Hans Richter: Was mancher gern wissen möchte. Lotte Neumann (1919)
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Quelle: Jeanpaul Goergen |
Deckblatt |
Hans Richter (1889-1941) – nicht mit dem avantgardistischen Filmkünstler Hans Richter zu verwechseln – veröffentlichte zwischen 1918 und 1922 eine Vielzahl von populären Filmschriften. Sie erschienen sämtlich im Eigenverlag, dem Hans Hermann Richter Verlag in der Kurfürstenstraße 21/22 in Berlin, darunter regelmäßige "Filmbriefe" sowie das "Kinojahrbuch 1919".
Die auf August 1919 datierte schmale Schrift "Was mancher gern wissen möchte" stellt in Text und Bild die 1896 in Berlin geborene Schauspielerin Lotte Neumann vor und enthält außerdem eine Reihe von praktischen Hinweisen für Autogrammjäger und Kinofreunde.
Titel und Frontispiz zeigen ein Porträt der Schauspielerin aus dem Atelier des auf Starfotos spezialisierten Fotografen Alexander Binder. In einer Notiz entschuldigt sich Lotte Neumann bei ihren Freundinnen und Freunden dafür, dass es ihr nicht möglich sei, die vielen bei ihr eingehenden Briefe zu beantworten. Das übernimmt für sie in kumpelhaftem Plauderton Hans Richter. Ihre Stärke sieht er in sentimentalen Sujets, "in der Verkörperung junger Mädchen, die meist auf einem etwas tragischen Wege den Mann finden, der für sie bestimmt ist." Ein weiteres Geheimnis ihres Erfolgs sei ihr Aussehen; in den Augen des Publikums müsse die Filmheldin "ebenso blondes Haar haben, so ein freundliches Gesicht haben und in allen Situationen so hübsch aussehen wie eben Lotte Neumann." (S. 4)
Richter skizziert ihren Werdegang, der sie bereits mit 13 Jahren an die Komische Oper führte, sodann an das Trianon Theater und ans Komödienhaus. Von Max Mack entdeckt, spielte sie ihre erste Filmrolle in dessen Film "Die Launen des Schicksals" (1912). Nach verschiedenen Engagements kam sie zur Deutschen Mutoscop-Gesellschaft, die, um ihre Serien-Filme herzustellen, die Lotte Neumann-Film-Gesellschaft gründete; ihr Regisseur hier war Paul von Woringen.
Anschließend beantwortet Richter Fanpost: Lotte Neumann habe blonde Haare und blaue Augen, sei weder verlobt noch verheiratet und habe vorläufig auch nicht die Absicht dazu. Unter den Soldaten, die ihre Filme in den Frontkinos sahen, sei sie besonders populär gewesen. Es folgt ein freundliches Wort ihres häufigen Filmpartners Ernst Rückert und eine Aufzählung ihrer bisherigen Filme.
Auf den folgenden Seiten findet sich ein Aufruf für die vom Verlag ausgerichtete Abstimmung "Wer ist der beliebteste Filmschauspieler" sowie eine Anregung, wie man am besten zu einem Autogramm kommt. Über die Frage "Wie komme ich zum Film" seien zwar viele Bücher geschrieben worden, aber nur der Berufsschauspieler habe Aussicht auf eine Filmkarriere. "Man lasse es sich genügen, sich im Kino an den Leistungen berufener Filmkünstler zu erfreuen und lasse selber die Finger lieber davon." (S. 17) Auch auf die täglich gestellte Frage, wie man eine Filmidee am besten anbringe, gibt Richter die nüchterne Antwort, dass dies keine Sache für einen Dilettanten sei, "auch wenn er sich noch so viele Bücher kauft, in denen es ihm vorgemacht wird." (S. 17)
Es folgt eine kurze Übersicht über Filmliteratur und im Handel erhältliche Starfotos, eine Liste seiner bisher veröffentlichten "Kinobriefe", Anschriften von Filmfirmen und Kinolieblingen sowie eine Aufstellung, wer mit wem aus der Filmbranche verheiratet ist. Den Band beschließt eine angeblich auf vielfachen Wunsch seiner Leser (von E. Weber-Leskin aus Berlin-Charlottenburg) angefertigte Zeichnung des Herausgebers. Um Sammler zufrieden zu stellen, enthält das Büchlein zudem noch den vergriffenen "Kinobrief 1".
(Jeanpaul Goergen, August 2022)
Hans Richter: Was mancher gern wissen möchte. Lotte Neumann. Berlin: Hans Hermann Richter 1919, 26 Seiten
Traub/Lavies: 810
dnb: http://d-nb.info/36685156X