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Alle Fotos (29)Biografie
Werner Johannes Krauß wurde am 23. Juni 1884 in Gestungshausen bei Coburg als Sohn des Postbeamten Paul Krauß und dessen Frau Karoline Wust geboren. Krauß verbachte seine ersten Lebensjahre bei seinem Großvater, der aus einer Pfarrerfamilie stammte. Nach dessen Tod kam er 1887 nach Breslau, wo er mit seinen Eltern Kindheit und Jugend verbrachte. Er besuchte dort ab 1898 die evangelische Präparandenanstalt, um drei Jahre später auf Elternwunsch auf das Lehrerseminar in Kreuzburg/Oberschlesien zu wechseln.
Bereits während seiner Ausbildung als Lehrer zeigte er sich jedoch vom Schauspiel fasziniert, das er in Breslau kennenlernte. Am dortigen Lobe-Theater arbeitete Krauß als Komparse, was schließlich zum Konflikt mit seinen Lehramtsplänen führte. Er entschied sich, diese aufzugeben und nunmehr eine Schauspielkarriere anzustreben. Ohne formelle Ausbildung auf diesem Gebiet schloss er sich zunächst der Wander-Bühne Wagner an und erhielt 1903 ein erstes festes Engagement am Stadttheater Guben. Im Laufe der nächsten zehn Jahre versuchte sich Krauß an weiteren Stadttheatern, darunter Magdeburg, Bromberg, Aachen und Nürnberg. 1912/13 spielte er am Künstlertheater München, wo Max Reinhardt auf Empfehlung von Alexander Moissi auf den Schauspieler aufmerksam wurde und ihn schließlich am Deutschen Theater Berlin engagierte. Zunächst spielte Krauß dort nur kleine Rollen, feierte dann aber 1915 bei den Wedekindfestspielen in der Rolle des Lindekuh in "Musik" einen ersten Erfolg. Langsam, aber stetig und nicht ohne Auseinandersetzungen mit Reinhardt, entwickelte er sich zu einem der bedeutendsten Darsteller des Deutschen Theaters. Auch seine dreimonatige Einberufung als Marinekadett nach Kiel tat dem keinen Abbruch.
Nach Ende des Ersten Weltkriegs entdeckte Werner Krauß den Film für sich. 1916 debütierte er in der Rolle des Daperdutto in "Hoffmanns Erzählungen". Der Regisseur Richard Oswald, der Krauß mit 50 Mark Gage pro Drehtag für den Film gewinnen konnte, sollte ein wichtiger Kompagnon werden. Kraus spielte in dessen Unterhaltungsfilmen ‒ meist Detektivgeschichten und Melodramen ‒ häufig den abstoßenden Widerling, so zum Beispiel in "Dida Ibsens Geschichte" (1918) oder "Totentanz" (1919). Mit Robert Wienes "Das Cabinet des Dr. Caligari" (1920) feierte der Schauspieler, der die Titelfigur des Schaustellers und Direktors der Irrenanstalt spielte, seinen Durchbruch auch im Ausland. In den 1920er Jahren entwickelte sich Werner Krauß zu einem der eindruckvollsten deutschen Schauspieler, dessen Mimik und Gestik sowie seine körperliche Präsenz im Stummfilm besonders eindringlich zur Geltung kamen.
Neben Wiene arbeitete er unter anderem mit Friedrich Wilhelm Murnau in "Der brennende Acker" (1922) und spielte in der Rolle des Orgon an der Seite von Emil Jannings in "Tartüff" (1925). Auch mit Georg Wilhelm Pabst kam es zu fruchtbaren Zusammenarbeiten. In dessen stark zensiertem Sozialdrama "Die freudlose Gasse" gab Werner Krauß 1925 neben den Stars Asta Nielsen und Greta Garbo den ausbeuterischen Fleischermeister. In "Geheimnisse einer Seele" (1926), in dem Pabst die Anwendung der Psychoanalyse filmisch auslotete und insbesondere ungewöhnliche Traumsequenzen inszenierte, zeigte Krauß eindrucksvoll, was sich hinter der bürgerlichen Fassade eines Chemikers abspielt und an ihm zehrt. Während der 1920er Jahre blieb er ein rastloser Arbeiter, der nach eigenen Angaben in über einhundert Stummfilmen auftrat.
Zeitgleich zur Arbeit im Film war Werner Krauß weiterhin am Theater aktiv und begab sich mit dem Reinhardt-Ensemble auf Europa-Tourneen sowie 1923-1924 auf ein Gastspiel in New York, wo er in Karl Vollmoellers Pantomime "Das Mirakel" auftrat. Zurück in Deutschland spielte er nicht mehr nur am Deutschen Theater, sondern auch am Staatstheater Berlin (1924-1926 und 1931-1933) und am Wiener Burgtheater (1928-1929). Im September 1933 gab er in London den Geheimrat in Hauptmanns "Sonnenaufgang" auf Englisch. Obwohl er des Englischen eigentlich nicht mächtig war, gab Krauß eine so überzeugende Leistung, dass er von der englischen Bühnengenossenschaft zum Ehrenmitglied ernannt wurde. Viele seiner Theaterstücke wurden zudem verfilmt. Krauß spielte dann stets die gleiche Rolle wie auf der Bühne: Jago in "Othello" (1922), die Titelrolle in "Nathan der Weise" (1923), Shylock in "Der Kaufmann von Venedig" (1923), Zettel in "Ein Sommernachtstraum" (1925) und den Sekretär Theobald Maske in "Die Hose" (1927).
Mit der Ankunft des Tonfilms bekam Werner Krauß nur noch wenige Angebote für die Leinwand, spielte dort jedoch stets tragende Rollen. In Gustav Ucickys nationalistischem "Yorck" (1931) war er beispielsweise als General Yorck von Wartenberg in einer Hauptrolle zu sehen. Der politischen Richtung, die der Film einschlug, folgte auch Werner Krauß: Im Zuge der "Machtergreifung" 1933 zeigte er sich als Sympathisant der Nationalsozialisten, mit denen er sich arrangierte. Nach einem Engagement am Wiener Burgtheater, wo er 1933 den Napoleon in Benito Mussolinis Bühnenstück "Hundert Tage" spielte, sowie im Jahr darauf der Verfilmung des Stücks, traf er den italienischen Diktator persönlich. Danach folgten Treffen mit Goebbels und Hitler, die ihn als kulturellen Repräsentanten des Nationalsozialismus schätzten. So wurde Krauß 1934 zum Staatsschauspieler ernannt und von 1933 bis 1935 zum stellvertretenden Präsidenten der dem Propagandaministerium zugeordneten Reichstheaterkammer gemacht. 1940 verkörperte er in fünf unterschiedlichen Rollen verschiedene judenfeindliche Klischees in Veit Harlans zutiefst antisemitischem Propagandawerk "Jüd Süß". Vier Jahre später wurde der Schauspieler auf die "Gottbegnadeten-Liste" gesetzt und so vom Kriegseinsatz verschont.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Werner Krauß 1946 aus Österreich ausgewiesen, wo er zuletzt gelebt hatte. Im Zuge der Entnazifizierung wurde er wegen seiner Beteiligung an "Jud Süß" verhaftet und in Stuttgart nach drei Spruchkammerverfahren im Mai 1948 schließlich als "Minderbelasteter" eingestuft. Krauß wurde zur Zahlung von 5000 Mark verurteilt, was zehn Prozent seiner Gage für "Jud Süß" entsprach. Danach kehrte er nach Österreich zurück, wo er Staatsbürger wurde, sowie erneut Mitglied des Burgtheaters, dessen Ensemble er bis zu seinem Tod angehörte. Bei seinem ersten Gastspiel in Berlin 1950 kam es zu heftigen Protesten von Studierenden und Teilen der jüdischen Gemeinde. 1954 wurde Krauß, ebenfalls begleitet von Protesten, das Bundesverdienstkreuz verliehen. Darüber hinaus wurde ihm im gleichen Jahr der Iffland-Ring übergeben. 1955 war er in "Sohn ohne Heimat" zum letzten Mal auf der Leinwand zu sehen. Zudem erhielt er das Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich.
Kraus war dreimal verheiratet: Mit Paula Saenger von 1908-1930, mit der er Sohn Egon (geb. 1913) hatte, mit Maria Bard von 1931-1940 und zuletzt ab 1940 mit Liselotte Graf (Sohn Gregor, geb. 1945).
Im Alter von 75 Jahren starb Werner Krauß, der noch im Herbst 1958 als König Lear auf der Bühne des Burgtheaters gestanden hatte, nach längerer Krankheit am 20. Oktober 1959 in Wien. Dort wurde er in einem Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof beigesetzt.