adaption von "Heidi" (AT 1965) – wenn man so will eine Art Rückkehr zum Bergfilm.
Angsts letzte Filme waren Robert Siodmaks epischer Zweiteiler "Kampf um Rom" (DE/IT 1968), das Kostümdrama "Das ausschweifende Leben des Marquis de Sade" (US/DE 1969) und die Komödie "Hochzeitsreise" (DE/IT 1969), einer der frühesten Erfolge von Dieter Hallervorden (allesamt CCC-Produktionen). Mit dem Ende der 1960er Jahre zog Angst sich vom Filmgeschäft zurück, da er dieses als im Niedergang befindlich betrachtete.
1971 wurde Richard Angst beim Deutschen Filmpreis für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Im gleichen Jahr eröffnete er das Restaurant "Provinz" in Berlin-Moabit, wo er häufig an der Bar und in der Küche arbeitete. Daneben drehte er gelegentlich Werbefilme.
Mit Unterstützung des Journalisten Hans Bogelt schrieb Richard Angst unter dem Titel "47 Jahre objektiv gesehen" seine Memoiren. Das Manuskript umfasste 700 Seiten, blieb jedoch unveröffentlicht. Anfang der 1980er Jahre engagierte ihn Jörg Moser-Metius als künstlerischen Berater für seinen Kurzfilm "Umbra", der vom Stil des deutschen Stummfilms beeinflusst war. Im Anschluss realisiert Moser-Metius eine TV-Dokumentation über Angst. Als Dozent der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) in München gab Angst sein Wissen an die Studierenden weiter.
Am 24. Juli 1984, einen Tag nach seinem 79 Geburtstag, starb Richard Angst in einem Berliner Krankenhaus an Herzversagen. Sein Nachlass, einschließlich des umfangreichen Memoiren-Manuskripts, wird von der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen verwaltet.