Das Tonkreuz

Die schon 1925 in den Ufa-Studios durchgeführten Tonfilm-Versuche wurden von dem Ufa-Vorstand kaum unterstützt. Dies lag zum einen an der verbreiteten Skepsis gegenüber dem Tonfilm, zum anderen an Fritz Langs "Metropolis"-Projekt, das die gesamte Studiokapazität einnahm und den Finanzrahmen für derartige Versuche beträchtlich einschränkte. Anfang 1929 jedoch, beeindruckt von den Tonfilm-Erfolgen in Hollywood, reisten Vorstandsmitglieder der Ufa in die USA, um sich mit der dortigen Tonfilmtechnik vertraut zu machen. Schnell entschloss man sich, auch in Babelsberg auf Tonfilm umzustellen.

Quelle: DIF
"Der Schuß im Tonfilmatelier": Ernst Behmer, Ewald Wenck (in der Box), Erwin Kalser, Paul Kemp (in der Mitte), Dr. Erich Leistner (im weissen Kittel) (jeweils v.l.n.r.)

"Schalleitende Eigenschaften"
Die existierenden Bauten auf dem Ufa-Gelände waren aus Glas und Eisen konstruiert und damit für Tonfilm-Projekte unbrauchbar. So verzichtete man zunächst auf Umbauten und errichtete 1929 ein völlig neues Gebäude, das so genannte Tonkreuz: Auf einer Fläche von 3500 Quadratmetern entstanden vier Tonfilmateliers, die kreuzförmig um einen Innenhof herum angeordnet waren. Dazu wurden "die Außenmauern massiv in außergewöhnlicher Stärke aufgemauert, die durch ihre besondere Konstruktion gänzlich schwingungsfrei gehalten sind und somit Schallübertragung von außen auf die Innenräume absolut vermeiden lassen", wie Heinz Umbehr im November 1929 in der Fachzeitschrift "Filmtechnik" berichtete: "Selbst Fliegergeräusche und vor allem das gefürchtete Geräusch des prasselnden Regens werden total absorbiert und können so die Aufnahmen in keinster Weise stören. Eisenkonstruktionen wurden beim Bau dieser Mauern wegen ihrer schalleitenden Eigenschaften nicht angewandt. Darüber hinaus wurde die Schallisolierung noch durch Aphononbekleidungen und andere besorgt. Nur an den Ecken, an denen die vier Hallen zusammenstoßen, sind Schallisolationen durch Luftschächte vorgesehen."

Um den Lichthof herum, an den inneren Seiten der vier Ateliers, befand sich das technische Herz des Tonkreuzes: Hier lagen auf mehren Stockwerken die Aufnahme- und Abhörräume, die Akkumulatorenbatterien und die Transformatoren. Alle diese Betriebsräume waren untereinander und mit den Ateliers verbunden, sodass die einzelnen Tonaufnahmegeräte nicht nur ein bestimmtes Atelier bedienen konnten, sondern sich durch eine Schalttafel beliebig auf das eine oder andere umschalten ließen.

Bezeichnenderweise entstand das Tonkreuz über einem Drehort zu "Metropolis" (1925/26). Das so genannte "Metropolis-Becken", jenes Außendreh-Gelände, mit dessen Größe die Ufa 1925 noch geworben hatte, wurde abgerissen. Es musste jener neuen Technik Platz machen, die während Fritz Langs Dreharbeiten noch müde belächelt worden war. Am 24. September 1929 lud die Ufa schließlich eine Reihe wichtiger Journalisten zur Besichtigung des ersten Tonateliers ein. Die Gäste waren überwältigt.

Quelle: DIF
"Melodie des Herzens": Dita Parlo, Willy Fritsch

Umbau der Stummfilm-Ateliers
Bald jedoch überstiegen die Ausmaße der Tonfilm-Arbeiten in Babelsberg die Kapazitäten des Ton-Kreuzes und man begann, die bereits bestehenden Stummfilm-Ateliers umzubauen. Sowohl das "Große Glashaus" als auch die "Mittelhalle" mit ihren Nord- und Süd-Ateliers wurden nun zu schallisolierten Tonfilm-Ateliers umgestaltet. Für den Umbau der Mittelhalle musste aufgrund ihrer riesigen Dimensionen eine besondere Lösung gefunden werden: Schließlich wurde die Halle völlig entkernt und in dem gewaltigen Raum ein eigenes Tonfilm-Atelier errichtet, dessen Ausmaße nur geringfügig kleiner waren als die der "Mutterhalle". So erhielt man doppelte Wände mit einem Luftzwischenraum, die das Atelier bestens isolierten.

Doch mit dem Um- und Neubau der Ateliers war die Umstellung auf den Tonfilm nicht getan. Die neue Technik verlangte auch tiefgreifende innenarchitektonische Veränderungen: Zum Beispiel war nun die Beleuchtung des Ateliers mit den bis dahin üblichen Kohlebogenlampen nicht mehr möglich. Diese brannten nicht geräuschlos und mussten durch leisere Glühlampen ersetzt werden. Da sich diese aber schnell erhitzten, führten sie in kürzester Zeit zu unerträglichen Raumtemperaturen. So mussten so genannte "Bewetterungsanlagen" installiert werden, um die Temperatur in den Hallen konstant zu halten.

 

Quelle: DIF
Das Tonkreuz: rechts die Tonfilm-Ateliers, links die große Tonfilmhalle