Vom 7. bis 31. März zeigt das Deutsche Filmmuseum Frankfurt zehn Filme, die Michael Haneke im Rahmen einer Wunschfilmreihe ausgewählt hat. Am Donnerstag, den 15. März wird Haneke auch zu Gast im Filmmuseum sein.
Er ist einer der bedeutendsten Filmemacher der Gegenwart und sein Werk ist mit nahezu jeder großen Auszeichnung der Filmbranche gewürdigt worden; von dem Oscar® für "Liebe" ("Amour", FR/DE/AT 2013), der ebenso wie "Das weiße Band - Eine deutsche Kindergeschichte" (DE/AT/FR/IT/US 2009) jeweils auch mit einem Golden Globe Award und einer Goldenen Palme in Cannes ausgezeichnet wurde, bis hin zu zahlreichen Deutschen und Europäischen Filmpreisen. Filme wie "Benny's Video" (AT/CH 1992), "Funny Games" (AT 1997), "Die Klavierspielerin" ("La Pianiste", AT/FR/DE 2001) und "Caché" (FR/AT/DE/IT 2005) gelten längst als moderne Klassiker. Mit seinen Filmen verlangt Michael Haneke seinem Publikum einiges ab: "Ich will den Zuschauer zwingen, sich zu wehren." Erst wenn uns die Gesellschaft unheimlich werde, schrieb Die Zeit 2009, erkennen wir, wie falsch sie ist.
Das Kino des Deutschen Filmmuseums Frankfurt ehrt Michael Haneke im März mit einer Carte Blanche. Einen Monat lang präsentiert die Filmreihe jene Werke aus der Filmgeschichte, die den Regisseur besonders geprägt und beeinflusst haben. Zu jeder Vorführung erscheint Haneke selbst auf der Leinwand: In Videobotschaften erklärt er die Hintergründe seiner Auswahl und lädt das Kinopublikum dazu ein, sie unter einem neuen Blickwinkel zu betrachten.
Die Auswahl bestimmen Meister des europäischen Kinos: Andrej Tarkovskij, Robert Bresson, Jean Renoir, Roberto Rossellini und Alexander Kluge reihen sich neben den US-Amerikaner John Cassavetes und die beiden iranischen Regisseure Abbas Kiarostami und Asghar Farhadi. Am wichtigsten, sagt Haneke, sei ihm jedoch ein Film von Pier Paolo Pasolini: "Salò o le 120 giornate di Sodoma" ("Die 120 Tage von Sodom", IT/FR 1975). Am Donnerstag, 15. März, wird Michael Haneke persönlich zu Gast im Deutschen Filmmuseum sein und mit Urs Spörri (Deutsches Filminstitut) über seine Carte Blanche und seine Arbeit als Filmemacher sprechen.
Donnerstag, 15. März, 20 Uhr
Filmgespräch mit Michael Haneke
Im Anschluss, ca. 21 Uhr:
"Code: Unbekannt" ("Code Inconnu")
Frankreich/Deutschland/Rumänien 2000. R: Michael Haneke. D: Juliette Binoche, Thiery Neuvic, Josef Bierbichler. 118 Min. 35mm. OmU
Die Schauspielerin Anne dreht einen Thriller und leidet unter ihrer Beziehung zum Kriegsreporter Georges, der aufgrund seiner Arbeit fast nie zu Hause ist. Der junge Schwarze Amadou eckt mit seinem sozialen Engagement an, ein Landwirt (Josef Bierbichler) wird in die Isolation getrieben und eine ausgewiesene illegale Einwanderin will um jeden Preis nach Frankreich zurückkehren. Fragmentarisch erzählt "Code: Unbekannt" von der "neuen Völkerwanderung, die ja das große Thema dieses Jahrhunderts sein wird", wie Michael Haneke bereits im April 2000 sagte.
Vor dem Film spricht Urs Spörri (DIF) mit Michael Haneke über seine Filmauswahl. Das Filmgespräch findet im Foyer im EG statt.
Eintritt: 9 Euro / 7 Euro ermäßigt, nur Filmgespräch: 5 Euro
Das restliche Programm der Carte Blanche:
Mittwoch, 7. März, 20:30 Uhr, und Freitag, 16. März, 18 Uhr
"Zerkalo" ("Der Spiegel")
Sowjetunion 1975. R: Andrej Tarkovskij. D: Margarita Terekhova, Filipp Yankovskij, Ognat Daniltsev. 107 Min. DCP. OmU
Frisch von seiner Frau Natalja getrennt, blickt Alexej in einer Mischung aus geträumter und realer Erinnerung auf sein Leben: Lange Rückblenden auf private Ereignisse wie einen Sommeraufenthalt auf dem Land reihen sich an Traumsequenzen und zeithistorische Filmdokumente, etwa aus dem Spanischen Bürgerkrieg. Alexej versucht, Bilanz darüber zu ziehen, was in seinem Leben wertvoll war. "Der Spiegel" ist Tarkovskijs persönlichster Film, in dem er sein Konzept von "Film als Bildhauerei aus Zeit" durch die philosophische Verschlüsselung und die vielschichtige Montage meisterlich umsetzt.
Freitag, 9. März, 18 Uhr und Sonntag, 18. März, 20:30 Uhr
"La Règle Du Jeu" ("Die Spielregel")
Frankreich 1939. R: Jean Renoir
D: Marcel Dalio, Nora Gregor, Paulette Dubost. 110 Min. 35mm. OmU
Der Pilot André Jurieux kehrt nach seinem Rekordflug über den Atlantik zurück und muss feststellen, dass seine Geliebte ihn bei der Ankunft nicht erwartet. Um die adelige Christine zurückzugewinnen, ist er zu allem bereit. Bei einem Jagdwochenende in feiner Pariser Gesellschaft kommt nicht nur die Affäre der beiden ans Tageslicht und die Lage eskaliert. Das Originalnegativ des als "demoralisierend" von der französischen Militärzensur zunächst verbotenen Werks wurde bei einem Bombenangriff zerstört - heute gilt der Film als Renoirs Meisterwerk.
Samstag, 10. März, 20:30 Uhr und Mittwoch, 21. März, 18 Uhr
"Deutschland im Jahre Null"
Italien/Deutschland (West)/ Frankreich 1948. R: Roberto Rossellini
D: Edmund Moeschke, Ernst Pittschau, Ingetraud Hinze. 78 Min. 35mm. dt OF mit engl. UT
Berlin, 1945: Die Familie des zwölfjährigen Edmund nagt in der zerbombten Stadt am Hungertuch. Der Vater ist schwer herzkrank, und Edmunds älterer Bruder, der als Soldat an der Front war, versteckt sich vor den Alliierten. So ist es der kleine Edmund, der alles daran setzt, um der Familie etwas Essen zu besorgen. In den Ruinen Berlins erzählt Roberto Rossellini von dem verzweifelten Versuch eines Neuanfangs und schuf einen Klassiker des italienischen Neorealismo - in deutscher Sprache. Wie kaum ein anderer Film zeigt dieser die Zerrissenheit der Bevölkerung zur Stunde Null.
Sonntag, 11. März, 20:30 Uhr und Samstag, 24. März, 20:15 Uhr
"Salò o le 120 giornate di Sodoma" ("Die 120 Tage von Sodom")
Italien/Frankreich 1975. R: Pier Paolo Pasolini
D: Paolo Bonacelli, Laura Betti, Giorgio Cataldi. 117 Min. 35mm. OmeU
Die Handlungsorte von Pier Paolo Pasolinis Skandalfilm: Salò, Mussolinis letzter Aufenthaltsort (1944/45), und Marzabotto, der Ort des schlimmsten Nazi-Massakers in Italien. Vier Regimevertreter, eingefleischte Nietzsche- und Baudelaire-Kenner, organisieren eine Jagd auf Jungen und Mädchen aus der Bevölkerung, um diese mit Hilfe von faschistischen Soldaten sadistisch zu foltern und zu ermorden. Die Handlung orientiert sich an den drei Höllenkreisen Dantes: den Kreis der Leidenschaften, den Kreis der Scheiße und den Kreis des Blutes. Michael Haneke adelt SALÒ mit den Worten: "Es ist der Film, der meine Arbeit am meisten beeinflusst hat."
Samstag, 17. März, 20:30 Uhr
"Au hasard Balthazar" ("Zum Beispiel Balthasar")
Frankreich 1966. R: Robert Bresson
D: Anne Wiazemsky, Walter Green, François Lafarge. 95 Min. DCP. OmeU
Der Film folgt dem Bauernmädchen Marie und ihrem geliebten Esel Balthazar über mehrere Jahre. Balthazar muss während dieser Zeit als stumme Kreatur jede Qual erdulden: Er wird als Lastesel missbraucht, als Zirkusattraktion dressiert und gepeitscht. Stoisch und würdevoll erträgt das Tier die Untaten. Und auch Marie erfährt Misshandlung durch ihren Liebhaber Gérard. Anhand der beiden Schicksale schildert Bresson den Zyklus des Lebens. Godard sagte über "Zum Beispiel Balthasar": "Dieser Film ist wahrhaftig die Welt in anderthalb Stunden."
Freitag, 23. März, 18 Uhr, und Mittwoch, 28. März, 20:30 Uhr
"Jodaeiye Nader az Simin" ("Nader und Simin - eine Trennung")
Iran/Frankreich 2011. R: Asghar Farhadi
D: Payman Maadi, Leila Hatami, Sareh Bayat. 123 Min. 35mm. OmU
Nach dem Silbernen Bären für "Alles über Elly" (IR/ FR 2009) erhielt Asghar Farhadi 2011 den Hauptpreis der Berlinale für "Nader und Simin - eine Trennung". Darin erzählt er von dem Ehepaar Nader und Simin, das nach vierzehn Ehejahren vor dem Scheidungsrichter steht: Simin will den Iran verlassen, um ihrer Tochter eine bessere und freie Zukunft zu ermöglichen, während Nader das wegen seines kranken Vaters strikt ablehnt. Das Gericht verweigert die Scheidung, woraufhin Simin zu ihrer Mutter zieht. Nader stellt als Haushaltshilfe die aus einer religiösen Familie stammende Razieh ein und setzt damit eine tragische Entwicklung in Gang.
Sonntag, 25. März, 17 Uhr
"A Woman Under the Influence" ("Eine Frau unter Einfluß")
USA 1974. R: John Cassavetes
D: Gena Rowlands, Peter Falk, Fred Draper. 155 Min. 35mm. OmU
Eine typische US-amerikanische Vorstadt: Nick Longhetti arbeitet als Vorarbeiter auf dem Bau, während seine Frau Mabel zu Hause auf die drei Kinder aufpasst. Das Bild der Musterfamilie beginnt jedoch bald zu bröckeln: Mabel, die an psychischen Problemen leidet, hat ihren Mann mit einem Fremden betrogen. Als sie fortan ein immer merkwürdigeres Verhalten an den Tag legt, kommt es zur Katastrophe. Gena Rowlands (im wahren Leben die Ehefrau des Regisseurs) erhielt für ihr brillantes Spiel den Golden Globe. Und Peter Falk ist hier in der Rolle seines Lebens zu sehen.
Freitag, 30. März, 18 Uhr
"Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos"
BRD 1968. R: Alexander Kluge
D: Hannelore Hoger, Sigi Grau, Alfred Edel. 104 Min. 35mm
Der Artist Manfred Peickert träumt in der Zirkuskuppel von neuen Ideen, stürzt jedoch tödlich ab, bevor er sie realisieren kann. Seine Tochter Leni beschließt in ihrer Trauer, sich seines Projekts eines "Reformzirkus" anzunehmen. Sie berät sich mit Experten und ihrem Jugendfreund Dr. Busch, der ihr vermittelt: "Nur als Kapitalist ändert man das, was ist!" In seinem mehrfach preisgekrönten Essayfilm arbeitet Alexander Kluge mit faszinierenden Montagen, wie Hitlers Auftritt beim "Tag der deutschen Kunst" 1939, der von einer spanischen "Yesterday"-Version der Beatles unterlegt ist."
Samstag, 31. März, 20:30 Uhr
"Khane-ye doust kodjast?" ("Wo ist das Haus meines Freundes?")
Iran 1987. R: Abbas Kiarostami
D: Babek Ahmed Poor, Ahmed Ahmed Poor, Khodabakhsh Defaei. 83 Min. 35mm. OmU
Ein Schuljunge will einem Kameraden im Nachbardorf ein Schulheft bringen, das er aus Versehen mit nach Hause genommen hat. Dem Freund drohen in der autoritären Schule ernsthafte Konsequenzen, wenn er die Hausaufgaben nicht machen kann. Weil ihn die Erwachsenen jedoch nicht beachten und er das Haus nicht findet, erledigt der Junge die Aufgaben schließlich selbst. Ein Meisterstück des filmischen Minimalismus von Abbas Kiarostami, das mit dieser kleinen Geschichte aus dem Blickwinkel eines Kindes tiefe Einblicke in die Gesellschaft und die Alltagsbewältigung im ländlichen Iran gibt.
Quelle: www.deutsches-filmmuseum.de