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Edgar Selge, geboren am 27. März 1948 in Brilon, studierte in München und Dublin Philosophie und Germanistik, anschließend Schauspielerei an der Otto-Falckenberg-Schule in München, Abschluss 1975. Von 1975 bis 1979 war er Ensemblemitglied am Schillertheater Berlin, anschließend bis 1996 festes Mitglied der Kammerspiele München. Außerdem gastierte er unter anderem am Burgtheater Wien und am Schauspielhaus Zürich. Furore machte seine Verkörperung von Goethes "Faust" am Hamburger Schauspielhaus in der Inszenierung von Jan Bosse im Jahr 2004.
Seinem ersten Film, dem Gemeinschaftsprojekt "Krieg und Frieden" (1982) von Alexander Kluge, Volker Schlöndorff, Stefan Aust und Axel Engstfeld folgten ab Mitte der achtziger Jahre zahlreiche Auftritte besonders in TV-Filmen und Serien, zum Beispiel "Kir Royal" (1986) von Helmut Dietl, doch auch Kinorollen wie etwa "Im Kreis der Lieben" (1991) von Hermine Huntgeburth und "Abgetrieben" (1992) von Norbert Kückelmann.
Für Klaus Krämers Komödie "Drei Chinesen mit dem Kontrabass" wurde er mit dem Deutschen Filmpreis 2000 für die beste Nebenrolle ausgezeichnet. Er spielte den Wissenschaftler in Oliver Hirschbiegels "Das Experiment" und den Dr. Jekyll in Oskar Roehlers "Suck My Dick" (beide 2001). Weitere Kinorollen hatte er unter anderem in den Komödien "Im Schwitzkasten" (2005) von Eoin Moore und "Reine Geschmacksache" (2007) von Ingo Rasper, in dem er einen Damenoberbekleidungs-Vertreter in Geldnöten spielt.
Seit 1998 verkörpert Selge auch den einarmigen Kriminalhauptkommissar Jürgen Tauber in "Polizeiruf 110" des Bayerischen Rundfunks, eine Rolle, die ihn auch bei einem breiten Publikum sehr populär machte. Für diese Rolle wurde er bereits zweimal mit dem deutschen Fernsehpreis augezeichnet. Für die Episode "Der Scharlachrote Engel", inszeniert von Dominik Graf, erhielt er überdies gemeinsam mit dem Regisseur und seinen Mitdarstellerinnen Michaela May und Nina Kunzendorf 2006 den Adolf-Grimme-Preis in Gold. 2007 wurde Selge mit der Goldenen Kamera als Bester Deutscher Schauspieler ausgezeichnet.
Ebenfalls 2007 erhielten Selge und Graf einen weiteren Grimme-Preis für die "Polzeiruf 110"-Folge "Er sollte tot ...". Für seine Leistung in diesem Krimi bekam Selge zudem einen Bayerischen Fernsehpreis als Bester Darsteller. Im Jahr darauf gab es erneut den Bayerischen Fernsehpreis für seine Verkörperung eines Phobikers, dessen Ehe auf der Kippe steht, in der TV-Komödie "Angsthasen".
Viel Kritikerlob erntete Edgar Selge auch für seine Rolle in Marco Mittelstaedts Kinofilm "Im nächsten Leben" (2008). Darin spielte er einen ehemaligen DDR-Starreporter, der Jahre nach der Wende versucht, an seinen früheren Erfolg anzuknüpfen. Danach sah man Selge auf der Kinoleinwand in einer Nebenrolle der Polit-Satire "Der große Kater", an der Seite von Bruno Ganz und Ulrich Tukur, sowie in einer Hauptrolle von Chris Kraus' mit Spannung erwartetem Historiendrama "Poll" – ein Part, der ihm den Bayerischen Filmpreis 2010 einbrachte.
In Friedemann Fromms Historiendrama "Hannas Entscheidung" (2012, TV) spielte Selge einen traumatisierten Kriegsheimkehrer, in der Gesellschaftskomödie "Bankraub für Anfänger" (2012, TV) einen Kriminalkommissar, der einem räuberischen Bankangestellten auf die Spur kommt; in der Märchenverfilmung "Rotkäppchen" (2012, TV) gab er den bösen Wolf.
Ab Ende 2012 sah man Selge dann wieder in einer Reihe von Kinofilmen: in "Luwdig II." (2012) von Peter Sehr und Marie Noëlle verkörperte er den Komponisten Richard Wagner, in der Bestsellerverfilmung "Feuchtgebiete" (2013) den Krankenhausarzt Dr. Notz, der es mit einer ungewöhnlichen Patientin zu tun bekommt. In der internationalen Produktion "Inside WikiLeaks - Die fünfte Gewalt" (UK/B 2013) sah man ihn als Vater des WikiLeaks-Mitarbeiters Daniel Domscheit-Berg. Eine Kinohauptrolle hatte Selge in der Komödie "Miss Sixty", die im Frühjahr 2014 in die Kinos kam. Darin spielte einen alternden Galeristen im Jugendwahn, der sich überraschend in eine 60-jährige Frau verliebt.
Im gleichen Jahr erhielt Selge in Südkorea den Seoul International Drama Award, für seine Titelrolle in "Ein blinder Held - Die Liebe des Otto Weidt", über den Bürstenfabrikanten Otto Weidt, der während des Nationalsozialismus die kleine jüdische Belegschaft seiner Berliner Firma längere Zeit vor der Deportation bewahren konnte. In Matti Geschonnecks "Das Zeugenhaus" (2014, TV) spielte Selge einen KZ-Überlebenden, der nach dem Krieg gegen angeklagte Nazis aussagt.
Auf der Kinoleinwand sah man Edgar Selge in der besinnlichen Komödie "Bach in Brazil" als pensionierten Musiklehrer, der in Südamerika überraschend eine neue Bestimmung findet. Die weibliche Hauptrolle spielte Selges Ehefrau Franziska Walser. Mit ihr stand er auch für das Ehedrama "Nie mehr wie immer" (2015, TV) vor der Kamera. Weitere Fernsehrollen hatte Selge unter anderem als altgedienter Zeitungsredakteur in "Der Fall Barschel" (2015) und –erneut mit seiner Frau als Partnerin– in "So auf Erden" (2017), als freikirchlicher Pfarrer, der sich eines drogensüchtigen und homosexuellen Straßenmusikers annimmt.
Auch im Theaterbereich kann Edgar Selge Erfolge feiern. So wurde er im Jahr 2016 für seine Rolle in "Unterwerfung" am Deutschen Schauspielhaus Hamburg von der Zeitschrift Theater heute zum Schauspieler des Jahres gekürt; außerdem erhielt er für diese Rolle den Deutschen Theaterpreis Der Faust und den Rolf-Mares-Preis.
Unter der Regie seines Neffen Titus Selge spielte Edgar Selge die Hauptrolle eines zynischen Universitätsdozenten in "Unterwerfung" (2018, TV), nach dem gleichnamigen Roman von Michel Houellebecq. Ebenfalls fürs Fernsehen verkörperte er 2019 Golo Mann in dem historischen Drama "Das Geheimnis der Freiheit" (Regie: Dror Zahavi), sowie 2020 einen Schweizer Richter, der über Umweltvergehen Deutschlands befinden soll in dem Klimakrisen-Drama "Ökozid" (Regie: Andres Veiel).
2021 erschien Selges literarisches Debüt, das autofiktionale Buch "Hast du uns endlich gefunden", das die Geschichte des zwölfjährigen Edgar Selge erzählt, der im Nachkriegsdeutschland und der Zeit des Wirtschaftswunders in einer kulturbeflissenen Familie aufwächst, der aber auch von seinen Eltern geschlagen und mit deren nationalsozialistischer Gedankenwelt konfrontiert wird. Das Buch erhielt positive Kritiken und mehrere Auszeichnungen.
Jan Josef Liefers besetzte Edgar Selge in seiner Regiearbeit "Honecker und der Pastor" (2022, TV) als Erich Honecker; in dem preisgekrönten Kinofilm "Aus meiner Haut" (2022) verkörperte er eine Hauptfigur namens Stella, die zwei Paare zu einem folgenreichen Körpertausch animiert.