Inhalt
Nach einer gescheiterten Republikflucht landen die beiden 18-jährigen Freunde Heiko und Tommy im härtesten Knast der DDR. Hier sucht Tommy Halt und Schutz in der rechtsradikalen Szene; Heiko hingegen versucht, sich alleine durchzuschlagen. Dabei droht er, an dem von (sexueller) Gewalt und Intrigen geprägten Umfeld zu zerbrechen. Schließlich gelingt Tommy die Flucht – nicht nur aus dem Knast, sondern auch aus der verhassten DDR. Kurz darauf fällt die Mauer. Als die Freunde sich nach einigen Monaten wieder begegnen, haben sich die Rollen völlig verkehrt: Während Tommy ins bürgerliche Leben zurück gefunden hat, ist Heiko zu einem glühenden Nazi geworden.
Kommentare
Sie haben diesen Film gesehen? Dann freuen wir uns auf Ihren Beitrag!
Jetzt anmelden oder registrieren und Kommentar schreiben.
Während für Heiko das Leben weiter geht: Er lernt die so selbstbewusste wie verführerische Punkerin Beate kennen – und ist total verknallt. Doch eines Tages steht, gerade aus der Haft entlassen, sein Kumpel Tommy, vor der Tür: mit Stacheldraht-Tattoo am Hals und SS-Symbol am Unterarm. Im Gefängnis hat er Bekanntschaft mit der rechten Szene geschlossen und die braune Ideologie geradezu in sich aufgesogen. Sein Entschluss, den sozialistischen Staat zu verlassen, steht für ihn jetzt fester denn je, während Heiko dazu inzwischen gar keine Lust mehr hat. Er will viel lieber bei Beate bleiben.
Doch dann muss er mit ansehen, wie sein bester Freund mit Beate schläft. „Ich hatte eben Druck“ entschuldigt Tommy sein Verhalten, und: „Auf Frauen ist sowieso kein Verlass“. Heiko rastet aus, lässt sich dann aber doch von Tommy zu einer gemeinsamen Flucht überreden. Mit Leiter und Bolzenschneidern bewaffnet, ziehen die Freunde los in Richtung Grenze. Das riskante Unternehmen schlägt fehl: Ein nicht beachteter Stolperdraht an den Grenzanlagen wird ihnen zum Verhängnis. Die geschnappten Republikflüchtlinge landen im berüchtigtsten Zuchthaus der DDR, sind für lange Zeit in eine fremde Welt verbannt, in der eigene Gesetze herrschen.
Die Freunde werden getrennt. Heiko muss seine Zelle mit dem Frauenmörder Eduard Kellermann und dem Schwerverbrecher Bonzo, der es auf den jungen wehrlosen Freddy abgesehen hat, teilen. Er kommt mit dem von Korruption und sexuellem Missbrauch geprägten Umfeld gar nicht klar, während sich Tommy mit den rechtsradikalen „Kameraden“ unter der Führung von Friedhelm Kaltenbach arrangiert. Nachdem Heiko beim Duschen vom
„Erziehungsbereichsältesten“ Hagen brutal vergewaltigt worden ist, reicht er Kaltenbach die Hand. Damit ist freilich sein Martyrium, das ihm nach einem weiteren sexuellen Übergriff wenig später Isolationshaft einbringen wird, nicht beendet.
Um Heiko zu retten, muss Tommy seine Nazikameraden an die Stasi verpfeifen. Während ersterer sich langsam von der Einzelhaft erholt, entwickelt Tommy einen Fluchtplan für sich und seinen Freund. Doch auch dieses Mal läuft nicht alles glatt: Tommy gelingt es zwar, versteckt in einer Holzkiste nicht nur die Mauern des Gefängnisses, sondern auch die des Gefängnisstaates DDR hinter sich zu lassen, Heiko aber muss im letzten Moment zurückbleiben. Ironie des Schicksals: Kurz nach Tommys Ankunft im Westen fällt die Mauer…
Der Dokumentarist Winfried Bonengel („Beruf: Neonazi“, 1993) hat sich für sein Spielfilmdebüt „Führer Ex“ inspirieren lassen von Ingo Hasselbachs autobiographischem Bestseller „Die Abrechnung – ein Neonazi steigt aus“ von 1993, dessen Titel der englischsprachigen Buchausgabe auch der dieses Filmes ist. Er versucht eine Antwort auf die Frage zu geben, warum junge Männer zu Rechtsextremisten werden – gerade in den neuen Bundesländern, wo der staatlich verordnete Antifaschismus der DDR nach der Wende offenbar ins Gegenteil umgeschlagen ist.
„Führer Ex“ beleuchtet ein sehr wichtiges Kapitel deutscher Zeitgeschichte – und wird mit entsprechendem Begleitmaterial auch im Schulunterricht eingesetzt. Ist aber auch ein Genrestreifen, ein Gefängnisfilm – und in erster Linie die mitreißende Schilderung einer Freundschaft in Zeiten des Verrats – getragen von tollen Schauspielern, in erster Linie den so authentisch wirkenden jungen Berlinern Christian Blümel und Aaron Hildebrand, und starken (Ganz Nah-) Bildern des Kameramanns Frank Barbian.
Regisseur Winfried Bonengel, nach Ingo Hasselbachs Ausstieg aus der Neonazi-Szene mit diesem eng befreundet, im Tobis-Presseheft: „Manchmal habe ich daran gezweifelt, dass man diese Art Kino in Deutschland überhaupt machen kann. Umso stolzer bin ich, dass es dennoch gelang. Was mich aber am meisten freut: Die Reaktionen zeigen, dass es mir gelungen ist, zumindest emotional nachvollziehbar zu machen, wie jemand zum Neonazi werden kann.“
Pitt Herrmann