Alles bewegt sich - Babelsberg in der Weimarer Republik

Die Zeit der Weimarer Republik und insbesondere die so genannten "Goldenen Zwanziger" gelten auch als die Hochzeit des deutschen Films. Zu dieser Zeit entstanden in Babelsberg so unterschiedliche Klassiker wie "Die Nibelungen" (1922-24), "Der letzte Mann" (1924), "Metropolis" (1925/26), "Der blaue Engel" (1929/30) und "Die Drei von der Tankstelle" (1930). Dabei waren die ersten Nachkriegsjahre in Babelsberg wie im Rest der Republik von Armut, Unsicherheiten und vielerlei Umbrüchen geprägt.

Quelle: Murnau-Stiftung, DIF
"Der blaue Engel": Szene mit Marlene Dietrich (2.v.l.)

Im November 1921 ging das Filmstudio in den Besitz der Ufa über, als diese die Konkurrenzfirma Decla-Bioscop AG, der die Studios gehörten, aufkaufte. Die Ufa war 1917 als staatlich subventionierter Filmkonzern aus dem Zusammenschluss einer Reihe privater Filmfirmen entstanden. Der Gründung voraus ging der Wunsch, den Film als Propagandamittel im In- und Ausland nutzbar zu machen, wie es General Erich Ludendorff in seinem Brief an das Königliche Kriegsministerium vom 4. Juli 1917 gefordert hatte. Schon wenige Monate nach ihrer Gründung begann die Ufa damit, Filme zu produzieren, die ihrem Verständnis nach eher Unterhaltungs- als Propagandazwecken dienen sollten. 1921 trat die Reichsregierung ihre Ufa-Anteile an die Deutsche Bank ab.

Im Geschäftsjahr 1922/23 erweiterte die Ufa das Gelände der Babelsberger Filmstudios durch den Aufkauf angrenzender Grundstücke, zudem begann man, wie es im Geschäftsbericht hieß, die "etwas zurückgebliebenen Einrichtungen dieser Ateliers durch umfangreiche Bauten, maschinelle und andere Neuanlagen ganz wesentlich zu verbessern".

Erich Pommer, Mitgründer der Decla-Film-Gesellschaft, trat im Februar 1923 in den Vorstand der Ufa ein. Pommer versammelte ein Team hochkarätiger Regisseure, Autoren, Kameramänner und Architekten um sich und verhalf so einer Reihe von Babelsberger Produktionen zu weltweitem und nachhaltigem Erfolg. Bis heute gelten viele der in Babelsberg entstandenen Pommer-Produktionen als Meilensteine der Filmgeschichte – darunter F. W. Murnaus "Der letzte Mann" und "Faust" (1925/26), E.A. Duponts "Varieté" (1925), Fritz Langs "Metropolis" und Josef von Sternbergs "Der blaue Engel", um nur einige wenige zu nennen.

Quelle: Murnau-Stiftung, DIF
"Genuine": Hans Heinrich von Twardowski, Fern Andra

Über-Expressionismus
Zu Beginn der 1920er Jahre war insbesondere der deutsche Expressionismus für die Filmproduktion in Babelsberg stilprägend. Im Juli 1920 drehte der Regisseur Robert Wiene dort im Anschluss an seinen künstlerisch wie kommerziell sehr erfolgreichen Film "Das Cabinet des Dr. Caligari" (1919/20) den ebenfalls expressionistischen Stummfilm "Genuine". Fern Andra spielte darin eine okkulte Priesterin, die orientalische Verführerin Genuine, deren Blutdurst im Laufe des Films mehrere Männer zum Opfer fallen.

Doch obwohl Wiene wie auch bei "Caligari" mit Drehbuchautor Carl Mayer und Kameramann Willy Hameister zusammenarbeitete, wurde "Genuine" von vielen Seiten verschmäht: Decla und Presse kritisierten den Film als "überexpressionistisch", und auch an den Kinokassen blieb der Erfolg aus. Bemerkenswert ist "Genuine" gleichwohl aus mehren Gründen – nicht zuletzt durch die Darstellung des afrodeutschen Schauspielers Louis Brody, der aus der ehemals deutschen Kolonie Kamerun stammte. Charakteristisch für das frühe Weimarer Kino ist Brody hier in seiner wichtigen Nebenrolle als schwarzer Diener Repräsentant einer "natürlichen Exotik": Als "schwarze Gefahr, die gebändigt werden muss, wird er zugleich dämonisiert und erotisiert. Brody wurde in der Weimarer Republik für viele Nebenrollen eingesetzt, unter anderem in den Babelsberger Produktionen "Der müde Tod" (1921) und "Die Boxerbraut" (1926). Zwischen 1933 und 1945 war er weiterhin ein gefragter Nebendarsteller und trat unter anderem in den Propagandafilmen "Jud Süß" (1940) und "Germanin" (1942/43) auf.

Ebenfalls den Spielarten des Deutschen Expressionismus zugerechnet werden unter anderem die in Babelsberg entstandenen Fritz-Lang-Filme "Dr. Mabuse, der Spieler" (1921/22) und "Metropolis", sowie "Phantom" (1922) und "Der letzte Mann" von F. W. Murnau. Mit dem so genannten Caligarismus, dem der filmische Expressionismus oft gleichgesetzt wird, haben diese Produktionen allerdings nicht mehr viel gemeinsam.

Quelle: Murnau-Stiftung, SDK
"Der letzte Mann": Ansicht des Hotels "Atlantic"

Der "Look" von Babelsberg
Insbesondere zwei Männer prägten den "Look" der expressionistischen Produktionen sowie zahlreicher anderer Filme aus Babelsberg: die Architekten Robert Herlth und Walter Röhrig. Beide studierten in Berlin Malerei und begannen ihre Jahrzehnte andauernde Arbeitsgemeinschaft 1920 mit dem Episodenfilm "Masken" – damals noch unter Anleitung des Filmarchitekten Hermann Warm. Im darauffolgenden Jahr stattete jeder der drei je eine Episode in "Der müde Tod" aus. Später arbeiten Herlth und Röhrig unter anderem gemeinsam bei den Filmen "Zur Chronik von Grieshuus" (1923-25), "Komödie des Herzens" (1924), "Der letzte Mann", "Das Flötenkonzert von Sanssouci" (1930), "Der Kongreß tanzt" (1931), "Morgenrot" (1932/33) und "Walzerkrieg" (1933).

Ihre Arbeiten wurden von der Filmkritik immer wieder lobend erwähnt. Insbesondere trugen sie durch ihre perspektivischen Bauten zur Wirkung und Etablierung der entfesselten Kamera bei. So schrieb etwa Siegfried Kracauer in einer Kritik zu "Der letzte Mann" vom 11. Februar 1925: "Die unvermittelte Darstellung des Gegensatzes von Hotelvestibül und Mietskaserne redet ihre eigene Sprache, die Architekturen drücken ohne Kommentar das Gemeinte aus, die Ineinanderreihung der Situationen gestaltet mit an dem Sinn; Kunstmittel, über die nur der Film verfügt, erlangen konsumtive Bedeutung."

Quelle: Murnau-Stiftung, DIF
"Zur Chronik von Grieshuus": Die Grieshuus-Burg

Bild und Ton – "bewegte Lebendigkeit"
Da Herlth und Röhrig ihre Kooperation auch zu Tonfilmzeiten erfolgreich fortsetzten, blieb trotz der vielen mit dem Tonfilm einhergehenden Umbrüche eine gewisse Stringenz im "Look" der Babelsberger Erfolgsproduktionen bestehen. Noch im Dezember 1930 lobte Hans Wollenberg "Das Flötenkonzert von Sanssouci" in der Zeitschrift Lichtbild-Bühne: "Dieser Film ist nicht nur von einer beispielhaften Bildschönheit; die Kamera vermeidet dabei jede Starre, ist von einer bewegten Lebendigkeit. Herlth und Röhrig als bildgestaltende Architekten haben ihren hervorragenden Anteil an diesem Gelingen."

Auch andere Szenenbildner aus Babelsberg genossen damals in der Fachpresse hohes Ansehen. Zu ihnen gehört der bereits erwähnte ausgebildete Bühnenbildner Hermann Warm, der sich als einer der Ersten für die Etablierung des noch neuen Berufsbildes des Szenenbildners eingesetzt hatte, sowie Otto Hunte, der zu Stummfilmzeiten für die Bauten von "Dr. Mabuse, der Spieler", "Die Nibelungen" oder auch "Spione" (1927/28) verantwortlich zeichnete und zu Tonfilm-Zeiten die Kulissen für "Der blaue Engel" und "Die Drei von der Tankstelle" konstruierte. Während der NS-Zeit war Hunte weiterhin gut beschäftigt, beispielsweise mit den Bauten zum Propagandafilm "Jud Süß"; 1946 endete Huntes Karriere mit dem ersten Film der DEFA, "Die Mörder sind unter uns".

Diese monumental-nachhaltige Seite der Filme, die auf dem Gelände gut sichtbaren Bauten, erregten mit Beginn der 1920er Jahre auch das Interesse von Journalisten und Schriftstellern, die in den Filmstudios ein Sinnbild für die Filmkunst an sich und sogar die gesamte Neuzeit ausmachten.

Quelle: Murnau-Stiftung, SDK, © Horst von Harbou - Deutsche Kinemathek
"Die Nibelungen": Dreharbeiten

Die Kamera lernt fliegen
Nach einem seiner Besuche in Babelsberg schrieb der Filmkritiker Willy Haas: "Da turnt vor allem Freund, Karl Freund, der wohlbeleibte Herr Freund, unser deutscher Meisteroperateur. Im Schweiße seines Angesichts. Denn nicht nur sein stattliches Embonpoint belastet ihn, sondern ein ganzes Riemen- und Schnallenwerk um seinen Körper, das ein Holzgestell festhält, und in dieses Holzgestell hineinmontiert – der Aufnahmeapparat. Also ein rennender, schwebender, pirouettierender, sich verbeugender Apparat." Was Haas hier beschreibt, wurde als "entfesselte Kamera" berühmt, die Mitte der 1920er Jahre von Kameramann Karl Freund in Babelsberg entwickelt worden war.

Nie zuvor hatte man die Kamera so beweglich gesehen wie in seinen Aufnahmen zu "Der letzte Mann", der ab Juli 1924 unter der Regie von F. W. Murnau in Babelsberg entstand. Freund trennte die Kamera vom Stativ und trug sie stattdessen am Körper oder befestigte sie an Apparaturen, um somit neue filmische Erzählweisen zu ermöglichen. Die Kritiker seiner Zeit überschlugen sich mit Lob: "Eine Dichtung in Bildern", lobte beispielsweise Siegfried Kracauer, "wie gesagt, in Bildern, die aus sich die Fabel entlassen, statt von ihr bestimmt zu sein. Ihre Abfolge und ihre Gestaltung, das Werk des Regisseurs Wilhelm Murnau, gibt das Letzte, das hier zu geben ist, man kann das Geschehen nicht ablösen von ihnen, es wohnt ihnen inne, die textlose optische Entfaltung selber ist zur einzig gemäßen künstlerischen Form geworden."

Die Technik der "entfesselten Kamera" wurde nicht nur stilprägend für die letzten Jahre der Stummfilmzeit in Babelsberg, sie bescherte dem Studio und der Ufa 1925 mit "Varieté" von E. A. Dupont auch den größten Erfolg in den USA seit Ernst Lubitschs "Madame Dubarry" von 1919.

Quelle: BArch, DIF, SDK
Szene aus "Varieté"

Schwere Zeiten
Doch auch der weltweite Erfolg von "Der letzte Mann" und "Varieté" waren nur Tropfen auf den heißen Stein für die Ufa, die 1923 wie die gesamte deutsche Filmbranche durch die Stabilisierung der deutschen Währung in eine allgemeine Krise geraten war. Durch die nun sehr geringen Gewinnspannen stagnierte der Auslandsabsatz, während der deutsche Markt für amerikanische Filmriesen wieder rentabel wurde. 1925 schloss die Ufa infolgedessen mit den amerikanischen Filmfirmen Paramount und Metro-Goldwyn-Mayer den sogenannten Parufamet-Vertrag, der sich jedoch als Knebelvertrag entpuppte.

Diese Umstände, und insbesondere die hohen Produktionskosten bei ausbleibendem Erfolg von "Metropolis" und "Die Nibelungen", führten die Ufa 1926 an den Rand des Ruins. Der Hugenberg-Konzern unter Leitung von Dr. Alfred Hugenberg, der 1918 die antisemitische, gegen die "Vorherrschaft des Judentums in Regierung und Öffentlichkeit" hetzende Deutschnationale Volkspartei (DNVP) mitbegründet hatte, übernahm daraufhin im März 1927 die Ufa. Hugenberg setzte Ludwig Klitzsch als Generaldirektor der Ufa ein, im Februar 1928 ließ er Erich Pommer als Produktionsdirektor durch Ernst Hugo Correll ablösen. Den Vorsitz des Ufa-Aufsichtsrates übernahm Hugenberg selbst und stellte schließlich 1933 die direkte Verbindung zur neuen Regierung unter Adolf Hitler her, der er bis zum Juni 1933 als Wirtschaftsminister angehörte.

Quelle: Murnau-Stiftung, SDK © Horst von Harbou - Deutsche Kinemathek
"Metropolis": Dreharbeiten

Die "Große Halle"
Trotz der finanziellen Probleme wurde 1926 in Babelsberg das bis dahin größte Filmatelier Europas errichtet. Die so genannte "Große Halle" war für "Metropolis" vom Architekten Carl Stahl Urach entworfen und innerhalb von nicht einmal fünf Monaten erbaut worden.
Finanziert hatte sie die Deutsche Bank, "in der Erkenntnis, wie ungeheuer dienlich diese Anlage für die Konzentration der Fabrikation der Ufa sein würde," wie es im Reichsfilmblatt vom 22. Dezember 1926 hieß. Der Artikel beschrieb die Halle wie folgt: "Die neue Aufnahmehalle in Eisenkonstruktion, massiv ausgemauert, 123,50 m lang, 56 m breit, 14 m hoch bis zu den Laufstegen, umfaßt mit Nebenräumen etwa 8000 qm bebaute Fläche und 20 000 cbm umbauten Raum, ist mit allen erforderlichen technischen Einrichtungen und Möglichkeiten ausgestattet worden. Aus betrieblichen Gründen ist die große Halle durch verschiebbare, ausgemauerte Wände unterteilt, so daß mehrere Großfilme und eine Anzahl kleinerer Filme zu gleicher Zeit gedreht werden können. (...) Über die Kosten des neuen Ateliers hatten sich schon allerlei legendäre Gerüchte verbreitet. Man staunte, als man hörte, daß der ganze Riesenbau nicht mehr und weniger als 550 000 Mark erfordert hat."

Ein Vorteil gegenüber der Konkurrenz, insbesondere der Zeppelinhalle in Staaken, war, dass die Große Halle heizbar war. So machte sie den Drehort Neubabelsberg noch attraktiver. Auch heute noch steht die Große Halle für Dreharbeiten zur Verfügung und heißt inzwischen "Marlene Dietrich Halle" – obwohl die berühmte Namenspatronin vermutlich nie in ihr gedreht hat.

Quelle: Murnau-Stiftung, DIF
"Der Schuß im Tonfilmatelier": Harry Frank, Berthe Ostyn

Der Tonfilm
Anknüpfend an die schon 1922 in Berlin vorgestellten elektro-akustischen Experimente mit dem Tri-Ergon-Lichtton-System, wurden 1925 in den Ufa-Studios unter der Leitung von Guido Bagier Tonfilmversuche durchgeführt. Doch erst durch den Premierenerfolg des Warner-Bros.-Films "The Jazz Singer" im Jahr 1927 begann die Ufa den Tonfilm ernst zu nehmen: Ufa-Direktor Ernst Hugo Correll entschloss sich dazu, die Babelsberger Studios den neuen tontechnischen Anforderungen anzupassen. 1929 errichtete man zunächst ein völlig neues Gebäude, das "Ton-Kreuz". Bald jedoch überstiegen die Ausmaße der Tonfilm-Arbeiten in Babelsberg die Kapazitäten des Ton-Kreuzes, und man begann, die bereits bestehenden Stummfilm-Ateliers umzubauen.

Im Mai und Juni 1930 drehte Alfred Zeisler die Kriminalkomödie "Der Schuß im Tonfilmatelier" in einem Atelier des neuen Tonkreuzes. Der Film, der selbst in einem Filmatelier spielt, stellte die Schwierigkeiten der neuen Tontechnik in den Mittelpunkt: Der ermittelnde Kriminalbeamte löst hier nicht nur einen Mordfall, sondern erkundet neugierig das Tonstudio, lässt sich Technik und Betriebsräume erklären. Anders als in den zu dieser Zeit bereits etablierten Studio-Besuchen wurde hier das Atelier selbst zur Attraktion.

Ästhetische Umbrüche
Abgesehen von den technischen Umstellungen, die der Tonfilm verlangte, wurden bald vor allem ästhetische und dramaturgische Folgen diskutiert. Einer der Kritiker des Tonfilms war Béla Balázs. Er sprach von der "Tonfilmkatastrophe" und sah die pure Bildlichkeit als Hauptleistung des Films verloren; auch der Komponist Paul Dessau konnte nicht anders, als "das Problem des Tonfilms mit der notwendigen Vorsicht kritisch zu betrachten". Rudolf Arnheim dagegen erschien der Tonfilm als "Retter", der dem Stummfilm, der zu dieser Zeit schon nicht mehr über seine Grenzen hinaus käme, aus diesem "Leerlauf" zu entkommen hilft.

Quelle: Murnau-Stiftung, DIF
"Melodie des Herzens": Szene mit Willy Fritsch (links)

In jedem Fall bedeuteten die Neuerungen des Tonfilms eine klare ästhetische Zäsur. In den späten 1920er Jahren hatte sich der Stummfilm sukzessive über alle technischen Einschränkungen hinwegsetzen können: Die Kamera wurde "entfesselt", technische Tricks erprobt, die Beleuchtung optimiert, und auch das Schauspiel wurde von der früheren Expressivität gelöst, indem Bildmöglichkeiten und Einstellungsgrößen gekonnt eingesetzt wurden. Der Einsatz des Tons begrenzte diese visuellen und erzählerischen Möglichkeiten nun zunächst. Plötzlich waren die Inszenierungen wieder starrer, die Beweglichkeit der Kamera durch Mikrophone und das Eindämmen der Kamerageräusche erneut gehemmt und auch die Möglichkeiten von Schnitt und Überblendung eingeschränkt.

Als erster vollständiger Tonfilm der Ufa wurde "Melodie des Herzens" von Juni bis September 1929 auf dem Babelsberger Gelände realisiert. Produziert von Erich Pommer entstand der Film in einer stummen Fassung und in vier Sprachversionen: In Deutsch, Englisch, Französisch und Ungarisch. Bevor sich Synchronisationen technisch und wahrnehmungspsychologisch durchsetzen konnten, drehte die Ufa auch in den 1930er Jahren einen wichtigen Anteil ihrer Tonfilme als teure Mehrsprachenversionen.

Quelle: Murnau-Stiftung, DFM, DIF
"Die Drei von der Tankstelle": Lilian Harvey, Willy Fritsch

Die musikalische Komödie
Mit dem Tonfilm setzte sich auch ein neues Spielfilmgenre in der Weimarer Republik durch: die musikalische Komödie. Sie sorgte für ein neues Publikum, und kurz vor Ende der Weimarer Republik erreichte die Komödienproduktion der Ufa eine Hochphase. "Die drei erfolgreichsten Filme der Saison 1930/31", bemerkt der Filmhistoriker Ulrich von Thüna, "waren die musikalische Komödie 'Die Drei von der Tankstelle', die Militärgroteske 'Drei Tage Mittelarrest' und die historische Komödie 'Das Flötenkonzert von Sanssouci'. Zwei dieser Hits wurden in den Babelsberger Studios gedreht.

In "Die Drei von der Tankstelle" (1930) – ebenfalls in mehreren Sprachversionen gedreht – machten Willy Fritsch, Oskar Karlweis, Heinz Rühmann und Lilian Harvey Schlager von Werner Richard Heymann wie "Ein Freund, ein guter Freund" und "Liebling, mein Herz läßt dich grüßen" populär. Der Film wurde zu einer erfolgreichen Vorlage für weitere exportfähige Tonfilm-Komödien wie Erik Charells "Der Kongreß tanzt" (1931). Lilian Harvey und Willy Fritsch wurden das "Traumpaar" dieser neuen Welle. Beide standen bei der Ufa unter Vertrag und drehten nach "Liebeswalzer" (1929), "Die Drei von der Tankstelle" und "Der Kongreß tanzt" weitere Erfolge wie "Einbrecher"(1930), "Ein blonder Traum" (1932) und "Glückskinder" (1936), bis Lilian Harvey 1939 aus dem nationalsozialistischen Deutschland emigrierte.

Quelle: Murnau-Stiftung, DIF, © Horst von Harbou - Deutsche Kinemathek
"Morgenrot": Adele Sandrock, Else Knott, Camilla Spira (v.l.n.r.)

Das Ende des Weimarer Kinos
Am 31. Januar 1933, einen Tag nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler, feierte Gustav Ucickys Film "Morgenrot" (1932/33) Premiere. Gedreht in den letzten Monaten der Weimarer Republik, ist "Morgenrot" einer der ersten Propagandafilme der so genannten "Neuen Zeit".

Für viele der Filmschaffenden, die die Geschichte des Weimarer Kinos mitgeschrieben haben, gab es im nationalsozialistischen Deutschland keine Zukunft mehr. Noch im März 1933, unmittelbar nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, entließ die Ufa jüdische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mehr als 1.500 Filmschaffende mussten ins Exil gehen, Stars wie Otto Wallburg, Paul Morgan, Max Ehrlich, Kurt Gerron und viele andere wurden von den Nazis ermordet. Die Folgen dieser Verdrängungs- und Vernichtungspolitik zeigen sich nicht zuletzt darin, wie viele ehemalige Stars des Weimarer Kinos bis heute aus dem kulturellen Gedächtnis verdrängt sind.