Winnie Markus
Winifred Maria Eveline Markus wurde am 16. Mai 1921 in Prag, Tschechoslowakei, als Tochter einer großbürgerlichen deutschen Familie geboren. Nach dem Abschluss des Englischen Gymnasiums nahm sie Ballettunterricht und bewarb sich 1937, mit nur 16 Jahren, am Max-Reinhardt-Seminar in Wien. Bis 1939 absolvierte sie dort eine Schauspielausbildung: "Eigentlich dauerte die Ausbildung drei Jahre", erzählte Markus 2001 in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk, "aber ich galt scheinbar als nicht unbegabt und durfte daher ein Jahr vorher abgehen". Noch während dieser Ausbildung stand sie am Schönbrunner Schloßtheater in "Ein Sommernachtstraum" auf der Bühne. Direkt nach ihrem Abschluss sprach sie 1939 am Wiener Theater in der Josefstadt vor – auch dank des Intendanten Heinz Hilpert, der ihr Talent bei einer Schauspielschüleraufführung erkannt hatte. Sie erhielt prompt eine Hauptrolle in "Die gute Sieben" und wirkte bis 1945 in einer Reihe hochkarätiger Inszenierungen mit, etwa als Irina in "Drei Schwestern".
Ihr Filmdebüt gab Winnie Markus 1939 als Wiener Wäschermädel und Tochter von Käthe Dorschs Titelfigur in "Mutterliebe" – der Beginn einer großen Leinwandkarriere. "Während der Dreharbeiten waren irgendwie plötzlich Leute von der Terra-Film anwesend", so Markus im BR-Interview, "Noch am selben Tag musste ich dann zu Probeaufnahmen nach Berlin fahren. So bin ich zur Terra-Film gekommen. Der Film, den wir dann gemacht haben, hieß 'Brand im Ozean'. In diesem [in Mittelamerika angesiedelten] Film musste ich eine ganz entgegensetzte Rolle spielen (…) ich bekam eine dunkle Dreiviertel-Perücke und meine vorderen blonden Haare wurden angeschwärzt. So wurde die Juanita aus mir gemacht."
In direktem Anschluss spielte Markus eine Schlüsselrolle in "Die Geierwally" (1940), als uneheliche Tochter des Jägers Brandl (Sepp Rist). Bis Kriegsende folgten weitere prägnante Auftritte in rund 25 Ufa-Produktionen. Mit Filmen wie der Mozart-Biografie "Wen die Götter lieben" (1942), den Liebesgeschichten "Sommerliebe" (1942) und "Gefährlicher Frühling" (1943), dem Schwank "Der verkaufte Großvater" (1942) und der beschwingten Romanze "Fahrt ins Abenteuer" (1943) wurde sie bekannt, aber noch kein echter Star. Das ungewöhnliche, poetische Liebesdrama "Der verzauberte Tag" (1944) von Peter Pewas wurde von der NS-Zensur verboten. "Ich muss sagen, dass ich da in sehr schönen Filmen mitgemacht habe", so Markus 2001, "Ich habe auch nie in Filmen gespielt, die irgendwie politisch oder tendenziös gewesen wären. Dafür war ich sehr dankbar."
Unmittelbar vor Kriegsende erlitt Markus in Berlin eine schwere Schussverletzung am linken Bein, die ein angetrunkener russischer Soldat unbeabsichtigt herbeigeführt hatte: "Mein Gott, das war halt ein junger Mensch gewesen, der über ein verwüstetes Land gekommen ist. Er hat auch nicht mit Absicht geschossen", so Markus rückblickend. Die langwierige Genesung verhinderte die geplante Rückkehr nach Wien. Kurzerhand machte sie aus der Not eine Tugend und wirkte im November 1945 – mit Gipsbein – in der Eröffnungsaufführung des neu gegründeten Schlossparktheaters Steglitz mit: in der weiblichen Hauptrolle der Curt-Goetz-Komödie "Hokuspokus", an der Seite von Hans Söhnker. Auch mit ihrem "Entdecker" Heinz Hilpert arbeitete sie in der Nachkriegszeit zusammen.
Ihre Filmkarriere konnte Markus' ebenfalls nahtlos fortsetzen. Zusammen mit Viktor de Kowa gründete sie in Berlin die Studio 45-Film GmbH, die 1946 den ersten westdeutschen Film nach dem Zweiten Weltkrieg produzierte: "Sag' die Wahrheit" (Regie: Helmut Weiss). Allerdings stellte die Firma ihren Betrieb bereits 1947 nach nur drei Filmen wieder ein.
Weitaus erfolgreicher war Markus als Schauspielerin: Ihre erste Rolle nach dem Krieg spielte sie unter der Regie Helmut Käutners in dem Trümmerfilm-Klassiker "In jenen Tagen" (1947), als Freundin eines von den Nazis verfolgten Mannes. Weniger positiv wurde Harald Brauns entschuldigendes Heimkehrerdrama "Zwischen gestern und morgen" (1947) aufgenommen, in dem sie erneut die Liebe eines von den Nazis verfolgten Mannes verkörperte. Viel Kritikerlob erhielt dafür die Artur-Brauner-Produktion "Morituri" (1948, Regie: Eugen York), nach einer Erzählung von Anna Seghers, einer der ersten deutschen Spielfilme, der sich mit dem Holocaust auseinandersetzte.
Bis Ende der 1950er Jahre wirkte Markus in rund 30 Kinoproduktionen mit, meist leichtere Unterhaltungsfilme. Weit mehr als vor 1945 war sie eine gefragte Schauspielerin und avancierte beim Publikum zum überaus populären Star. Den besonderen Reiz ihres Spiels beschrieb ein Kritiker einmal als "ungewöhnliche Synthese aus bürgerlicher Sittenstrenge und weiblichem Charme".
Zu ihren bekanntesten Filmen zählen das Ehedrama "Du mein stilles Tal" (1955) und das Melodram "Teufel in Seide" (1955), beide mit Curd Jürgens als Partner, das Melodram "Frauenarzt Dr. Bertram" mit Willy Birgel in der Titelrolle, sowie die Filmbiografie "Made in Germany", über den Physiker Ernst Abbe.
Markus' häufigster Leinwandpartner war Rudolf Prack, der bereits in ihrem Debütfilm "Mutterliebe" mitgewirkt hatte, und mit dem sie zwischen 1952 und 1960 zehn Filme drehte. In Werken wie "Kaiserwalzer" (1953), "Kaisermanöver" (1954) und "Roman eines Frauenarztes" (1954) bildeten die beiden zauberhafte Liebespaare. Ernsterer Stoff war das romantische Drama "Mayerling" (AT 1956), eine Verfilmung der "Affäre Mayerling" um den Doppelselbstmord des österreichischen Kronprinzen Rudolf und seiner Geliebten auf dem Jagdschloss Mayerling im Januar 1889. Mit Prack drehte Markus auch ihren letzten Kinofilm "Ein Herz braucht Liebe" (1960).
Kurz nach der Heirat mit dem Unternehmer und "Salzbaron" Carl Adolf Vogel 1959 zog sie sich aus dem Filmgeschäft zurück und lebte auf Schloss Fuschl im Salzkammergut. Dort übernahm sie vor allem repräsentative Pflichten im weitläufigen Geschäftsimperium ihres Mannes. Die beiden galten als ein Traumpaar des Jetsets. 1976 musste Vogel jedoch Insolvenz anmelden, sein gesamter Besitz wurde 1977 zwangsversteigert.
1980 kehrte Markus zur Schauspielerei zurück. Im Kino konnte sie nicht mehr Fuß fassen, also konzentrierte sie sich auf die Theaterarbeit. Sie ging mit dem Wiener Burgtheater auf Tournee und wurde an Berliner und Münchner Theatern gefeiert. Zu ihren größten Erfolgen gehörten Anfang der 1980er Jahre die Titelrollen in Somerset Maughams "Bezaubernde Julia" (1981, Renaissance-Theater Berlin) und "Lady Frederick" (1983, Kleine Komödie München). Bei der Uraufführung von Curth Flatows Lustspiel "Romeo mit grauen Schläfen" an der Kleinen Komödie München stand sie 1985 mit Axel von Ambesser auf der Bühne.
1986 wurde sie beim Deutschen Filmpreis mit einem Ehrenpreis für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. 1988 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz.
Im Fernsehen hatte Markus von 1989 bis 1993 in der Erfolgsserie "Zwei Münchner in Hamburg" eine zentrale Rolle als Mutter von Uschi Glas' Hauptfigur. In der Serie "Der Bergdoktor" gab sie von 1992 bis 1995 eine elegante ältere Dame. Daneben übernahm sie vereinzelte Gastrollen in weiteren Serien, etwa "Das Traumschiff" (1999). Ihre letzte Fernsehrolle hatte sie in einer Folge der Reihe "Rosamunde Pilcher" (2001).
Ebenfalls 2001 konnte Markus noch einmal einen Bühnenerfolg feiern: In dem Zwei-Personen-Stück "Zyanid um fünf" von Pavel Kohout begeisterte sie zusammen mit ihrer tschechischen Partnerin Jitka Frantová im Berliner Hansa Theater das Publikum. "Ohne die Arbeit am Theater wäre ich sehr unglücklich", sagte die 80-Jährige damals, "Ich bin froh und glücklich, dass ich das in meinem Alter noch schaffe".
Die Proben zu ihrem nächsten Stück, "Was zählt, ist die Familie", musste sie Anfang 2002 in München wegen einer Lungenzündung abbrechen. Sie erholte sich nicht mehr. Am 8. März 2002 starb Winnie Markus in München. Ihr Nachlass wird vom DFF - Deutsches Filminstitut & Filmmuseum in Frankfurt verwaltet.