Konflikte und Verbote im DEFA-Film
Am 13. August 1961 versperrten Volkspolizei und Volksarmee die Grenze nach West-Berlin und begannen, die Mauer zu bauen. Die DEFA reagierte ungewöhnlich schnell auf das Ereignis und noch vor Ende des Jahres begannen die Dreharbeiten zu Frank Vogels "...und deine Liebe auch", der Geschichte zweier Brüder, die durch die Teilung auseinander gerissen wurden. Konrad Wolfs "Der geteilte Himmel" (1964), nach dem erfolgreichen Roman von Christa Wolf, bot einen höchst artistischen Umgang mit dem Thema der deutschen Spaltung und provozierte eine intensive Diskussion, ob die Filme der DEFA "volksverbunden" (d.h. stilistisch konservativ) sein oder versuchen sollten, ihre Geschichten mit modernen Stilmitteln zu erzählen, was auch als "formalistisch" angegriffen wurde.
Nachdem die "blutende Wunde" der offenen Westgrenze geschlossen war, hofften Intellektuelle und Künstler – besonders solche, die sozialistischen Ideen grundsätzlich positiv gegenüberstanden – auf mehr Freiheit, sich offener mit den zahlreichen inneren sozialen und politischen Problemen auseinandersetzen zu können. Frank Beyer behandelte in "Karbid und Sauerampfer" (1963) wirtschaftliche Probleme anhand einer Schelmengeschichte aus der frühen Nachkriegszeit. Der Schriftsteller Günther Rücker verglich in seiner Regiearbeit "Die besten Jahre" (1965) die optimistischen Hoffnungen der "Aufbau-Generation" mit der erreichten DDR-Realität. In seinem Regiedebüt "Lots Weib" (1964/65) reflektiert der Autor Egon Günther gesellschaftliche Konflikte anhand einer Ehekrise. Die meisten führenden DEFA-Regisseure arbeiteten ebenfalls an neuen kritischen Filmen, als im November 1965 die Regierung eingriff. Auf dem 11. Plenum des ZK der SED – einer Parteikonferenz, die ursprünglich einberufen worden war, um sich mit der Wirtschaftsreform zu befassen – attackierten Partei-Hardliner (u.a. Parteichef Walter Ulbricht und Erich Honecker) die Entwicklung in Literatur (Christa Wolf, Heiner Müller, Wolf Biermann) und Film, vor allem Kurt Maetzigs "Das Kaninchen bin ich". Diese Adaption eines unveröffentlichten Romans von Manfred Bieler, der einen opportunistischen Richter kritisierte, wurde des "Skeptizismus" und "Subjektivismus" beschuldigt.
Nahezu die gesamte Jahresproduktion der DEFA wurde in verschiedenen Produktionsstadien verboten: "Berlin um die Ecke" (Gerhard Klein), "Wenn du groß bist, lieber Adam" (Egon Günther), "Karla" (Herrmann Zschoche), "Denk bloß nicht, ich heule" (Frank Vogel), "Der Frühling braucht Zeit" (Günter Stahnke) und "Jahrgang 45" (Jürgen Böttcher). Wenige Monate später wurde sogar Frank Beyers "Spur der Steine" mit Manfred Krug "aus dem Verleih genommen", nachdem es in einem Ost-Berliner Kino zu von der Partei organisierten Protesten gekommen war. Dabei beruhte "Spur der Steine" auf einem sehr erfolgreichen Arbeiterroman und war als DDR-Beitrag für das Filmfestival in Karlovy Vary vorgesehen. Diese (wie auch einige andere) "Regalfilme" wurden – teils in rekonstruierten Fassungen – nach der Wende 1990 vorgeführt und leider bald wieder vergessen. In der Folge der Parteikonferenz wurde auch die Leitung der DEFA entlassen, die Karrieren einiger Filmmacher wurden zerstört. Stahnke machte nie wieder einen interessanten Film, Beyer wurde ans Provinztheater verbannt und drehte Fernsehserien, ehe er fast zehn Jahre später zum Kino zurückkehren durfte. Jürgen Böttcher führte nie wieder Spielfilm-Regie und wurde zu einem bedeutenden Dokumentarfilmer und Maler. Konrad Wolf notierte am 17. August 1966 – ein Jahr vor seinem autobiografischen Meisterwerk "Ich war neunzehn" – die folgenden Bemerkungen: "Einschätzung der Lage: 8 Filme werden nicht das Licht der Leinwand erblicken (Spur der Steine – auf den wir größte Hoffnungen gesetzt haben). Wir stehen vor der größten Katastrophe unseres Spielfilmschaffens. (…) Wenn alle Gegenwartsfilme fehlerhaft – dann muß mit der Ideologie etwas nicht stimmen – zwingende Logik!"