Die Beunruhigung
Zwischen Leben und Tod geht es um Leben
"Die Beruhigung" hieß dieser Film in einer ersten Pressemeldung. Ein Druckfehler. Doch vielleicht auch konnte sich ein geprüfter Redakteur nicht vorstellen, was da ein Film gleich vorneweg auf seine Fahne schreiben wollte: Beunruhigung zu zeigen und zu sein, eine Art von Störung zum Thema zu nehmen. Aber das hat der Film nun gemacht und so gut, daß er wieder Leben und Leute in unsere Kinos bringen konnte.
Die Welt ist bunt. Diesmal nicht. Zwischen schwarz und weiß liegen die differenzierten Möglichkeiten dieses Films, an die man sich kaum noch erinnern konnte. Es ist wie früher im Kino, und es ist doch ganz anders, weil man zum Beispiel dieses Berliner Zentrum, die Erkennungssymbolik zwischen Fernsehturm und Palast der Republik, eigentlich nur in Farbe kennt. Fällt mir jetzt aut. Da verfremdet das Grau das beliebte Bellevue und konturiert die Nuancen von Geschichte und Spiel. Es geht im Film um Leben und Tod, aber noch mehr geht es um Leben. "Unser kurzes Leben", Lothar Warnekes Thema. Was, wenn es schon vorbei wäre, wenn die Routineuntersuchung einen Krebsverdacht bringt, der sich erweist. Wie lebt man mit der Angst zu sterben, wie hat man bisher gelebt. Vom Morgen eines Tages bis zum nächsten Morgen versucht die junge Frau, sich auf ihr Leben zu besinnen. (…)
Es ist schon ein Schock, aber es bezeichnet die Qualität des Films, daß sich Erschrecken und Bangigkeit in tiefere, andere Beunruhigung wandeln. Das funktioniert, weil es unspektakulär und wahrhaftig bleibt, schlicht. Weil die Filmstilistik nach einer Legierung mit der Wirklichkeit gesucht hat. Weil man meistens nicht weiß, was kommt. Weil hervorragend gespielt wird. Weil Christine Schorn spielt. Es ist ihr Film. Im Bewußtsein der Ungerechtigkeit gegenüber der reichen Vorgabe von Autorin Helga Schubert, gegenüber dem Regisseur Lothar Warneke, den anderen Schauspielern, den Laiendarstellern: Es ist ihr Film. Sie trägt unter die Leute im Kino, was sich die anderen ausgedacht haben. (…)
Der Film wurde nach genauer Vorbereitung, Metamorphosen des Buchs und der Tonart in ganz kurzer Zelt gedreht. Er hat etwa ein Drittel des Üblichen gekostet. Ein ganz kleines Team verpflichtete sich zur Verweigerung des Gewohnten, organisierte sich Handikaps, bestand auf Improvisationen. Der junge Kameramann Thomas Plenert kommt vom Dokumentarfilm, seine Augen und sein Gefühl für Alltag haben die Stimmung des Films weitgehend hergestellt. Da ist ein neuer prüfender Blick, eine Sicht auf Nebensächlichkeiten, die zu Hauptsachen werden könnten. Er hält einer Härte stand, die Arrangements der Zufriedenheit kommen bei ihm nicht vor.
Team und Besetzungen sind auch Regieleistungen. Warneke hatte eine glückliche Hand. Und bis auf ganz wenige Szenen, die merkwürdig hingebogen und bedeutungsträchtig wirken (…), führt er mit außerordentlicher Konsequenz die szenische Erzählung. (…)