Filmzauber und Kinounwesen. Filmliteratur 1919, Teil II

von Jeanpaul Goergen
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Quelle: Das illustrierte Blatt, Nr. 3, 14.1.1919
Anzeige für das Buch "Wie werde ich Kinoschauspielerin, Kinoschauspieler?" (1919)

Die deutschsprachige Filmpublizistik des ersten Friedensjahres 1919 ist überraschend umfangreich und vielfältig. Um die siebzig Bücher und Broschüren zu zahlreichen Aspekten von Film und Kino erschienen allein in diesem Jahr.

Neben populären Gesamtdarstellungen finden sich viele mehr oder minder seriöse Wegweiser für filminteressierte Laien. Der Schriftsteller Hans Richter spricht mit Erzählungen und Kinobriefen die schwärmerischen Kinobegeisterten an. Humoristische Darstellungen blicken hinter die Kulissen der Filmwelt; satirische Feuilletons halten den Filmstars den Spiegel vor. Kritik wird an den allerorten entstehenden, häufig unseriösen Filmschulen geäußert. Henny Porten lässt eine Selbstbiografie schreiben und distanziert sich wieder davon. Auch einige Unterhaltungsromane spielen im glitzernden Milieu des Films.

Diskutiert werden Aspekte der Kinoreform, vor allem in Bezug auf die Jugendpflege und die Sozialisierung der Kinos. Behandelt wird auch der Einsatz des Films für politische Zwecke, im Bereich der Medizin sowie als Industriefilm im Dienst der Technik. Einzelwerke präsentieren Filmschauspieler und Filmstars, aber auch den künstlerischen Beirat und den Drehbuchautor. Juristische Abhandlungen diskutieren das Vertragswesen im Filmgewerbe und die Filmzensur. Mit einer Vielzahl von Broschüren und Flugschriften macht die 1917 gegründete Universum-Film AG (Ufa) vor allem auf ihre Lehr- und Unterrichtsfilme aufmerksam. Ein Fachpublikum adressieren technisch ausgerichtete Grundlagenwerke zur Kinematographie sowie Filmkalender und Nachschlagewerke. Allerdings erscheint 1919 nur ein einziger Versuch, Wesen, Dramaturgie und Regie des Films auszuloten.

Die hier vorgestellte Übersicht berücksichtigt die gesamte Bandbreite der 1919 erschienenen Filmliteratur in deutscher Sprache. Sie will damit das Augenmerk auch auf jene Veröffentlichungen lenken, die von der Filmforschung bisher nicht oder nur selten beachtet werden. Auch hier wird ergänzend zur Neulektüre der vergessenen Filmliteratur von 1919 und ihrer bibliografischen Erfassung – sofern vorhanden – ihre Nummer in der heute immer noch wertvollen Bibliografie "Das deutsche Filmschrifttum" (1940) von Hans Traub und Hanns Wilhelm Lavies angeführt.

Aus technischen Gründen war es notwendig, die Übersicht auf zwei Seiten zu verteilen.

- Erwin Wulff: Wie werde ich Kinoschauspielerin, Kinoschauspieler? Ein Lehr- und Handbuch (Nach einer Skizze von H. Reichenberger). Dresden: Rudolph'sche Verlagsbuchhandlung 1919, 100 Seiten [Traub/Lavies: 734]

- Eberhard Giese: Der Kinoschund und die Jugend. [Breslau]: Verlag der Volkswacht-Buchhandlung, o.J. [1919/20], 16 Seiten [Traub/Lavies: 70]

- Otto Böhm: Verträge im Filmgewerbe, insbesondere die Filmpacht, die Filmlizenz und der Filmserienvertrag. Borna-Leipzig: Robert Noske, Großbetrieb für Dissertationsdruck 1919, 79 Seiten (= Hochschulschrift: Leipzig, Jur. Diss. vom 29. Juli 1919). Auch: Berlin, Leipzig: Vereinigung wissenschaftlicher Verleger Walter de Gruyter & Co, 1919 [Traub/Lavies: 1866]

- Willy Stuhlfeld: Entwurf zur Sozialisierung der bayerischen Theater (Die Münchner Theater sind in diesem Entwurf nicht mit einbezogen). Würzburg: Fränkische Gesellschaftsdruckerei [1919], 32 Seiten [Traub/Lavies: 1943]

- Hans Richter: Was mancher gern wissen möchte. Lotte Neumann. Berlin: Hans Hermann Richter 1919, 26 Seiten [Traub/Lavies: 810]

- Die Frau im Film. Zürich und Berlin-Schöneiche bei Friedrichshagen: Verlag Altheer & Co [1919], 54 Seiten [Traub/Lavies: 877]

- Wenzel Goldbaum: Filmverlagsrecht an drehreifen Büchern. Berlin: Verband Deutscher Filmautoren [1919], 55 Seiten

- Das Filmwerk "Anders als die Andern" (§ 175). Eine Zusammenstellung. Groitzsch (Bez. Leipzig): G. Reichardt 1919, 48 Seiten

- Resi Langer: Kinotypen vor und hinter den Filmkulissen. Zwölf Kapitel aus der Kinderstube des Films. Hannover: Der Zweemann Verlag 1919, 76 Seiten [Traub/Lavies: 250]

- Hans Richter: Kinobriefe, 1. Jg. 1919, Nr. 1-39. Berlin: Hans Hermann Richter Verlag 1919, jeweils 8 Seiten [Traub/Lavies: 882]

- Ernst Neumark: Die Grundlagen des Urheberrechts an Werken und Kinematographie. [Leipzig] 1919, 51 Seiten (= Universität Leipzig, Dissertation, Juli 1919) [Traub/Lavies: 2180]

- Arthur Lassally: Bild und Film im Dienste der Technik. Zweiter Teil: Betriebskinematographie. Halle (Saale): Wilhelm Knapp 1919 (= Enzyklopädie der Photographie; 91), 247 Seiten, mit 50 Abbildungen im Text und auf Tafeln [Traub/Lavies: 1576]
 

Jeanpaul Goergen war zuletzt Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprojekt "Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland (1945-2005)" vom Haus des Dokumentarfilms, Stuttgart, der Universität Hamburg und der Filmuniversität Babelsberg "Konrad Wolf". Er war von 1993 bis 2020 Mitglied von CineGraph Babelsberg, Berlin-Brandenburgisches Centrum für Filmforschung e.V. Seit 2011 kuratiert er die monatliche Reihe Berlin.Dokument im Berliner Zeughauskino über die Darstellung Berlins im dokumentarischen Film. Auf Filmportal erscheint seit 2014 seine Recherche "Film und Kino in Steglitz. Eine filmhistorische Chronik".