Luggi Waldleitner
Ludwig Waldleitner, genannt "Luggi", war einer der erfolgreichsten deutschen Filmproduzenten der Nachkriegszeit. Sein Werk umfasst mehr als 120 Produktionen, die er mit seiner Münchner Firma Roxy Film von 1952 bis 1998 hergestellt hat. Jahrzehntelang hat Waldleitner den deutschen Film sowie die deutsche Filmpolitik mitgestaltet und geprägt und dafür zahlreiche Auszeichnungen erhalten.
Am 1. Dezember 1913 wurde Ludwig Waldleitner in Kirchseeon bei München als Sohn eines Bahnangestellten und einer Gastwirtin geboren. Die Mutter nahm ihn bereits als Kind mit ins Kino – das junge Medium faszinierte ihn sofort. Entgegen dem Wunsch seiner Eltern, eines Tages die eigene Gastwirtschaft zu übernehmen, wurde Waldleitner früh klar, dass er seinen beruflichen Weg alleine bestimmen würde. Nach der Realschule in München absolvierte er eine Handelsschule in Dresden. Im Anschluss daran schloss Waldleitner eine Bekanntschaft, die für seine Karriere entscheidend sein sollte: Beim Skifahren lernte er Guzzi Lantschner kennen, Kameramann bei zahlreichen Filmen von Leni Riefenstahl. Dieser engagierte Waldleitner als seinen Assistenten für die beiden Teile der Riefenstahl-Dokumentation "Olympia" (1936-38).
1940 begann Waldleitner seinen Dienst als Soldat und arbeitete als Fahrer eines Offiziers. Durch eine Mine erlitt er schwere Verletzungen, so dass er als "UK" (unabkömmlich) eingestuft wurde und nach Bayern zurückkehren durfte. Ein Jahr später lernte er die Berlinerin Ilse Kubaschewski, genannt die "Kuba", kennen, zu dieser Zeit Assistentin des Geschäftsführers Johannes Siegel beim Verleih Siegel-Monopol Film. Waldleitner und Kubaschewski wurden ein Paar und zogen in Berlin zusammen. Dort arbeitete Waldleitner fortan als Aufnahmeleiter, Produktions- und Herstellungsleiter. Nach dem Krieg leiteten Waldleitner und Kubaschewski zunächst das Kino im bayerischen Kurort Oberstdorf. 1949 zogen sie nach München, wo sie in einem ehemaligen Kohlekeller in der Sonnenstraße den Gloria Verleih gründeten.
1952 machte sich Waldleitner mit seiner Produktionsfirma Roxy Film mit Sitz am Münchner Stachus selbständig. Sein Produktionsdebüt, der Heimatfilm "Tausend rote Rosen blüh"n" (1952) mit Winnie Markus und O.W. Fischer wurde zum Kassenschlager. Es folgten weitere Unterhaltungsfilme mit beliebten Leinwandstars, etwa mit Maria Schell ("Bis wir uns wiederseh"n", 1952) und Dieter Borsche ("Die Barrings", 1955). Unter den Produktionen der Roxy befinden sich von Anfang an zahlreiche Literaturverfilmungen.
1955 kam "Oase" mit Michèle Morgan und Carl Raddatz in die Kinos – Waldleitners erste internationale Koproduktion, die gleichzeitig der erste deutsche CinemaScope-Film war.
Drei Jahre später gelang dem Produzenten der nationale wie internationale Durchbruch mit der für seine Zeit künstlerisch innovativen Satire "Das Mädchen Rosemarie" (1958). Mit Nadja Tiller in der Rolle der Frankfurter Prostituierten Rosemarie Nitribitt und unter der Regie von Rolf Thiele sorgte der Film im Deutschland der konservativen Adenauer-Ära für einen Skandal. Doch durch einstweilige Verfügungen, Auflagen der Freiwilligen Selbstkontrolle sowie kritische Stimmen aus Politik und Presse erhielt der Film noch größere Aufmerksamkeit und Popularität – zur Freude Waldleitners. Obendrein gewann er hierfür etliche Preise, etwa bei den Filmfestspielen von Venedig den Kritikerpreis als bester ausländischer Film und einen Golden Globe.
1960 heiratete Waldleitner Angela Schreiber, die ihren Sohn Michael mit in die Ehe brachte. Im selben Jahr kam die gemeinsame Tochter Prisca zur Welt.
Trotz des mächtigen Einflusses des neuen Mediums Fernsehen hielt Waldleitner in den sechziger Jahren daran fest, ausschließlich Kinofilme zu produzieren, getreu seinem selbstbewussten Motto "Wo i bin, ist der Hauptfilm". Als Mitglied im Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt setzte er sich für die staatliche Filmförderung ein, die 1968 mit Hilfe des Filmförderungsgesetzes umgesetzt werden konnte. Waldleitners ambitioniertester Film der sechziger Jahre war "Schachnovelle" (1960) mit Curd Jürgens in der Hauptrolle. Den Großteil seiner Produktion in diesem Jahrzehnt wie auch in seinem Gesamtwerk machten jedoch eher anspruchslose kommerzielle Produktionen aus, so Italo-Western, Komödien und Sex- bzw. Aufklärungsfilme.
Die Entwicklungen des deutschen Autorenkinos in den siebziger und achtziger Jahren gingen an Waldleitner nicht spurlos vorüber. Neben den äußerst erfolgreichen Leinwandadaptionen von acht Romanen des Bestsellerautors Johannes Mario Simmel, darunter "Und Jimmy ging zum Regenbogen" (1971), versuchte er den Spagat zwischen Kommerz und Anspruch. So engagierte der mit Franz Josef Strauß befreundete Waldleitner junge Autorenfilmer, die politisch vollkommen anders eingestellt waren, und ließ ihnen große künstlerische Freiheit, was ihn von anderen Altproduzenten unterschied.
Es entstanden Filme mit Wolfgang Petersen (sein Kinodebüt "Einer von uns beiden", 1974), Hans W. Geissendörfer ("Sternsteinhof", 1976, die für einen Oscar nominierte Produktion "Die gläserne Zelle", 1978, "Ediths Tagebuch", 1983) und Rainer Werner Fassbinder ("Lili Marleen", 1981). 1979 wurde Waldleitner für seine Verdienste um den deutschen Film mit dem Spezial-Bambi ausgezeichnet.
Seinen letzten Erfolg feierte Waldleitner mit "Jenseits der Stille" (1996), der für einen Oscar als bester ausländischer Film nominiert wurde. Am 15.1.1998 starb Ludwig Waldleitner.
© Ursula Kähler