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Alle Fotos (14)Biografie
Harry Baer (bürgerlich: Harry Zöttl) wurde am 27. September 1947 in Biberach an der Riss geboren. Durch seinen Schulfreund Rudolf Waldemar Brem lernte er gegen Ende der 1960er Jahre Rainer Werner Fassbinder kennen. Baer schloss sich dessen "Antiteater"-Gruppe an und gehörte bald zu Fassbinders engem Mitarbeiter- und Freundeskreis. Gemeinsam schrieben die beiden 1969 das Stück "Werwolf". In Fassbinders "Katzelmacher" (1969) spielte Baer seine erste Filmrolle und wirkte in den folgenden Jahren in fast allen seinen Filmen mit; daneben fungierte er häufig auch als Fassbinders Regie-Assistent. Zentrale Rollen hatte er als Ex-Sträfling in "Götter der Pest" (1969), als Soldat in "Pioniere in Ingolstadt" (1971, TV) und als geisteskranker Sohn in "Whity" (1971); in Fassbinders umstrittenem Drama "Wildwechsel" (1972), nach dem Bühnenstück von Franz Xaver Kroetz, spielte Baer einen 19-jährigen Arbeiter, der eine Liebesbeziehung mit einer 14-Jährigen (Eva Mattes) aus kleinbürgerlichen Verhältnissen beginnt. Für "Whity" und "Wildwechsel" wurde er für den Deutschen Filmpreis nominiert.
Gelegentlich arbeitete Baer auch mit anderen Regisseuren, so spielte er für Hans-Jürgen Syberberg die Titelrolle in "Ludwig - Requiem für einen jungfräulichen König" (1972) und übernahm eine Hauptrolle in Uwe Brandners TV-Drama "Im Zeichen der Kälte" (1973). Mitte der siebziger Jahre kam es zu einem zeitweisen Bruch mit Fassbinder. In dieser Zeit drehte Baer unter anderem Filme mit Uli Lommel ("Adolf und Marlene", 1976), Hellmuth Costard ("Der kleine Godard", 1976) und Hans Jürgen Syberberg ("Hitler - Ein Film aus Deutschland", 1977), meist in kleineren Rollen. In dem italienisch-deutschen Gangsterfilm "Zwei Supertypen räumen auf" (1977) hatte er eine Hauptrolle als Geldeintreiber, der einen Mafiaboss (Jack Palance) reinlegen will.
Schließlich fand Baer wieder mit Fassbinder zusammen: Bei "Eine Reise ins Licht – Despair" (1978) war er Regie-Assistent und bei "Die Ehe der Maria Braun" (1978) übernahm er die Produktionsleitung. In Fassbinders schwarzer Komödie "Die dritte Generation" (1979) spielte er eine Hauptrolle als RAF-Terrorist. Auch an allen weiteren Filmen des Regisseurs war Baer beteiligt, sei es in kleinen Schauspielauftritten, als Regie-Assistent oder als "Künstlerischer Mitarbeiter" bei Fassbinders letztem Film "Querelle - Ein Pakt mit dem Teufel" (1982). Baer zählte auch zu den engsten Freunden des Regisseurs; in der Nacht von Fassbinders Tod (10. Juni 1982) war er der Letzte, der mit ihm sprach. Im Jahr 1990 veröffentliche Baer die Biografie "Schlafen kann ich, wenn ich tot bin. Das atemlose Leben des Rainer Werner Fassbinder". 1992 war er Mitinitiator einer großen Fassbinder-Werkschau in Berlin.
Nach der Fassbinder-Ära wirkte Harry Baer in einer Vielzahl an Kinofilmen mit, meist in Nebenrollen. Dabei arbeitete er mit einer Vielzahl renommierter Regisseure, so etwa mit Peter Keglevic ("Bella Donna - Kann denn Liebe Sünde sein?", 1983), Doris Dörrie ("Im Innern des Wals", 1985), Thomas Brasch ("Der Passagier – Welcome to Germany", DE/GB/CH 1988), Robert van Ackeren ("Die Venusfalle", 1988; "Die wahre Geschichte von Männern und Frauen", 1992), Bernhard Sinkel ("Der Kinoerzähler", 1993) und Fred Kelemen ("Frost", 1997). Bei Winfried Bonengels vielbeachtetem Neonazi-Drama "Führer Ex" (2002) hatte Baer die künstlerische Oberleitung und spielte eine tragende Rolle als inhaftierter Neonazi-Anführer. 2005 wurde er in seiner Heimatstadt mit dem Ehrenpreis der Biberacher Filmfestspiele ausgezeichnet.
Auch in den nächsten Jahren sah man Baer in einer Reihe von Fernseh- und Kinoproduktionen. Er hatte Seriengastrollen unter anderem in "Unser Charly", "Notruf Hafenkante" und "Spreewaldkrimi" sowie eine Nebenrolle in dem Fernsehspiel "Die Jäger des Ostsee-Schatzes" (2007). Im Kino gehörte er zu den Ensembles so unterschiedlicher Filme wie "Max und Moritz Reloaded" (2005), "Montag kommen die Fenster" (2006), "Berlin am Meer" (2008) und "Zwischen heute und morgen" (2009). Kleinere Nebenrollen spielte er auch in der Bestseller-Verfilmung "Feuchtgebiete" (2013) und in der Erfolgskomödie "Coming In" (2014). Eine Hauptrolle hatte er als titelgebender Hauptkommissar in dem Göttingen-Krimi "Harder und die Göre" (2013), der allerdings keinen regulären Kinostart bekam. Zuletzt sah man Baer in dem TV-Krimi "Schwarzach 23 und die Jagd nach dem Mordsfinger" (2016) und in der mexikanischen Produktion "Bruma" (2017)
Im Jahr 2020 veröffentlichte Baer seine Autobiografie unter dem Titel "Das musste ausgerechnet mir passieren - Mein Leben mit und ohne Fassbinder".
Neben seiner Arbeit als Schauspieler war Harry Baer zehn Jahre lang stellvertretender Chefredakteur des Internetportals regie.de.