Fotogalerie
Alle Fotos (3)Biografie
Robert Adolf Ferdinand Stemmle wurde am 10. Juni 1903 in Magdeburg geboren. Nach dem Abitur besuchte er die Lehrerpräparandenanstalt in Genthin, wo er 1923 das Examen ablegte (Stemmles Vater war Volksschullehrer). Allerdings stieg er nicht sofort in den Lehrerberuf ein, sondern schloss sich dem Wandertheater von Walther Blachetta an, der "Blachetta-Truppe". Nach zwei Theaterjahren ging Stemmle 1925 an die reformpädagogische Versuchsschule in Magdeburg, wo er bis 1927 als Lehrer arbeitete – es blieb sein einziges Zwischenspiel in diesem Beruf. Parallel dazu gründete er ein Handpuppentheater, mit dem er 1927 in Gastspielen des Bühnenvolksbundes und auf der Deutschen Theaterausstellung in Magdeburg auftrat. Angespornt von diesen Erfolgen gab Stemmle die Laufbahn als Lehrer endgültig auf, um sich ganz der Bühnenkunst zu widmen.
1928 zog er nach Berlin, wo er ein Studium in den Fächern Germanistik und Theaterwissenschaft begann. Im Dezember 1928 wurde sein eigenes Stück "Hans Dampf" am Landestheater Meiningen uraufgeführt. Im Jahr darauf gründete er zusammen mit Hans Deppe und Werner Finck das Berliner Kabarett "Die Katakombe". Er schrieb mehrere Bühnenstücke, so etwa die satirische Arbeitslosenkomödie "30 002 will arbeiten" (1930) und das sozialkritische Stück "Und Bronte schweigt dazu" (1930). Regieerfahrungen sammelte er als Assistent von Max Reinhardt, Erik Charell und Ludwig Berger. 1930 erhielt er bei der Tobis Film eine Stelle als Chefdramaturg. Zu größerer Bekanntheit kam er allerdings mit der Schulkomödie "Kampf um Kitsch" mit Therese Giehse, die im Herbst 1931 an der Volksbühne Berlin Premiere feierte. Für die proletarische Ballade "Mann im Beton“ schrieb er 1932 zusammen mit Günther Weisenborn das Libretto; eine mit Ödon von Horváth begonnene Revue für Max Reinhardt blieb unvollendet.
Sein erstes Filmdrehbuch schrieb Robert A. Stemmle gemeinsam mit Kurt Siodmak und Max W. Kimmich: "Die unsichtbare Front" (1932), ein Spionagethriller, bei dem Richard Eichberg Regie führte. Direkt im Anschluss folgte der Luis-Trenker-Film "Der Rebell. Die Feuer rufen" (1932, zusammen mit Walter Schmidkunz und Henry Kosterlitz). 1933 drehte Johannes Meyer nach dem Bühnenstück von Stemmle und Hans Szekely die Kriminalkomödie "Die schönen Tage von Aranjuez" (Buch: Peter Francke, Walter Wassermann); parallel entstand eine französische Version ("Adieu les beaux jours"), ebenfalls unter Meyers Regie, allerdings mit Jean Gabin in der männlichen Hauptrolle; 1935 wurde der Stoff in Hollywood unter dem Titel "Desire" von Frank Borzage unter der künstlerischen Oberleitung von Ernst Lubitsch erneut verfilmt, diesmal mit Marlene Dietrich (anstelle von Brigitte Helm) in einer Hauptrolle.
Nach weiteren Drehbucharbeiten, etwa für die Carl-Boese-Filme "Lisetta" (1933) und "Das Blumenmädchen vom Grand-Hotel" (1933), führte Stemmle Ende 1933 erstmals selbst Regie: die Komödie "So ein Flegel", nach Heinrich Spoerls Roman "Feuerzangenbowle", war ein großer Erfolg und bescherte sowohl Stemmle, als auch dem Hauptdarsteller mit Heinz Rühmann den großen Durchbruch (Rühmann spielte auch die Hauptrolle in Helmut Weiss' bekannterer Neuverfilmung von 1944). Mit den Filmen "Charleys Tante" (1934) und "Heinz im Mond" (1934, erneut mit Heinz Rühmann) untermauerte Stemmle seinen Ruf als versierter Autor und Regisseur publikumsträchtiger Unterhaltungsfilme. Neben seinen eigenen Filmen schrieb er einige Drehbücher für Carl Froelich, darunter die Liebeskomödie "Krach um Jolanthe" (1934) und die Krimis "Oberwachtmeister Schwenke" (1935) und "Ich war Jack Mortimer" (1935). Regisseure und Schauspieler schätzten seine Arbeit auch deshalb, weil seine Drehbücher meist wie Erzählungen lesbar blieben, während seine Erzählungen direkt spielbare Dialoge enthielten.
Ab 1935 arbeitete Stemmle als Regisseur und Drehbuchautor zunächst vorwiegend für die UFA, ab 1939 (auch) für die Bavaria und die Tobis. Er schrieb und inszenierte Erfolgsfilme und Klassiker wie die Milieustudie "Gleisdreieck" (1936), die Kriminalkomödie "Der Mann, der Sherlock Holmes war" (1937), das Liebes- und Erfinderdrama "Kleiner Mann - ganz groß" (1938) und die dramatische Verwechslungsgeschichte "Golowin geht durch die Stadt" (1940). Filme wie das die Weimarer Republik denunzierende Gesellschaftsdrama "Am seidenen Faden" (1938), der Reichsautobahnfilm "Mann für Mann" (1939) und das Flieger-Lustspiel "Quax, der Bruchpilot" (1941) entsprachen ideologisch den Vorstellungen des NS-Regimes, zeichneten sich zugleich aber durch einen im NS-Film ungewohnten Realismus aus. Allerdings zeichnete Stemmle auch für Drehbuch (zusammen mit Otto Bernhard Wendler und Horst Kerutt) und Regie des einschlägigen NS-Propagandafilms "Jungens" (1941) verantwortlich, der Kameradschaft und Vertrauen in der Hitler-Jugend feierte. Bis zum Kriegsende und der Befreiung Deutschlands im Jahr 1945 drehte er noch einige Unterhaltungsfilme, darunter den Fußballerfilm "Das große Spiel" (1942) und den Theo-Lingen-Klassiker "Johann" (1943).
Trotz "Jungens", der bis heute zu den Vorbehaltsfilmen aus der NS-Zeit gehört, durfte Stemmle nach Kriegsende uneingeschränkt weiterarbeiten. Er war als Regisseur an Theatern in Heidelberg, München und Berlin tätig; so inszenierte er beispielsweise im Berliner Hebbel Theater die Oper "Die Kluge". 1946 gründete er in München das Kabarett "Gonghaus" und unterrichtete bis 1948 an der Schauspielschule der Kammerspiele. Von 1947 bis 1949 war er zudem Sendeleiter der Berliner Hörspielabteilung des NWDR; er schrieb und realisierte auch mehrere Hörspiele, darunter "Viktoria" (nach dem Roman von Knut Hamsun).
1947 startete Stemmles Hans-Moser-Komöde "Geld ins Haus" in den Kinos, die allerdings schon 1944/45, also noch unter dem NS-Regime, gedreht worden war. Mit dem Drehbuch zu Gustav Fröhlichs "Wege zum Licht" kehrte er im gleichen Jahr zur Filmarbeit zurück. Anschließend schrieb er nach seinem eigenen Tatsachenroman das Drehbuch des DEFA-Films "Affaire Blum" (1948, Regie: Erich Engel; auch als Hörspiel, Fernsehspiel und Theaterstück adaptiert). Darin rekonstruierte er realitätsnah und faktentreu die Vorgänge eines Magdeburger Justizskandals von 1925/26, bei dem ein jüdischer Fabrikant von einem deutschnationalen Untersuchungsrichter unschuldig wegen Raubmordes angeklagt wurde.
Ebenfalls 1948 drehte Stemmle in West-Berlin "Berliner Ballade", eine satirische Gesellschaftskomödie mit Gert Fröbe in der Hauptrolle. Der Film war 1950 für den British Academy Film Award nominiert. Bei den Filmfestspielen von Venedig erhielt er einen Sonderpreis für die "geistvolle Darstellung der deutschen Nachkriegsverhältnisse". Der Name von Fröbes Hauptfigur, Otto Normalverbraucher, fand Eingang in die deutsche Sprache und avancierte zu einem feststehenden Begriff für den typischen Durchschnittskonsumenten. Als Versuch einer italienischen Version dieses Films inszenierte Stemmle im Auftrag des Produzenten Giorgio Venturini "Abbiamo vinto" (1951).
Bis Ende der 1950er Jahre drehte Stemmle noch eine ganze Reihe populärer Unterhaltungsfilme. Als prominente Beispiele seien hier der Familienfilm "Toxi" (1952), die Kästner-Adaption "Emil und die Detektive" (1954) und das Lustspiel "Majestät auf Abwegen" (1958) nach Sinclair Lewis genannt. Cineastischen Ehrgeiz entwickelte er dabei vor allem auf technischem Gebiet: aus Italien übernahm er bei dem sozialkritischen Drama "Sündige Grenze" (1951) das Verfahren, Filme stumm zu drehen und nachzusynchronisieren; bei "Toxi" arbeitete er mit langen Einstellungen, der Film hat kaum über hundert Schnitte; auch sonst spiegelte sich in Stemmles Einsatz der Kamera, sowie dem Umgang mit Musik und Ton seine intensive Beschäftigung mit den Filmen Alfred Hitchcocks wider. Von 1955 bis 1957 war er Inhaber der Produktionsfirma Maxim Film GmbH Berlin. "Die unvollkommene Ehe" (AT 1959) mit Paula Wessely und Johannes Heesters war seine letzte Regiearbeit fürs Kino.
Als Autor hingegen schrieb Stemmle noch bis Mitte der 1960er zahlreiche Drehbücher für Kinofilme anderer Regisseure, darunter Klassiker wie die sozialkritische Hauptmann-Adaption "Der Biberpelz" (1949, Regie: Erich Engel), Julien Duviviers "Das kunstseidene Mädchen" (DE/IT/FR 1960), der Thriller "Das Testament des Dr. Mabuse" (1962), Edgar-Wallace-Krimis wie "Der Henker von London" (1963) und Karl-May-Filme wie "Old Shatterhand" (DE/FR/IT 1964).
Ab 1962 arbeitete Robert A. Stemmle als Autor und Regisseur gelegentlich und ab 1965 ausschließlich fürs Fernsehen. Falk Harnacks Fallada-Verfilmung "Jeder stirbt für sich allein" (1962), zu der Stemmle das Drehbuch verfasste, zählt heute zu den wichtigsten deutschen (Fernseh)filmen der 1960er-Jahre. In seinen eigenen Fernsehspielen schlug sich nicht zuletzt seine Vorliebe für Kriminalgeschichten nieder, wobei er fast immer authentische Fälle verarbeitete – seine umfangreiche Bibliothek umfasste unter anderem mehre hundert Bände an Kriminalakten. Er drehte unter anderem die Dreiteiler "Der Fall Rohrbach" (1963) und "Der Fall Kaspar Hauser" (1966), war Autor und Regisseur der Reihe "Recht oder Unrecht" (1970) über reale Kriminalfälle und schrieb und inszenierte einige Folgen von "Unter Ausschluß der Öffentlichkeit" (1973), einer Vorabendserie über Jugendkriminalität.
Neben seiner Bühnen- und Filmarbeit publizierte Stemmle ab den 1950er Jahren auch Anekdoten-, Moritaten- und Balladensammlungen und schrieb Romane. Gemeinsam mit Herrmann Mostar gab er zwischen 1963 und 1969 insgesamt 15 Bände von "Der neue Pitaval" heraus, einer "Sammlung berühmter und merkwürdiger Kriminalfälle".
Stemmle war in erster Ehe mit der Schauspielerin Gerda Maurus verheiratet; nach deren Tod heiratete er 1968 seine langjährige Mitarbeiterin Anneliese Lippert. 1973 wurde er beim Deutschen Filmpreis für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Bei den Dreharbeiten zu einer TV-Produktion in Baden-Baden erlitt Stemmle im Februar 1974 einen Herzanfall und starb wenig später, am 24. Februar 1974.