G. W. Pabst
Georg Wilhelm Pabst, geboren am 27. August 1885 im böhmischen Raudnitz, verbrachte seine Kindheit und Jugend in Wien, wo er ab 1901 Schauspielunterricht am Konservatorium nahm, nachdem die angestrebte Offizierskarriere an seiner Kurzsichtigkeit gescheitert war. Es folgten zahllose Engagements an Bühnen in Österreich, der Schweiz und Deutschland, bevor er 1912 am Deutschen Volkstheater in New York sein Regiedebüt gab. Auf der Heimreise wurde er vom Ausbruch des Ersten Weltkriegs überrascht und noch vor seiner Landung in Frankreich als feindlicher Ausländer festgesetzt. Während der vierjährigen Internierungszeit bei Brest organisierte er dort das Lagertheater. Pabst kehrte 1919 nach Wien zurück und wurde, neben diversen anderen Engagements, künstlerischer Leiter der avantgardistischen Neuen Wiener Bühne.
1921 begann seine Zusammenarbeit mit Carl Froelich, in dessen Abenteuerfilm "Im Banne der Kralle" er eine kleine Nebenrolle spielte. Pabst wurde Mitgesellschafter der ein Jahr zuvor gegründeten Froelich-Film GmbH, arbeitete als zweiter Regieassistent an "Der Taugenichts" (1921) und adaptierte gemeinsam mit Walter Supper Schillers "Kabale und Liebe" zu "Luise Millerin" (1922), einem Film, bei dem er auch die Regieassistenz übernahm.
Sein Regiedebüt gab Pabst 1922 mit der Froelich-Film-Produktion "Der Schatz", bei dem er gemeinsam mit Willi Hennings auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnete. Zwei Jahre später heiratete Pabst Hennings Schwester Gertrude, mit der er einen Sohn bekam.
Nach dem Henny-Porten-Film "Die Gräfin Donelli" (1923) gelang Pabst 1925 mit "Die freudlose Gasse" sein erster großer Erfolg. Der Film mit Greta Garbo, Asta Nielsen und Pabsts Lieblingsschauspieler Werner Krauß wurde von der Kritik gefeiert – zugleich aber von diversen Zensurbehörden in Europa und vom Importeur in den USA fast bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Bis heute gilt er als Meisterwerk des sozialkritischen Realismus, das Pabsts Ruf als Meister der "Neuen Sachlichkeit" begründete. Diese Kunstrichtung verstand sich als Abkehr vom filmischen Expressionismus, dessen Phantastik zugunsten einer detailgenauen, realistischen Beobachtung der "Dramen des Lebens" (Pabst) aufgegeben wurde.
1926 drehte Pabst für die UFA das "psychoanalytische Kammerspiel" "Geheimnisse einer Seele"; seine Pläne für ein deutsches Pendant zu Eisensteins "Panzerkreuzer Potemkin" blieben unrealisiert. Die Romanverfilmung "Die Liebe der Jeanne Ney" brachte Pabst die Kritik des Autors Ilja Ehrenburg ein, der die politische Sprengkraft seiner Vorlage zugunsten eines konventionellen Unterhaltungsfilms verwässert sah. Nach dem romantischen Ehedrama "Abwege" (1928) drehte Pabst "Die Büchse der Pandora", für den er seine Idealbesetzung in der Amerikanerin Louise Brooks fand, mit der er im folgenden Jahr auch "Tagebuch einer Verlorenen" inszenierte. Beide Filme, inzwischen Klassiker, wurden zu ihrer Entstehungszeit kontrovers diskutiert, "Tagebuch einer Verlorenen" zunächst gekürzt, dann verboten, und erst 1930 in einer von Hans H. Zerlett gekürzten und bearbeiteten Fassung wieder freigegeben.
1928 gründete Pabst zusammen mit anderen renommierten Filmschaffenden den Volksverband Filmkunst e.V. (später Volks-Film-Verband). Für Arnold Fanck übernahm er 1929 die Schauspielerführung bei den Dreharbeiten zu "Die weiße Hölle vom Piz Palü", bevor er 1930 mit "Westfront 1918. Vier von der Infantrie" seinen ersten Tonfilm realisierte. Die pazifistische Ausrichtung dieses Films, der für eine deutsch-französische Aussöhnung plädierte, zementierte seinen Ruf als der "rote Pabst".
Im selben Jahr kam es bei der Verfilmung der "3-Groschen-Oper" zum Bruch, bzw. Rechtsstreit mit Bertolt Brecht und Kurt Weill, die in Pabsts Inszenierung eine Verletzung ihrer "epischen" Grundidee sahen. Dennoch wurde der Film 1931 uraufgeführt, wobei es einmal mehr zu Problemen mit der Zensur kam (diesmal in Frankreich, wo die parallel gedrehte französische Version zunächst verboten, dann gekürzt freigegeben wurde), bevor der Film 1933 (ebenso wie "Westfront 1918") in Deutschland verboten wurde.
1931 übernahm Pabst für ein Jahr den Vorsitz der Dachorganisation der Filmschaffenden Deutschlands e.V. (DACHO) und inszenierte mit "Kameradschaft/La tragédie de la mine" eine Parabel über die Aussöhnung mit Frankreich. Als Anfang 1933 die Nationalsozialisten die politische Macht in Deutschland übernahmen, drehte Pabst gerade die internationale Co-Produktion "Don Quichotte" in Frankreich, wo er zunächst blieb und in unterschiedlichen Funktionen an mehreren Produktionen mitwirkte (u.a. als Regisseur bei "Du haut en bas" mit Jean Gabin, bei dem er eine ganze Reihe deutscher Emigranten wie Peter Lorre und Eugen Schüfftan beschäftigte). Obwohl er sich offen vom amerikanischen Filmwesen distanzierte, ging Pabst 1933 nach Hollywood, wo er 1934 einen einzigen Film, "A Modern Hero", inszenierte. Die Dreharbeiten waren von heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Verantwortlichen beim Studio Warner Bros. und dem Regisseur geprägt, der sich der streng regulierten Produktionsweise des amerikanischen Studiosystems nicht fügen mochte. Pabst verfasste in Hollywood vier Drehbücher, die allesamt nicht produziert wurden, so dass er 1936 enttäuscht nach Frankreich zurückkehrte, wo er mehrere Unterhaltungsfilme drehte.
Trotz seiner schlechten Erfahrungen beschloss Pabst 1939, in die USA zu emigrieren, wurde aber während eines Abschiedsbesuchs bei seiner Mutter in Österreich vom Kriegsbeginn überrascht. Als Ausreiseversuche über Rom scheiterten und ein Bruch ihn ans Krankenbett fesselte, blieb Pabst schließlich in Deutschland, was ihm den Ruf eines Opportunisten einbrachte.
Für die Bavaria inszenierte er während des "Dritten Reichs" "Komödianten" (1941) und "Paracelsus" (1943), Filme, die, wenn auch nicht offensiv nazistisch, so doch zumindest linientreu sind - beide Filme erhielten das Prädikat "staatspolitisch und künstlerisch (besonders) wertvoll". Leni Riefenstahl engagierte Pabst für die Schauspielerführung bei ihrer Produktion "Tiefland" (1940-44), doch es kam bald zum Streit und zur Beendigung der Zusammenarbeit. Seine letzte Regiearbeit während des Zweiten Weltkriegs, der Kriminalfilm "Der Fall Molander", blieb unvollendet. Weitere angekündigte Projekte wurden zuvor nicht realisiert, und manches spricht dafür, dass Pabst sich durch eine Hinhaltetaktik der Forderung Goebbels nach einem Propagandafilm zu entziehen suchte. Dennoch blieb seine Rolle während des Dritten Reichs umstritten, sein künstlerischer Ruf war zunächst ruiniert.
Nach Kriegsende blieb Pabst in Österreich. Es begann eine Phase der versuchten Rehabilitierung, in der er neben wenig erfolgreichen Genrefilmen immer wieder Projekte realisierte, die sich kritisch mit dem NS-Regime auseinandersetzen. Dazu zählen "Der Prozeß" (1948), für den Ernst Deutsch in Venedig mit dem Darstellerpreis ausgezeichnet wurde, "Duell mit dem Tod" (1949), den er für die von ihm gegründete Pabst-Kiba-Produktions GmbH inszenierte, sowie "Der letzte Akt" (1955), eine Darstellung der letzten Tage Adolf Hitlers, und das Stauffenberg-Drama "Es geschah am 20. Juli" (1955) mit Bernhard Wicki in der Hauptrolle.
Kommerziell zum Teil sehr erfolgreich ("Der letzte Akt" wurde in den USA zum Kassenhit), konnten diese Projekte jedoch künstlerisch nicht an Pabsts frühere Werke anknüpfen – ebenso wie die italienisch-französische Co-Produktion "La voce del silenzio" (1953), für die er auch das Drehbuch verfasste, und "Cosa da pazzi" (1953), den er für seine neugegründete Kronos-Film produzierte. Finanzieller Misserfolg zwang Pabst dazu, weiterhin Unterhaltungsfilme zu drehen. Einzig seine Operninszenierungen in der Arena von Verona brachten ihm den ersehnten Erfolg.
Im Jahr 1956 entstand Pabsts letzter Film, der zugleich auch sein einziger Farbfilm ist: "Durch die Wälder, durch die Auen", eine "romantische Symphonie" nach Motiven aus dem Leben Carl Maria von Webers.
Seit Mitte der 1950er Jahre litt Pabst an Diabetes. Als er 1957 an Parkinson erkrankte, musste er seine Filmarbeit endgültig beenden. 1965 ernannte ihn das österreichische Unterrichtsministerium zum Professor ehrenhalber. Seine geplante Biographie, die er mit seinem zweiten Sohn Michael (geb. 1941) verfassen wollte, blieb unvollendet. Am 29. Mai 1967 starb Georg Wilhelm Pabst in Wien an akuter Leberinfektion.