Paul Ritter von Schrott: Leitfaden für Kinooperateure und Kinobesitzer (1919, 4. Aufl.)

Quelle: Jeanpaul Goergen
Buch-Innentitel

Für den 1919 in vierter Auflage erschienenen "Leitfaden für Kinooperateure und Kinobesitzer" gilt das gleiche wie das über Paul Liesegangs "Handbuch der praktischen Kinematographie" (6. Auflage 1919) und Hans Lehmanns "Die Kinematographie" (2. Auflage 1919) Gesagte, dass sich nämlich durch den Vergleich der jeweils bearbeiteten Neuauflagen durchaus der filmtechnische Fortschritt ablesen und nachvollziehen lässt.

Der Leitfaden des Österreichers Dr. Paul [Ritter von] Schrott erschien zwischen 1913 und 1930 in sieben jeweils neubearbeiteten Auflagen; die letzte Edition unter dem Titel "Leitfaden zur Vorführung von Lauf- und Tonbildern für Vorführer und Theaterbesitzer". Schrott adressierte vorrangig Kinooperateure und Besitzer von Lichtspieltheatern und geht daher ausführlich auf die elektrotechnischen Grundlagen, die Einrichtung, Funktionsweise und Betrieb von Projektoren ein. Hinzu kommen praktische Tipps etwa zur Pflege und Reparatur des Films und Ratschläge bei etwaigen Störungen der Vorführung wie Unschärfen und unruhiger Bildstand. Ein kleines Kapitel über die Herstellung von Filmaufnahmen beschreibt das Einfärben der Filme sowie einige optische Filmtricks.

Die vierte Auflage 1919 ist im Vergleich zur dritten Auflage 1918 im Wesentlichen unverändert, allerdings wurden viele Illustrationen erneuert und einige neu hinzugefügt. Schrott verzichtet nun auf das in Friedenszeiten nicht mehr relevante Kapitel über die Kriegskinematographie und seine Ausführungen über das Feldkinowesen und die Feldkinozüge. Neu hinzugekommen sind ein kurzer historischer Überblick über die Geschichte des Films (S. 1-3) sowie kursorische Ausführungen über Farbenwiedergabe, stereoskopische und wissenschaftliche Kinematographie (S. 233-237). Die in der Kapitelüberschrift (S. 233) versprochenen Angaben zur "Tonwiedergabe" fehlen aber.

Der Anhang (S. 239-269) versammelt gesetzliche Bestimmungen zur öffentlichen Vorführung von Filmen in Österreich und Deutschland (Berlin, Bayern, München, Sachsen und Hamburg). Interessant ist ein kleiner Abschnitt über die Ausübung der Berliner Filmzensur, der auch schon in der 2. Auflage 1916 enthalten war. "Man fertige eine kurz und präzise gehaltene Inhaltsbeschreibung des Films mit Duplikat an: ebenfalls in duplo eine Aufstellung von Haupt- und sämtlichen Zwischentiteln (auch Briefe etc.) mit Ursprungsfirma und Längenangabe des Films. Bei größeren Films empfiehlt sich eine vorherige telefonische Anfrage beim Berliner Polizeipräsidium, Berlin, Magazinstraße 3-5." Acht Tage nach der Filmzensierung liege dort die Zensurkarte zur Abholung bereit. "Dortselbst werden auch die vervielfältigen Exemplare [...] unterstempelt." In dringenden Fällen wie etwa bei Aktualitäten würden die Filme auch außerhalb der Dienststunden geprüft; hier sei aber eine vorherige Anfrage vonnöten (S. 266).

Zahlreiche Inserate etwa zu Ica- und Ernemann-Projektoren, Kino-Kohlen und sonstigem Zubehör für die Vorführung aus Deutschland und Österreich (S. 280-296) beschließen den Band.

Dr. Paul Ritter von Schrott wird auf dem Innentitel des Buchs als Baurat und Privatdozent an der Technischen Hochschule in Wien vorgestellt. Geboren 1880 in Triest, gestorben 1978 in Wien, gilt er als Pionier der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Film an einer österreichischen Hochschule. Sein Wirken an der Technischen Universität Wien hat Paulus Ebner (2016) ausführlich beschrieben.

Literatur: 
- Dr. W. Merté: Die Grundlagen der Kinematographie. In: Die Naturwissenschaften, 7. Jg., Nr. 25, 20.6.1919, S. 435-443
- Paulus Ebner: "Weil es sonst niemand tut!" Beiträge der TU Wien zu Entwicklung, Geschichte und Kultur des Films. In: Juliane Mikoletzky (Hg.): Die Technik und die Musen. Kunst und Kultur im Umfeld der Technischen Universität Wien. Wien: Böhlau Verlag 2016, S. 65-88

(Jeanpaul Goergen, Januar 2025)

Paul Ritter von Schrott: Leitfaden für Kinooperateure und Kinobesitzer. Wien: Waldheim-Eberle AG, Leipzig: Otto Klemm 1919, 4., vermehrte und verbesserte Auflage, XVI, 296 Seiten, 129 Abb. [= Technische Praxis; 12]
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