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Der junge Thomas Müntzer kommt 1523 mit seiner Frau Ottilie ins thüringische Allstedt, wo er eine Pfarrstelle antreten soll. Als Anhänger der Lehre Luthers sieht er in der Bibel nicht nur Ansätze zu geistlichen, sondern auch zu weltlichen Reformen. Als es mit Luther darüber zum Zerwürfnis kommt und sich dieser von der notleidenden Landbevölkerung abwendet, erhebt sich Müntzer zu deren Sprecher. Er ist gezwungen, nach Süddeutschland zu gehen, wo er mit aufständischen Bauern zusammenkommt.
Doch sein Weg führt ihn zurück nach Thüringen. 1925 bildet er gemeinsam mit Heinrich Pfeiffer in Mühlhausen das Zentrum des thüringischen Bauernaufstandes, dessen Erfolg allerdings darunter leidet, dass Bauern und Handwerker nicht imstande scheinen, an einem Strang zu ziehen. In Frankenhausen wird er zum Anführer eines Bauernheers, das sich in einer Schlacht den Fürsten stellt – und vernichtend geschlagen wird. Müntzer wird festgesetzt und für seine aufrührerischen Taten zum Tod durch Enthaupten verurteilt.
Die Ausstattung dieser Filmseite wurde durch die DEFA-Stiftung gefördert.
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Als der Bauer Hans Buss verhaftet werden soll, obwohl er nur seine Schwester Bärbel verteidigt hat, mischt sich der Pfarrer erstmals unmittelbar ein. Da auch er seine Predigten in deutscher Sprache hält, ist der Zulauf enorm. Seine kämpferischen Worte, mit denen er sich freilich deutlich von Martin Luther, der „milden Nachtigall von Wittenberg“, einem erklärten Feind revolutionärer Umstürze, abgrenzt, sind Wasser auf die Mühlen der Aufständischen, die nun auch scheinbar mit göttlichem Segen Kirchenhäuser niederbrennen, Heiligenbilder zerstören und die Soldaten des Grafen von Mansfeld angreifen.
„Die Leut' hängen an ihm wie an einem von Gott gesandten Propheten“: Der Graf lässt die Rädelsführer verhaften, sodass Müntzer nun an ihre Stelle tritt: der Kampf der Bauern gegen Unterdrückung und Willkür muss auch einer der Kirche werden. Er erhält Beistand vom Schwabenhannes, einem schwäbischen Bauern, der ins Mansfelder Land gekommen ist, um ein Bundschuh-Bündnis zu besiegeln. Und das unter der Regenbogen-Fahne, die Müntzers hochschwangere Gattin genäht hat. Nachdem Müntzer Besuch erhalten hat vom Kurfürsten Johann von Sachsen, den er vergeblich in deutlichen Worten ermahnt, auf die Forderungen der Bauern einzugehen, geht er mit Schwabenhannes nach Süddeutschland, um die Kräfte der Aufständischen zu vereinen. Nun weht neben der Schwarzen Fahne der Anarchie und der Regenbogenfahne Müntzers auch die schwarz-rot-goldene Fahne derer, die eine geeinte deutsche Nation anstreben. Doch Müntzer wird bald von Heimweh nach seiner jungen Familie geplagt.
Er eilt nach Thüringen zurück, als ihn Heinrich Pfeiffer, der arg voreilig das Ende der Fürstenherrschaft proklamierte, nach Mühlhausen ruft. Bei verlustreichen Kämpfen sterben viele Bauern, auch weil der Adel, der sich über die Religiosität der Aufständischen lustig macht, ein falsches Spiel treibt: „Sie leben doch vom Glauben, diese Tölpel.“ Da die Fürsten mit ihren militärisch deutlich überlegenen Heeren nur bereit sind, die Bauern zu begnadigen, wenn sie ihnen ihren Anführer Thomas Müntzer ausliefern, kommt es am 15. Mai 1525 in Frankenhausen am Fuße des Kyffhäuser zur entscheidenden Schlacht: 6.000 Landsknechte der papistischen und der lutherischen Fürsten um Herzog Heinrich von Braunschweig, Landgraf Philipp I. von Hessen und dessen Schwiegersohn, Herzog Georg von Sachsen, genannt „Georg der Bärtige“, stehen 8.000 Bauern gegenüber.
Doch Thomas Müntzer, der Theologe ist und kein Feldherr, muss machtlos zusehen, wie die Aufständischen durch gegenseitiges Misstrauen, aber auch durch Verrat und Sabotage ihre zahlenmäßige Überlegenheit verspielen und in einer mörderischen Abnutzungsschlacht vernichtet werden. Nur 2.000 von ihnen überleben, darunter auch der Student Markus Stübner, der Müntzers Frau von den Siegern freikaufen kann. Es gelingt ihm, Ottilie und alle bedeutenden Schriften ihres auf der Festung Heldrungen gefangen gehaltenen und vor seiner Enthauptung am 27. Mai 1525 in Mühlhausen gefolterten Gatten nach Waldshut zu retten: „Ganz Deutschland muss ins Spiel kommen.“
Für das Filmszenarium von „Thomas Münzer“, so der ursprüngliche und offiziell erst 1974 in „Thomas Müntzer“ umgewandelte Titel, konnte kein Geringerer als Friedrich Wolf gewonnen werden, der parallel dazu sein Schauspiel „Thomas Münzer, der Mann mit der Regenbogenfahne“ schrieb, das am 23. Dezember 1953 am Deutschen Theater Berlin uraufgeführt wurde. Posthum, denn Friedrich Wolf war überraschend am 5. Oktober 1953 gestorben, sodass die Defa seinem Sohn Konrad Wolf, damals noch Filmstudent in Moskau, die Aufgabe übertrug, aus dem ersten ein zweites Filmszenarium zu entwickeln, das dieser am 9. Februar 1954 vorlegte als Grundlage für Martin Hellbergs Drehbuch. Es sollte ein großes Historiendrama werden, das die Luthersche Reformation als Vorläufer der sowjetischen Revolution und damit des sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaates DDR ideologisch zurechtbiegt. Dabei bestand die Aufgabe, einen Film über Müntzer zu drehen, in dem Martin Luther zwar erwähnt wird, als Figur aber nicht in Erscheinung tritt.
„Thomas Müntzer“ war neben „Ernst Thälmann“ der aufwändigste Monumentalfilm der Defa - und wurde dennoch in der Rekordzeit von nur 83 Tagen in Quedlinburg gedreht. Mit 169 Schauspielern und 5.000 Kleindarstellern, darunter hunderte Volkspolizisten. 17 Jahre nach seiner Uraufführung kam er anlässlich des 450. Jahrestages des Bauernkrieges erneut in die DDR-Kinos – gekürzt um Szenen mit allzu deutlichem gesamtdeutschem Bezug. Schwarz-rot-goldene Fahnen wurden ebenso herausgenommen wie Gespräche „vom großen Zug übern Neckar und Rhein“. Und natürlich die finale Botschaft von Waldshut: „Ihr müsst den Brüdern überm Main die Hand reichen. Ganz Deutschland muss ins Spiel kommen.“ Von den ursprünglich 135 Minuten blieben noch ganze 100 Minuten übrig, als „Thomas Müntzer“ nun mit „tz“ am 18. Oktober 1974 erneut in die Lichtspielhäuser der Bezirksfilmdirektionen kam. Die ursprüngliche Fassung, 1966 zum letzten Mal im DDR-Fernsehen gelaufen, wurde zum Reformationsjubiläum aufwändig restauriert und am 10. Juli 2017 vom Mitteldeutschen Rundfunk erstausgestrahlt.
Pitt Herrmann