Der Untertan

DDR 1951 Spielfilm

Inhalt

Eine gelungene Satire nach Heinrich Manns Roman über den kleinbürgerlichen Aufsteiger Diederich Heßling im wilhelminischen Deutschland. Er hat gelernt, nach oben zu buckeln und nach unten zu treten. Er knüpft Beziehungen zu einflussreichen Leuten, die ihm nützen können, für seinen geschäftlichen Erfolg, unter solchen Erwägungen wählt er auch seine nicht sonderlich attraktive, aber reiche Ehefrau aus. Und er nutzt seine Beziehungen zum Regierungspräsidenten von Wulkow, um einen unliebsamen Konkurrenten auszuschalten. Sein größtes Erlebnis ist es, den Kaiser aus der Nähe gesehen zu haben. Eifrig sammelt er für ein Kaiserdenkmal in seiner Stadt. Doch die Einweihung geht in einem tosenden Gewitter unter.

 

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Falk Schwarz
Der untertänige Deutsche
Diederich Hessling wächst „deutsch“ auf: Vater prügelt, Mutter erzählt Gruselmärchen, in der Schule herrscht Drill. Diederich (Werner Peters) wird Student, gerät in die Fänge einer deutsch-nationalen Verbindung, schlägt Partien, „reibt“ Salamander und begreift: Deutschsein heißt Buckeln nach oben, Treten nach unten. Er wird zum Egoisten und Heuchler. Seine Ansprache an die Arbeiter in der kleinen Papierfabrik, die er geerbt hat, zeigt: der Mensch beginnt doch erst in unserer Gesellschaftsschicht. Alle anderen sind Proleten. Rechte Ideologie und männliches Protzen gehören zusammen und über Allem steht der Kaiser. Diederich kapiert das Räderwerk: Dünkel, Macht, Korruption, Intoleranz und Aggressivität (Netenjakob) geben Sicherheit. So muss man sein, um zu reüssieren. - Die bitter-wahre Satire von Heinrich Mann muss Wolfgang Staudte beflügelt haben. Hier passt alles zusammen. Großartig der Hauptdarsteller, der diese Untugenden zu leben scheint. “Sachlich sein, heißt Deutschsein“ - man bekommt Schluckbeschwerden. Kameramann Robert Baberske fotografiert die corporierten Saufbrüder durch das verzerrende Bierglas, er lässt die Drillübungen beim Militär sich in der blank geputzten Tuba spiegeln. Die Liebesgeschichte mit Agnes (Sabine Thalbach) hat Melos und zeigt den Magier Staudte. Aber er mag auch die Übertreibung: als Diederich auf seiner Hochzeit sein „Weltklasse“ Produkt enthüllt, sind es Klopapierrollen, auf denen markige deutsche Sprüche stehen. Man kommt aus dem Grinsen nicht heraus. Auch Kitsch schreckt Staudte nicht: „Der schönste Platz, den ich hab‘, ist die Rasenbank am Elterngrab“. - Für diesen Film wurde Staudte im Westen angespuckt und skandalisiert. Sechs Jahre brauchte die BRD, bis sie diesen Film der Weltklasse zuließ. Hatten wir Wessis denn solche Angst vor dieser Selbstentlarvung?
Heinz17herne
Heinz17herne
Ursprünglich sollte, auf Vermittlung Bertolt Brechts, der Deutsch-Amerikaner Erich von Stroheim den Roman Heinrich Manns verfilmen, der zunächst von Januar 1914 an in der illustrierten Wochenschrift „Die Zeit im Bild“ als Vorabdruck in Fortsetzungen erschien – freilich nur bis Kriegsausbruch im August. Die Buchausgabe des „Untertan“ konnte erst 1918 im Kurt Wolff Verlag erscheinen. Das Stroheim-Projekt zerschlug sich vermutlich aus politischen wie finanziellen Gründen. Dann musste Wolfgang Staudte, offiziell noch bis Ende April 1951 als künstlerischer Direktor bei der Defa im Amt, das er mit Beginn der Dreharbeiten aber ruhen ließ, einspringen. Unter der Produktionsleitung von Willi Teichmann versicherte er sich seines Vaters Fritz, auf der schwarz-weißen Leinwand als Amtsgerichtsrat Kühlemann zu sehen, als Co-Autor. Beide fokussierten in ihrer bisweilen aberwitzigen, mit Werner Peters aber genial besetzen Kleinbürger-Satire auf den Titelhelden: der kaisertreue Spießer bereitet den Boden für den aufkommenden Faschismus des Dritten Reiches.

Während die ideologisch arg eingefärbte Story manche Auswüchse in die Klamotte annimmt vom prophetischen „Nazi“-Couplet im Variete über die Präsentation der Erfindung von abrollendem, mit vaterländischen Reimen bedrucktem Klopapier ausgerechnet beim Anschneiden der Hochzeitsorte bis hin zur tragischen Liebesaffäre Emmi Hesslings mit einem Offizier, hätte die technische Seite des Films einen Meilenstein in der Geschichte des Ufa-Nachfolgers Defa bedeuten können: Robert Baberske arbeitet mit expressiven Bildern, waghalsigen Kamera-Perspektiven (so ist bei einer Rede Hesslings nur das heftig bewegte Gebiss des Schauspielers Werner Peters zu sehen) und überraschenden (Aus-) Schnitten. Während in den drei Westzonen des von den Alliierten besetzten Deutschland nur hausbackenes, ideologisch nicht minder belastetes Heimat-Kino gefragt ist, erinnert man sich bei der Defa an die avantgardistische Tradition der Vorkriegszeit. Wenigstens bis zum nächsten Stopp-Signal durch Partei und Staat.

Apropos Zonen. Die 109-minütige Originalfassung wurde am 31. August 1951 gleichzeitig im „Babylon“ gegenüber der Volksbühne und im Defa-Filmtheater an der Kastanienallee uraufgeführt. Sie passierte die Zensur im angeblich freien Teil Deutschlands nicht. Erst als Wolfgang Staudte, einer der produktivsten Grenzgänger zwischen Ost und West, eigenhändig eine Kürzung um rund fünfzehn Film-Minuten vornahm und einen Vorspann hinzufügte, in welchem auf den Einzelfallcharakter der Story verwiesen wird, passierte „Der Untertan“ in einer nunmehr 96-minütigen Fassung die westdeutsche Zensur und konnte erstmals am 8. März 1957 in zwei Münchner Kinos, Sendlinger Tor- und Rathaus-Lichtspiele, gezeigt werden. TV-Premiere war am 2. September 1954 im Deutschen Fernsehfunk der DDR, erst im Jahr des Mauerbaus, 1961, wurde „Der Untertan“ im West-Fernsehen ausgestrahlt.

1951 erhielten Regisseur Wolfgang Staudte den DDR-Nationalpreis II. Klasse und der Hauptdarsteller Werner Peters den DDR-Nationalpreis III. Klasse. Beim VI. Int. Filmfestival Karlovy Vary (Karlsbad) gabs im gleichen Jahr den Preis „für den Kampf um den sozialen Fortschritt“. Und 1956 in Helsinki auf einer Festveranstaltung anlässlich des 60. Jahrestages der Erfindung des Films ein Ehrendiplom.

Pitt Herrmann

Credits

Darsteller

Alle Credits

Regie-Assistenz

Dramaturgie

Kamera-Assistenz

Standfotos

Darsteller

Produktionsleitung

Aufnahmeleitung

Dreharbeiten

    • 01.03.1951 - 22.06.1951: Außengelände der Studios in Potsdam-Babelsberg
Länge:
2963 m, 109 min
Format:
35mm, 1:1,33
Bild/Ton:
s/w, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 08.01.1957, 13613, Verbot;
Zensur (DE): November 1956 [Alliierte Militärzensur];
Zensur: 15.08.1951 [Amt für Information der DDR]

Aufführung:

Uraufführung (DD): 31.08.1951, Berlin, Babylon, Defa-Filmtheater Kastanienallee;
TV-Erstsendung (DD): 02.09.1954, DFF

Titel

  • Originaltitel (DD) Der Untertan

Fassungen

Original

Länge:
2963 m, 109 min
Format:
35mm, 1:1,33
Bild/Ton:
s/w, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 08.01.1957, 13613, Verbot;
Zensur (DE): November 1956 [Alliierte Militärzensur];
Zensur: 15.08.1951 [Amt für Information der DDR]

Aufführung:

Uraufführung (DD): 31.08.1951, Berlin, Babylon, Defa-Filmtheater Kastanienallee;
TV-Erstsendung (DD): 02.09.1954, DFF

Prüffassung

Länge:
2635 m, 96 min
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 04.06.1984, 13613 [4. FSK-Prüfung];
FSK-Prüfung (DE): 22.02.1957, 13613 [2. FSK-Prüfung]

Aufführung:

Erstaufführung (DE): 08.03.1957, München, Sendlinger Tor-Lichtspiele, Rathaus-Lichtspiele;
TV-Erstsendung (DE): 27.07.1961, ARD