Die Beunruhigung

DDR 1981/1982 Spielfilm

Inhalt

Die Psychologin Inge Herold, 35 Jahre alt, unverheiratet mit ihrem 15-jährigen Sohn zusammenlebend, erfährt bei einer Vorsorgeuntersuchung, dass es einen Verdacht auf Brustkrebs gibt. Diese Diagnose verändert das Leben von heute auf morgen.

 

Sie hinterfragt ihr bisheriges Leben, vor allem ihr Verhältnis zu einem verheirateten Mann, das sie beendet, als sie spürt, dass er zu tieferem Verständnis für ihre neue Situation nicht fähig ist. In ihrem Sohn findet sie einen einfühlsamen Partner, und sie findet die Kraft, mit der ständigen Beunruhigung durch die Krankheit zu leben.

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Heinz17herne
Heinz17herne
„Sie sind nicht mein Erziehungsberechtigter“: Lutz liegt rauchend im Bett und will von guten Ratschlägen oder gar Ermahnungen nichts hören, was nicht nur an den klobigen Dingern liegt, die er auf seine Ohren geklemmt hat. Seinen Musikgeschmack trägt der 15-Jährige frech auf den Rücken seiner Jeansjacke spazieren: The Police. Nicht gerade FDJ-kompatibel. Da sind Kopfhörer die eindeutig bessere Lösung als Ohrenstöpsel für Mutter Inge Herold und ihren Mann für die „netten Stunden“, Joachim. Inge plagen jetzt freilich andere Sorgen als der aufsässige Junior. Die ärztliche Diagnose nach der Röntgenuntersuchung ist niederschmetternd: Krebs, wahrscheinlich bösartiges Geschwulst in der Brust. Der Arzt spricht zwar einstweilen nur von einem Knoten in der linken Brust und davon, dass erst noch eine Gewebeuntersuchung folgen muss. Gleich am nächsten Tag! Aber für Inge ist die Sache eindeutig und die Tränen fließen bereits in der Umkleidekabine der Arztpraxis: Sie ist fassungslos. Schlagartig begreift die Mittdreißigerin, dass ihr Leben begrenzt sein könnte. Und wie ist es, ihr Leben?

Inge wird als Psychologin und Fürsorgerin beruflich hart gefordert und hat es privat als seit zwei Jahren geschiedene Alleinerzieherin eines halbwüchsigen Sohnes auch nicht leichter. Zumal sie, für die so dringend benötigten „netten Stunden“, ein Verhältnis ausgerechnet mit einem verheirateten Mann eingegangen ist. „Ich muss unabhängig sein“ ist, auch und gerade Joachim gegenüber, stets ihre Devise gewesen. Jetzt kommen Inge Zweifel, ob sie alles richtig gemacht hat. Sie stellt sich generell die Frage nach dem Sinn ihres Daseins in den 24 Stunden, die ihr noch bleiben bis zur Operation – mit ungewissem Ausgang. Was allein schon Grund für eine tiefe Beunruhigung wäre, da kann sie auch der Zuspruch einer jüngeren Krebs-Patientin nicht aufmuntern. Doch es kommt anderes hinzu, als Inge, überwach und sensibilisiert für die kleinen Alltäglichkeiten, denen sie bisher wenig Beachtung geschenkt hat, damit beginnt, ihr bisheriges Leben zu bilanzieren. Was kann sie etwa einem Ehepaar mit auf den Weg geben, das zu ihr in die Beratungsstelle des Berliner Bezirks Mitte kommt mit Eheproblemen, ausgelöst durch das Fremdgehen des Gatten? Inge schläft schließlich selbst mit einem verheirateten Mann.

Erst 'mal sagt sie bei ihrer Sekretärin alle dienstlichen Termine ab, dann besucht sie Joachim in der Holzwerkstatt und lädt ihn abends zu sich ein. Im Centrum-Warenhaus am Alexanderplatz ersteht sie Nachtwäsche, die sicherlich nicht für den Klinikaufenthalt bestimmt ist – und einen Einkaufswagen voller Sektflaschen. Für den letzten Abend in Freiheit. Aber vorher schaut Inge noch bei ihrer Mutter vorbei, damit die sich um Lutz kümmert, falls es länger dauert in der Klinik. Letzterer hat die Bude voller Gleichaltriger und die Musikanlage auf volle Lautstärke – was Inge nun wirklich nicht gebrauchen kann, weshalb sie die ganze Bagage kurzerhand vor die Tür setzt. Inge stellt ihr eigenes Leben auf den Prüfstand, ihr Verhalten zu Kollegen und den Menschen, die ihr am nächsten stehen. Weshalb sie eine Klassenkameradin von vor zwanzig Jahren, Katharina Weber, aufsucht, heute als Richterin eine treue Parteisoldatin, was Inge als „geöltes Leben“
bezeichnet. Sie soll die aktuelle Adresse von Inges alter Flamme Dieter Schramm ermitteln, dessen Eltern damals republikflüchtig geworden sind, was dem weiteren Lebensweg des in der DDR zurückgebliebenen Sohnes nicht eben förderlich war.

Am Schiffbauerdamm entsteigt eine attraktive Blondine einem schnittigen BMW und umarmt Inge herzlich: Ihre beste Freundin, die nun in West-Berlin lebende Biochemikerin Brigitte, hat Theaterkarten fürs Berliner Ensemble, aber Inge ist nicht nach Kultur, sondern nach Quatschen – und nach einem Schnaps. Weil das Ganymed vorn an der Ecke wie gewohnt überfüllt ist, schließlich steht noch der alte Friedrichstadtpalast unmittelbar neben dem BE, steuert Brigitte mit Charme und Chuzpe am Pförtner vorbei zielstrebig auf die total verräucherte BE-Kantine zu. „Warum ich? Warum gerade ich? Es gibt doch so viele Leute!“: Brigitte weiß auf Inges Fragen auch keine Antwort. Die, nachdem Brigitte zur Theatervorstellung entschwunden ist, am Abendbrottisch einer außerordentlich munteren vielköpfigen Großfamilie landet: Nachbar Dieter Schramm ist, wie sich später herausstellt, frisch geschieden mit seiner kleinen Tochter Susanne gerade über den Rummel gebummelt. Der Ingenieur, der bis zum 13. August 1961 in West-Berlin studierte, musste nach dem Mauerbau erst einmal zur Bewährung in die Produktion, bevor er sein Studium an der Humboldt-Universität fortsetzen konnte. Mit Dieter hätte es 'was werden können, aber nicht an diesem Abend. Denn da wartet Inge daheim im neuen sexy Neglige, bei Kerzenschein, Sekt und tollem Essen auf Joachim. Lutz schneit gegen Mitternacht herein, Joachim erst am anderen Morgen, kurz vor Schichtbeginn: der hat schließlich auch noch Verpflichtungen als Ehegatte zu erfüllen...

Lothar Warneke gehört mit Herrmann Zschoche und Erwin Stranka zu den nicht wenigen männlichen Regisseuren, die in der DDR beachtliche Frauenstreifen gedreht haben. Er hat zusammen mit Helga Schubert auch das Drehbuch zum Mutmacher-Film „Die Beunruhigung“ geschrieben, der ein großer Kinoerfolg in der DDR wurde – auch weil er die Tabuthemen Sterben und Tod auf die Leinwand brachte. Und das in Schwarz-Weiß-Bildern des Dokfilmers Thomas Plenert, die ausschließlich an Originalschauplätzen gedreht worden sind. Warnekes Filmschluss, bei dem es sich eigentlich um eine kleine Rahmenhandlung handelt, was dem Zuschauer aber erst im Nachhinein dämmert, ist sicherlich eine Konzession an die Zensur, die ansonsten eine Menge hat durchgehen lassen – und das nicht nur üblicherweise zwischen den Zeilen: Mit Lutz, der zu Inges Überraschung viel Verständnis für ihre seelische Verfassung aufbringt, obwohl auch er natürlich ihre innere Beunruhigung nicht wegtrösten kann, und bei Dieter Schramm findet sie die Kraft, der Krankheit mit einem starken Lebenswillen entgegen zu treten - und mit neu gewonnener Konsequenz die Weichen für ein Leben nach der Operation zu stellen. Zu Cesar Francks jubelnden Orgelklängen, Präludium, Fuge und Variation in h-moll, teilt Inge am Morgen der Nachuntersuchung das Kopfkissen mit ihrem Klassenkameraden von einst...

Pitt Herrmann

Credits

Schnitt

Darsteller

Alle Credits

Länge:
2717 m, 100 min
Format:
35mm
Bild/Ton:
s/w, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 18.02.1982, Berlin, International

Titel

  • Originaltitel (DD) Die Beunruhigung

Fassungen

Original

Länge:
2717 m, 100 min
Format:
35mm
Bild/Ton:
s/w, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 18.02.1982, Berlin, International

Auszeichnungen

Nationales Spielfilmfestival der DDR 1982
  • Bester Schnitt
  • Bestes Drehbuch (ex aequo >Bürgschaft für ein Jahr<)
  • Beste Nebendarstellerin (ex aequo >Levins Mühle<)
  • Beste Hauptdarstellerin (ex aequo >Die Verlobte<)
  • Beste Regie (ex aequo >Bürgschaft für ein Jahr<)