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Filmbiografie über das bewegte Leben des DDR-Liedermachers Gerhard Gundermann (1955-1998). Tagsüber arbeitet er als Baggerfahrer im Braunkohletagebau in der Lausitz. Doch abends nach der Schicht steigt er als Sänger auf die Bühne und bewegt die Menschen mit seiner Musik. Er thematisiert Dinge wie Leben, Tod und Sterben, greift aber auch politische und sozialkritische Themen auf. Durch seine sehr persönlich und authentisch wirkenden Lieder avanciert er in den 1980er Jahren zu einem Idol vieler Menschen in der DDR. Zugleich gerät er immer wieder mit der Obrigkeit in Konflikt. Auch nach dem Ende der DDR büßt Gundermann nicht an Popularität ein, im Gegenteil: Seine Fangemeinde wird immer größer. Sogar als sich im Jahr 1995 herausstellt, dass Gundermann als Stasi-Spitzel tätig war, ändert das kaum etwas an seinem Erfolg – wobei er trotz seines guten Einkommens als Musiker auch weiterhin jeden Tag als Baggerfahrer im Braunkohlebergbau arbeitet. 1998 stirbt Gerhard Gundermann an einem Gehirnschlag.
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Tagsüber – und bisweilen auch nachts - arbeitet der von Alexander Scheer kongenial verkörperte Titelheld als Baggerfahrer im Braunkohletagebau in der Lausitz. Seine Kanzel, die „Hundebude“, wird zur Ideenschmiede, hier bringt er seine Gedanken zu Papier bzw. aufs Diktafonband. Die auch um die geschiedenen Eltern und besonders seinen Vater kreisen, der nichts mehr mit ihm zu tun haben will. Abends nach der Schicht steigt Gundermann als Sänger und Gitarrist auf die Bühne und bewegt die Menschen mit seinen Texten. In den frühen 1970er Jahren zunächst in der Kulturfabrik in Hoyerswerda, ab 1978 mit der Band „Brigade Feuerstein“ auf Tour durch Jugendclubs beinahe in der ganzen Republik. Deren Leadsängerin Conny (großartig: die Südtirolerin Anna Unterberger) ist zweifache Mutter und mit einem Bandmitglied verheiratet, trotzdem gräbt sie der Baggerfahrer ohne Ermüdungserscheinungen an.
„Wenn es diese Gesellschaftsordnung nicht schon gäbe, würde ich sie erfinden“: Gundi hat bald so großen Erfolg, dass er allein von der Musik leben könnte. Doch der überzeugte Sozialist ist, ein lebendiges Beispiel für den „Bitterfelder Weg“ der SED-Arbeiterkultur, weiterhin jeden Tag als Baggerfahrer zur Schicht gegangen, was sicherlich zu seinem Mythos beigetragen hat. Die Arbeit mit seinen Kollegen wie Helga, die älteste Baggerführerin ist so etwas wie seine Ersatz-Mutter, und sein Alltag liefern Gundi die Ideen für seine Songs und Stücke, die sich oft mit dem Leben der „einfachen Menschen“, mit seiner Familie, mit Umweltproblemen und seiner Heimatstadt Hoyerswerda („Hier bin ich geboren“, „Hoywoy“) beschäftigen. Ein MfS-Offizier wirbt den Idealisten mit Versprechungen auf Auslandsreisen für die „Firma“.
In der Wendezeit 1989/90 mischt er sich aktiv in die Ereignisse des politischen Umbruchs ein. 1992 gründet er seine Band mit dem bewusst provokanten Namen „Seilschaft“, mit der er bis 1998 seine Auftritte bestreitet und unter anderem als Support bei Konzerten von Bob Dylan und Joan Baez Mitte der 1990er Jahre auftritt. Nachdem ihm die Journalistin Irene seine Täterakte aus der Stasi-Behörde besorgt hat, wird Gundermann die enorme Tragweite seiner IM-Tätigkeit bewusst. Die auch Schlepper-Aufträge einschloss: So sollte er den Bayer Hamacher, einen Fluchthelfer, in Budapest überreden, mit ihm nach Ost-Berlin zu fahren – wo der Westdeutsche sogleich verhaftet werden sollte. Gundi beschließt, sich auf offener Bühne zu outen…
„Von jedem Tag will ich was haben, was ich nicht vergesse“: Er war ein Arbeiter, der Lieder schreibt. Und ein Poet, ein Clown und ein Idealist, der träumte und hoffte, liebte und kämpfte. Ein Spitzel, der – als idealistischer Weltverbesserer, aber auch ganz realistischer „Neuerer“ im Tagebau - selbst bespitzelt worden ist. Ein Zerrissener zwischen Verstrickung und eigener Schuld, der es eigentlich hätte besser wissen müssen. Gerhard Gundermann hat in seiner Musik grundlegende Dinge wie Leben, Tod und Sterben thematisiert, griff aber auch politische und sozialkritische Themen auf. Durch seine sehr persönlichen, authentisch wirkenden Lieder avancierte er in den 1980er Jahren zu einem Idol vieler Menschen zwischen Kap Arkona und Fichtelberg. Zugleich geriet er immer wieder mit der Obrigkeit in Konflikt, sollte aus der SED ausgeschlossen werden. Peter Sodann verkörpert im Film einen Altkommunisten, der in der Parteikommission, der auch Gundis Arbeitskollege Volker angehört, allen Ernstes behauptet: „Wir haben eine Führung, um die uns ganz Europa beneidet.“
„Hier sind wir alle Brüder und Schwestern / Hier sind die Nullen ganz unter sich / Hier ist es heute nicht besser als gestern / Und ein Morgen gibt es nicht“: Nach dem Ende der DDR – und der Lausitzer Grube Brigitta - büßte Gundermann zwar seinen Arbeitsplatz ein, nicht aber seine Popularität, im Gegenteil: Seine Fangemeinde ist seitdem immer größer geworden, gerade nach seinem Stasi-Outing 1995. Drei Jahre später, der Baggerfahrer hatte sich zum Tischler umschulen lassen, starb Gundi in Spreetal an einem Gehirnschlag. Er wurde nur 43 Jahre alt: „Ich gehöre zu den Verlierern“, hat er kurz vor seinem überraschenden Tod gesagt, „Ich habe aufs richtige Pferd gesetzt, aber es hat nicht gewonnen.“
Gestreiftes Fleischerhemd, Hosenträger, große Brille und das blonde Haar zum Pferdeschwanz zusammengebunden: Alexander Scheer hat alle 18 Lieder dieses grandiosen Heimatfilms selbst eingesungen und ist mit ihnen nach dem Kinostart auf eine sogleich ausverkaufte Tournee gegangen – zusammen mit Andreas Dresen und Axel Prahl. Zum tollen Cast gehören auch Bjarne Mädel als Parteisekretär und Alexander Schubert als Tagebauleiter. Gerhard „Conny“ Gundermann, 1955 in Weimar geboren und als Kind in die Lausitz gekommen, war ein Täter: ein überzeugter Sozialist, SED-Mitglied und seit 1976 Informeller Mitarbeiter (IM) der Staatssicherheit unter dem Decknamen „Grigori“. Gleichzeitig war er ein Opfer, selbst bespitzelter Stasi-Spitzel.
Regisseur Andreas Dresen: „Das ist eine große Tragödie, an der in der DDR viele Menschen zerbrochen sind. Jene, die sie beim Wort genommen haben, sind zu Außenseitern, teilweise zu Verfolgten geworden. Es ist ein Paradox der Geschichte, dass Kommunisten plötzlich bespitzelt wurden. Gundermann hat selbst erfahren müssen, was es heißt, zum Gegner abgestempelt zu werden. In seinem Zitat steckt vieles drin. Beispielsweise, dass die Utopie einer gerechteren Welt ihre Berechtigung hat. Es geht ums Wie. Die DDR hat ihr Versprechen nicht eingelöst, aber das heißt ja nicht, dass die Utopie nichts taugt. Ich persönlich werde langsam ungeduldiger im Umgang mit all den Klischees, die so viele Jahre nach dem Mauerfall noch existieren, ebenso mit der unsauberen gegenseitigen Wahrnehmung. Insofern ist ‚Gundermann‘ vielleicht unversöhnlicher als andere Filme, die wir zum Thema gemacht haben.“
Pitt Herrmann