Biografie
Steffie Spira wurde am 2. Juni 1908 in Wien geboren. Ihr Vater war jüdisch-orthodox, ihre Mutter protestantisch, beide waren Schauspieler, sodass sie von klein auf mit der Welt des Theaters vertraut war. Dennoch hegte sie zunächst den Wunsch, Tänzerin zu werden, doch eine Verletzung zwang sie dazu, diesen Traum aufzugeben. Schließlich entschied sie sich, in die Fußstapfen ihrer Familie zu treten, und begann in Berlin eine Schauspielausbildung. Ihr Vater vermittelte ihr einen Platz an der neu gegründeten Schauspielschule der GDBA (Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger), wo sie eine fundierte Ausbildung in Sprech- und Gesangstechnik erhielt. Bereits kurze Zeit später begann sie ihre Karriere mit Engagements an renommierten Berliner Bühnen, darunter das Theater in der Königgrätzer Straße, die Volksbühne, das Hebbel-Theater und das Thalia-Theater.
1931 trat sie der KPD bei, wodurch sich ihr künstlerisches Schaffen zunehmend mit politischem Engagement verband. Sie wurde Mitglied der „Truppe 31“, einer Theater- und Kabarettgruppe, die sich aus der kommunistischen Zelle innerhalb der Künstlerkolonie der GDBA in Berlin formierte – einer Siedlung, in der zahlreiche linke Schriftsteller:innen und Schauspieler:innen lebten. Unter der Leitung von Gustav von Wagenheim entwickelte sich die Gruppe zu einer wichtigen Plattform für politisches Theater. In Deutschland und der Schweiz traten sie mit Stücken wie „Die Mausefalle“, „Da liegt der Hund begraben“ und „Wer ist der Dümmste?“ – einer offenen Anspielung auf Hitler – auf.
Während ihrer Ausbildung an der GDBA lernte Spira ihren späteren Ehemann Günter Ruschin kennen, der sich ebenfalls der „Truppe 31“ anschloss und dort mit ihr auf der Bühne stand. Gemeinsam lebten sie in der Künstlerkolonie, deren enge Vernetzung mit der Gruppe einen fruchtbaren künstlerischen und politischen Austausch ermöglichte. Doch im März 1933 wurde die Kolonie Ziel einer Razzia durch die SA. Während Spira rechtzeitig in die Schweiz fliehen konnte, wurde ihr Mann verhaftet. Als er Ende Mai versehentlich freigelassen wurde, gelang auch ihm die Flucht ins Exil.
Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft und ihrer politischen Überzeugung war sie einer doppelten Bedrohung ausgesetzt, weshalb sie gemeinsam mit ihrem Mann in der Emigration blieb. In der Schweiz konnte sie nur vereinzelt in Theaterproduktionen mitwirken, doch als sich die politische Lage weiter zuspitzte, flohen sie weiter nach Paris. Dort schlossen sie sich dem Schutzverband Deutscher Schriftsteller im Exil (SDS) an, einer Vereinigung geflüchteter Intellektueller. Gemeinsam mit weiteren Exilschauspieler:innen gründeten sie das Kabarett „Die Laterne“, das 1937 mit Bertolt Brecht einen bedeutenden Unterstützer gewann und dessen Stücke zur Aufführung brachte. In dieser Zeit kam in Paris auch ihr Sohn Thomas zur Welt.
Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs geriet Spira in den Fokus der französischen Behörden. 1939 wurde sie verhaftet und in verschiedenen Lagern interniert. Nach ihrer Inhaftierung im Gefängnis „La Roquette“ wurde sie ins Frauenlager „Camp de Rieucros“ überstellt, während ihr Mann ebenfalls festgesetzt und ihr kleiner Sohn mit seinem Kindergarten evakuiert wurde. Erst nach zwei Jahren gelang es der Familie, dank der Unterstützung von Anna Seghers und Bodo Uhse, eine Möglichkeit zur Flucht zu finden. Diese stellten ihnen ein Affidavit aus, das ihre Einreise in die USA ermöglichen sollte. Über Spanien und Portugal setzte die Familie ihre Flucht fort, doch trotz aller Bemühungen wurde ihnen die Einreise in die Vereinigten Staaten verweigert. Schließlich war es der mexikanische Konsul in Marseille, der sich für all jene einsetzte, denen die Auslieferung an Deutschland drohte, und ihnen Visa für Mexiko ausstellte. Dort angekommen, schloss sich Spira erneut dem Widerstand gegen die Nationalsozialisten an und begegnete erneut Anna Seghers.
Das Leben im Exil war jedoch von großen Entbehrungen geprägt. Um ihren Lebensunterhalt zu sichern, arbeitete Spira als Kindermädchen, Hauswirtschaftskraft und Kassiererin. Zwar spielte sie weiterhin Theater, doch deutschsprachige Inszenierungen fanden in Mexiko kaum Anklang. Dennoch gelang es ihr, mit anderen kommunistischen Exilant:innen eine Theatergruppe, den „Heinrich-Heine-Club“, ins Leben zu rufen.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte sie 1947 nach Deutschland zurück und ließ sich in Ost-Berlin nieder, wo sie ihre Bühnenkarriere nahtlos fortsetzen konnte. Zunächst spielte sie am Deutschen Theater, später wechselte sie an die Volksbühne und war darüber hinaus in zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen der DDR zu sehen.
Ein bedeutender Moment in ihrem Leben ereignete sich am 4. November 1989, als sie während einer Protestkundgebung auf dem Alexanderplatz eine Rede hielt, die trotz ihrer Kürze große Wirkung entfaltete. In bewegenden Worten äußerte sie den Wunsch, dass ihre Urenkel eine bessere Zukunft erleben sollten, und forderte die Regierenden zum Rücktritt auf.
Als nur wenige Tage später, am 9. November 1989, die Berliner Mauer fiel, eröffnete sich für Spira und ihre Schwester Camilla die Möglichkeit, nach vielen Jahren erstmals wieder gemeinsam auf der Bühne zu stehen. 1990 traten sie zum ersten Mal zusammen auf, und in den folgenden fünf Jahren folgten weitere gemeinsame Auftritte.
1991 widmeten Marlet Schaake und Horst Cramer ihr und ihrer Schwester die Fernsehdokumentation „So wie es ist, bleibt es nicht“ – Die Geschichte von Camilla und Steffie Spira, die ihr bewegtes Leben und ihr künstlerisches Wirken würdigte.