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Henny Frieda Ulrike Porten wird am 7. Januar 1890 als zweite Tochter des Opernbaritons Franz Porten und seiner Frau Wincenzia, geb. Wybiral, in Magdeburg geboren. Sie wächst in Breslau und bei den Großeltern in Ehrang auf, bis Franz Porten 1894 ans Stadttheater Dortmund geht, das er im folgenden Jahr pachtet und an dem Henny erste Kinderrollen spielt ("Die Waise von Lowood"). Nach dem Verlust des Theaters verarmt, zieht die Familie vermutlich noch 1895 nach Berlin. Henny Porten besucht die DeMugica-Schule für höhere Töchter in Moabit, wirkt in Schulaufführungen mit und tritt mit ihrer Schwester Rosa (l884-?) bei Vereinsveranstaltungen auf, u.a. mit dem Couplet "Meißner Porzellan", in dem Henny den Rokoko-Kavalier und Rosa die Dame gibt. Im Januar 1906 erhält Franz Porten von Oskar Messter den Auftrag, sechs "Biophon"-Tonbilder zu inszenieren; so kommen die Geschwister mit "Meissner Porzellan" zum Film.
Nach dem Schulabschluss (ca. 1907) spielt Henny Porten in zahlreichen Tonbildern, überwiegend für die Deutsche Mutoskop- und Biograph GmbH, die gleichzeitig in deren "Mutoskop"-Guckkästen eingesetzt werden (die wenigsten dieser Filme sind heute nachzuweisen). Sie muss lippensynchron und oft in drei Sprachen zu Grammophon-Aufnahmen singen. Diese Arbeit lässt Porten auch ohne Schauspielausbildung zu einer versierten und gesuchten Darstellerin werden: "Ich habe meine Arbeit für den Film von Anfang an sehr ernst genommen. Ich habe an ihn und seine künstlerischen Möglichkeiten geglaubt, als ihn noch niemand ernst nahm und als es auch tatsächlich nicht leicht war, ihn ernst zu nehmen." (Porten, 1932). 1910 spielt sie auch in stummen Spielfilmen, u.a. für Messters Projektion, die sie ebenfalls in dreidimensionalen "Alabastra"-Filmen einsetzt (keine Titel überliefert).
Nach dem Exodus in der Filmindustrie zu Weltkriegsbeginn – u.a. wird Curt A. Stark eingezogen, Messter meldet sich freiwillig, die Kameramänner Carl Froelich und Hans Theyer sowie viele Techniker fallen aus – initiiert Henny Porten 1915 angeblich persönlich die Wiederaufnahme der Filmarbeit ("Das Ende vom Liede"). Die Regie übernimmt nun Rudolf Biebrach, der in früheren Filmen oft ihr Partner als "Filmvater" gewesen ist. Curt A. Stark fällt am 2.10.1916.
Porten-Filme, zu deren Team seit 1916 Robert Wiene als Autor, Ludwig Kainer als Architekt und Karl Freund als Kameramann gehören, stehen an der Spitze deutscher Kinoerfolge. Nunmehr hat Porten bei Messter Jahresverträge; im Februar 1917 geht sie einen Drei-Jahreskontrakt ein. Mit dem Verkauf des Messter-Konzerns an die neugegründete Universum Film-AG (Ufa) wird Portens Vertrag (gegen ihren Willen) transferiert.
Nach einigen mittelgroßen Produktionen bei der Ufa kann sie Gerhart Hauptmann zur Freigabe der Verfilmung seines Schauspiels "Rose Bernd" gewinnen; die Premiere am 5.10.1919 wird zum Erfolg und Prestigegewinn der Kinematographie beim deutschen Bildungsbürgertum und bei der Kritik.
Es folgen mit "Monica Vogelsang" und "Anna Boleyn" (mit Emil Jannings als Heinrich VIII.) die bis dahin teuersten Ufa-Großprojekte. Beide sind im Ausland, besonders in den USA, sehr erfolgreich; letzterer spielt unter dem Titel "Deception" ein Mehrfaches seiner Produktionskosten ein. Hollywood interessiert sich für die Stars. Jannings folgt der Einladung, Porten gründet im März 1921 im Rahmen von Hanns Lippmanns Gloria-Film die Henny Porten-Film GmbH; da ihr Ufa-Vertrag noch nicht ausgelaufen ist, muss Porten Mitsprache und Auswertungsrechte seitens der Ufa akzeptieren.
Am 24.6.1921 heiratet Henny Porten den Arzt Wilhelm von Kaufmann-Asser, Leiter des Sanatoriums "Wiggers Kurheim" in Garmisch-Partenkirchen. Er übernimmt ab 1921 die Produktionsleitung bei Portens Filmen. Nach dem Kassenerfolg "Die Geier-Wally" produziert Porten das ambitionierte Kammerspiel "Hintertreppe". Von der Kritik hoch gelobt, wird der Film ein finanzieller Misserfolg. Nach drei weiteren erfolglosen Filmen und einem Zerwürfnis mit Lippmann geht ihre Firma 1923 in Konkurs. Vor dem Hintergrund des "Ruhrkampfes" kommt es zum Boykottaufruf gegen Henny Porten, da kolportiert wird, sie Filme für die französische Firma Gaumont ("Die Liebe einer Königin") und man ihr frühere antideutsche Arbeiten vorwirft ("Der Feind im Land"; "Bergnacht"). 1923/24 gilt sie als "Kassenschreck" und findet nur mühsam und durch Unterstützung des vormals von ihr geförderten E. A. Dupont und ehemaliger Messter-Kollegen wie Maxim Galitzenstein, Robert Wiene oder Carl Froelich Beschäftigung.
Zum neuerlichen Durchbruch verhilft ihr das von Froelich produzierte und inszenierte Rührstück "Mutter und Kind". Am 26.9.1924 erfolgt in Berlin die Gründung der Henny Porten-Froelich Produktion GmbH, an der Porten, Froelich und Wilhelm von Kaufmann beteiligt sind. Bis 1929 entstehen 15 Filme, solides Handwerk fürs breite Publikum, Experimente werden gemieden.
Um 1927/28 scheint der Erfolg nachzulassen. 1929 wird die Verbindung gelöst, Froelich wechselt zum Tonfilm, das Ehepaar Porten-Kaufmann führt die Firma unter dem Namen Henny Porten Film-Produktion GmbH allein weiter und stellt zunächst zwei überraschend erfolgreiche Stummfilme her. Den Verleih besorgt die im Juli 1929 von Porten-Film und Seymour Nebenzahls Nero-Film gegründete Vereinigte Star-Film GmbH.
Mit G. W. Pabst als Regisseur wagt Porten 1930 in "Skandal um Eva" ihr Tonfilmdebüt, das sie mühelos besteht. Im folgenden Jahr realisiert sie das seit langem geplante Projekt "Luise, Königin von Preußen", an dem ihre Firma im Sommer 1932 in Konkurs geht. Zunächst äußerst kontrovers aufgenommen – wegen Pazifismus von rechten Kreisen angegriffen, wegen preußischen Militärgeistes von Linken befehdet –, wird der Film vom Verleih um 600 Meter gekürzt und läuft ab Herbst 1932 in einer zu kritiklosem Militarismus entstellten Form. Porten gilt nach diesem Projekt in der Filmbranche als Risiko, erhält keine Aufträge und nimmt Zuflucht zur Bühne; 1932 geht sie mit "Madame Sans-Gêne" auf Tournee durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. 1933 spielt sie in Dresden und Berlin die Doppelrolle als "Eva oder Yvonne" (zuerst "Morgen um fünf").
Zu neuerlichem Erfolg beim Film verhilft ihr das im Herbst 1933 von Hans Steinhoff inszenierte Ton-Remake "Mutter und Kind"; sie hat einen Auftritt im Winterhilfswerk-Kurzfilm "Alle machen mit". Da sie sich weigert, sich von ihrem jüdischen Mann scheiden zu lassen, wird ihr – voran durch Joseph Goebbels – die Weiterbeschäftigung beim Film erschwert. Sie erhält bis 1943 sechs kleinere Rollen, wird 1937 gegen Gage von der Tobis eingestellt, jedoch nicht besetzt.
Mehrfacher Wohnungswechsel, wirtschaftliche Probleme, zermürbender Nervenkrieg, Anfeindung in der Presse und Nachbarschaft und die stets drohende Verhaftung und Deportation Kaufmanns stehen neben Gunstbeweisen von Altbranche und treuen Fans. 1943 gibt ihr der seit 1939 als Reichsfilmkammer-Präsident amtierende Froelich die Hauptrolle des Zweiteilers "Familie Buchholz"/ "Neigungsehe", einem Aufmunterungsfilm für das in Trümmern lebende Publikum.
Nach Kriegsende lebt Porten in Ratzeburg, wo ihr Mann ein Behelfskrankenhaus für Flüchtlinge einrichtet. 1947 spielt sie in Lübeck und Hamburg Theater, 1949 gibt ihr die Hamburger Real-Film eine kleine Nebenrolle in "Absender unbekannt", sonst macht der westdeutsche Film keine akzeptablen Angebote. Sie folgt einer Einladung der DEFA und reist am 17.6.1953 in die DDR ("Carola Lamberti"; "Das Fräulein von Scuderi"). Ihr Schritt wird in der Westpresse vorwiegend als "Überlaufen" verketzert. 1955 kehrt sie nach Ratzeburg zurück; das Ehepaar wird vom Hauswirt exmittiert, ihr Mann verliert die Praxis, Porten bittet über die Presse erfolglos um Beschäftigung beim Film.
1957 Umzug nach Berlin, wo Wilhelm von Kaufmann am 21.10.1959 stirbt. Henny Porten, der im Mai 1960 das Bundesverdienstkreuz verliehen wird, stirbt nach schwerer Krankheit am 15. Oktober 1960 in Berlin. 1985 erklärt der Berliner Senat ihr Grab auf dem Kirchhof der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Gemeinde zum Ehrengrab, 1986 wird ihr eine Retrospektive anläßlich der Berliner Filmfestspiele gewidmet.
CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film
© 1984ff edition text+kritik im Richard Boorberg Verlag, München.