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Alle Fotos (3)Biografie
Veit Harlan wird am am 22. September 1899 in Berlin-Charlottenburg geboren. Sein Vater, verheiratet mit Adele Boothby, ist der Schriftsteller und Dramaturg am Lessing-Theater Walter Harlan (1867-1931). Bereits während der Schulzeit an einem berliner Realgymnasium tritt Harlan als Statist am Deutschen Theater und an den Kammerspielen auf. Nach einer Ausbildung zum Silberschmied wird er Schüler am Max-Reinhardt-Seminar, um 1915 erhält er kleine Rollen am Luisen-, am Rose- und am Trianon-Theater, wirkt als Statist und Assistent bei Filmen von Max Mack mit. Ende 1916 meldet er sich kriegsfreiwillig und dient an der Westfront in Frankreich.
1919 wird Harlan Schauspiel-Volontär an der Volksbühne am Bülowplatz. Er heiratet die Schauspielerin Dora Gerson, geht 1922 ans Landestheater Meiningen, ist kurzzeitig Mitglied des Tournee-Theaters Holtorf-Truppe. 1924, nunmehr ans Staatliche Schauspielhaus der Preußischen Staatstheater verpflichtet, kehrt er nach Berlin zurück, wird während seines Engagements für kurze Zeit Mitglied der SPD. Er spielt in Inszenierungen von Jürgen Fehling (Max Halbes "Jugend", 1925), Heinz Hilpert (Arnolt Bronnens "Die Exzesse", 1925), Erich Engel (Leon in "Weh dem, der lügt"), Erwin Piscator (Roller in "Die Räuber", 1929), Ernst Legal ("Geschichte Gottfriedens von Berlichingen mit der eisernen Hand", 1930), auch in Hanns Johsts "Schlageter" (1933).
1929 heiratet er die Schauspielerin Hilde Körber. Der Ehe entstammen der Filmregisseur Thomas Harlan (geb. 1929), die Schauspielerin Maria Körber (geb. 1930) und die Tochter Susanne Körber.
Sein Film-Debüt gibt Harlan 1926 als David in Ludwig Bergers Hans Sachs-Film "Der Meister von Nürnberg". 1927 spielt er den Friseur Mandelstam in Hans Behrendts Sternheim-Verfilmung "Die Hose", junge Hallodris in zwei Komödien nach Drehbüchern von Béla Balázs ("Das Mädchen mit den fünf Nullen"; "Eins + Eins = Drei"). Er übernimmt Rollen in Kriminalfilmen ("Somnambul", 1928/29; "Hilfe! Überfall!", 1931), ab 1931 bevorzugt in "nationalen Epen" ("Yorck", 1931; "Die elf Schill"schen Offiziere", 1932; "Der Choral von Leuthen", 1932/33), arbeitet auch als Synchronsprecher (u.a. für Paul Muni in "Ich war ein entflohener Kettensträfling", R: Mervyn LeRoy, 1933 USA).
1933 bekennt er sich öffentlich zum Nationalsozialismus; er wirkt weiterhin in Filmen eher unterhaltenden Charakters ("Gern hab" ich die Frau"n geküsst", 1934; "Stradivari", 1935), wie auch propagandistischen Inhalts mit ("Flüchtlinge", 1933; "Das Mädchen Johanna", 1935). Große öffentliche Aufmerksamkeit findet seine Arbeit nicht.
1934 wechselt Harlan, nebenberuflich "Bildhauer und Photograph", als Regisseur an das Theater am Schiffbauerdamm. Nach seiner ersten Arbeit "Hochzeit an der Panke" gibt ihm seine überaus erfolgreiche Inszenierung des Berliner Volksstücks "Krach im Hinterhaus" von Maximilian Böttcher 1935 Gelegenheit zur ersten selbständigen Filmregie. Weitere Lustspieladaptionen, in kurzer Drehzeit und mit geringem Budget hergestellt, folgen ("Kater Lampe", nach dem Volksstück des ehemaligen SPD-Abgeordneten Emil Rosenow; Der müde Theodor", nach dem Schwank von Neal und Ferner).
Mit "Maria, die Magd" (1936), auf einer Erzählung seines Vaters basierend, wechselt Harlan das Genre und verlegt sich nunmehr auf die Produktion von Melodramen, in denen er fortan Kristina Söderbaum als Hauptdarstellerin lanciert ("Jugend", nach Max Halbe, 1937/38; "Verwehte Spuren", nach Hans Rothe, 1938; "Die Reise nach Tilsit", nach Hermann Sudermann, 1939). Er heiratet sie am 15.4.1939. Der Ehe entstammen die Söhne Kristian Veit (geb. 1939) und Caspar Veit (geb. 1946), der eine Kinderrolle in "Hanna Amon" (1951) erhält und später als Regisseur vor allem von Kinder- und Jugendfilmen tätig ist.
Der Aufstieg zu einem der im Propagandaministerium bevorzugten Regisseure gelingt Harlan mit der sehr freien Verfilmung des Dramas "Vor Sonnenuntergang" von Gerhart Hauptmann, das er – unter der Künstlerischen Oberleitung des Hauptdarstellers Emil Jannings – in "Der Herrscher" (1936/37) zu einer Hommage an das Führerprinzip umzustilisieren weiß: "Modern und nationalsozialistisch. So wie ich mir die Filme wünsche." (J. Goebbels, Tagebuch 12.3.1937). In "Das unsterbliche Herz" (1938/39), wieder nach einer Vorlage seines Vaters, profiliert er sich als geschickter Arrangeur aufwendiger Massenszenen, der sich für die Durchführung propagandistischer Prestigefilme empfiehlt.
So folgen 1940 "Jud Süß" ("Ein antisemitischer Film, wie wir ihn uns nur wünschen können", Goebbels-Tagebuch 18.8.1940), 1940-42 die bis dahin teuerste Produktion, der "Fridericus"-Film "Der große König", in dem bis zu 15.000 Statisten mitwirken. Hier wie auch bei einigen anderen Filmen muß Harlan sich nachträgliche Eingriffe seines Auftraggebers gefallen lassen. Am 4.3.1943 wird er mit dem Professoren-Titel geehrt.
Von den insgesamt neun bis 1945 fertiggestellten Agfacolor-Spielfilmen werden vier unter der Regie Harlans gedreht: seine Binding-Verfilmung "Die goldene Stadt" (1942), die parallel produzierten Melodramen "Immensee" (nach Theodor Storm, 1942/43) und "Opfergang" (erneut nach Rudolf Binding, 1942-44) und das preußische Durchhalte-Epos "Kolberg" (1943/44), dessen Statisterie sich aus Truppenteilen der Wehrmacht und der Wlassow-Armee rekrutiert. Sämtliche Filme werden von der Ufa produziert, bei der Harlan ab 1943 im Rahmen einer eigenen Herstellungsgruppe auch als Produzent für die Filme Alfred Brauns ("Zwischen Nacht und Morgen", 1942-44; "Der Puppenspieler", 1944/45) verantwortlich zeichnet, und für die ihm ein eingespieltes Team kontinuierlich eingesetzter Mitarbeiter zur Verfügung steht (Kamera: Bruno Mondi; Drehbuch-Mitarbeit: Alfred Braun; Regie-Assistenz: Wolfgang Schleif; Schnitt: Friedrich Karl von Puttkamer; Bauten: Erich Zander, Karl Machus; Musik: Hans-Otto Borgmann und Wolfgang Zeller; Aufnahmeleitung: Conny Carstennsen). Auch bei den Darstellern kann er auf ein bewährtes Ensemble zurückgreifen: Heinrich George, Eugen Klöpfer, Paul Wegener, Ernst Legal, Jakob Tiedtke, Hans Herrmann-Schaufuß, Kurt Meisel, Franz Schafheitlin, Paul Bildt, Albert Florath.
Zu Harlans unrealisierten Projekten gehören ein Film über den Baumeister Erwin von Steinbach (1939), ein "Nibelungen"-Film (1940), ein Film über den Krieg in Norwegen, zu dem Felix Lützkendorf ein Drehbuch vorlegt ("Narvik", 1941), Filme über Goethe und Beethoven (1943), die Hamsun-Adaption "Segen der Erde", für die im Herbst 1944 Probeaufnahmen stattfinden, und "Der Kaufmann von Venedig" (1944/45), für dessen Titelrolle Werner Krauß vorgesehen ist.
Bei Kriegsende lebt das Ehepaar Harlan in Hamburg. 1947/48 führt er dort und auf Gastspielreisen ungenannt Regie bei Bühnenstücken, in denen Kristina Söderbaum spielt ("Gaslicht", "Wie es euch gefällt", "Augen der Liebe"). Ein von ihm beantragtes Entnazifizierungs-Verfahren bleibt unabgeschlossen. 1949 wird Harlan – ein Jahr zuvor während der westdeutschen Erstaufführung von Kurt Maetzigs "Ehe im Schatten" vom empörten Hamburger Publikum des Saales verwiesen – nach einem Strafantrag u.a. der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN) wegen seiner Regietätigkeit bei "Jud Süß" des "Verbrechens gegen die Menschlichkeit" angeklagt, in zwei Prozessen in Hamburg (März/April 1949) und Berlin (März/April 1950) jedoch freigesprochen.
Die Aufführung seines ersten Nachkriegsfilms "Unsterbliche Geliebte" (nach Theodor Storm) provoziert 1950 Demonstrationen in mehreren Städten der Bundesrepublik; es folgen diverse Gerichtsverfahren gegen den Hamburger Publizisten und Senatspressechef Erich Lüth, der zum Boykott des Films aufruft, ehe 1958 das Bundesverfassungsgericht zu Ungunsten der klagenden Produktionsfirma Domnick-Film entscheidet. Mit seiner dritten Binding-Verfilmung "Hanna Amon" (1951), der Ehekomödie "Die blaue Stunde" (1952/53) und dem zweiteiligen Ceylon-Abenteuer "Sterne über Colombo" / "Die Gefangene des Maharadscha" (1953/54) kann sich Harlan, der inzwischen bei München lebt, als Regisseur erneut etablieren.
Erst mit "Verrat an Deutschland" (1954), einer Darstellung des Spionagefalls Dr. Sorge, die von der FSK in einem Mißverständnis ihrer nationalkonservativen Tendenz als "kommunistenfreundlich" verboten wird und umgeschnitten werden muß, und der von der FSK gleichfalls monierten Homosexuellen-Kolportage "Anders als du und ich. § 175" (Buch: Felix Lützkendorf; 1957) rückt er noch einmal in den Blickpunkt publizistischen Interesses. Das Drogendrama "Liebe kann wie Gift sein" und das Familienstück "Ich werde dich auf Händen tragen" (nach Theodor Storm) sind 1958 seine letzten Filme. 1963 inszeniert er am Grenzlandtheater Aachen Strindbergs "Traumspiel".
Veit Harlan, der zwei Monate vor seinem Tod zum Katholizismus konvertiert, stirbt am 13. April 1964 auf Capri.
CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film
© 1984ff edition text+kritik im Richard Boorberg Verlag, München.