Dagmar Hirtz
Dagmar Hirtz wurde am 29. Mai 1941 in Aachen geboren. Nach dem Abitur begann sie zunächst ein Studium der Musikwissenschaften in München, das sie jedoch abbrach. Sie bekam eine Stelle in einem Kopierwerk und kam auf diesem Weg zum Filmschnitt. Nachdem sie als Assistentin des renommierten Schnittmeisters Carl Otto Bartning erste Erfahrungen gesammelt hatte, wurde Hirtz für den Schnitt bei dem Kurt-Hoffmann-Film "Das Haus in der Karpfengasse" (1965) engagiert, direkt gefolgt von den Hoffmann-Filmen "Dr. med. Hiob Prätorius" (1965) und "Hokuspokus oder: Wie lasse ich meinen Mann verschwinden...?" (1966), bei denen sie zudem als Regieassistentin fungierte. "Durch diese Doppelfunktion konnte ich schon beim Drehen auf den Schnitt hinarbeiten, indem man etwa zu kurze Einstellungen vermied", erzählte sie 2006 in einem Interview.
Mit den Hoffmann-Filmen etablierte sich Hirtz, die nie eine formelle Editoren-Ausbildung absolvierte, als versierte Schnittmeisterin. "Ich wuchs mit Hausmusik auf", so Hirtz im Interview 2006, "vielleicht ist es ja diese frühe musikalische Erfahrung, die mich für meinen späteren Beruf geprägt hat. Denn mit einem Gefühl für Rhythmus hat die Montage von Filmen allemal zu tun."
Für Johannes Schaaf montierte sie "Tätowierung" (1967), der zu Beginn der Studentenrevolte den damaligen Generationenkonflikt thematisierte, und die Joseph-Roth-Verfilmung "Trotta" (1971). Für diesen Film wurde sie erstmals mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet. In den folgenden Jahren arbeitete sie mit einer Reihe weiterer renommierter Regisseure, etwa Veit Relin (die antiklerikale "Pfarrhauskomödie", 1972), Vojtěch Jasný (die Böll-Adaption "Ansichten eines Clowns", 1975) und Alf Brustellin und Bernhard Sinkel (die vielfach preisgekrönte Schwesterngeschichte "Der Mädchenkrieg", 1977).
Eine besonders intensive Zusammenarbeit verband sie mit Maximilian Schell, für den sie zwischen 1970 und 1984 bei fünf Filmen für den Schnitt verantwortlich zeichnete, darunter "Der Richter und sein Henker" (1975), für den sie ihren zweiten Deutschen Filmpreis gewann, "Geschichten aus dem Wienerwald" (1979) und "Marlene" (1984). Margarethe von Trotta engagierte Hirtz für "Die bleierne Zeit" (1981), "Heller Wahn" (1983) und "Rosa Luxemburg" (1986), die zu den besten Filmen der Regisseurin zählen.
Nachdem Hirtz bei einigen Regisseuren auch als deren Assistentin Erfahrungen gesammelt hatte, gab sie 1984 ihr eigenes Regiedebüt: "Unerreichbare Nähe" (1984, auch Produktion, Schnitt und Drehbuch) lief auf mehreren internationalen Festivals (u.a. in Chicago und Montréal) und erhielt positive Kritiken. Trotzdem blieb es für die nächsten zehn Jahre ihre einzige Regiearbeit.
Für den Schnitt bei Klaus Maria Brandauers "Georg Elser – Einer aus Deutschland" (1989) wurde sie zum dritten Mal mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet. Weitere bedeutende Werke ihrer Laufbahn sind Loriots "Ödipussi" (1988), Peter Sehrs "Das serbische Mädchen" (1990) und Volker Schlöndorffs "Homo Faber" (DE/FR/GR 1991). Mit der in Irland spielenden Brüder- und Liebesgeschichte "Moondance" (DE/IR/GB 1994) inszenierte sie ihren zweiten Kinofilm. 1996 wurde sie beim Münchner Filmfest mit dem Filmpreis der Landeshauptstadt München für ihr Lebenswerk geehrt. Im Jahr darauf startete ihr letzter Film als Editorin: Jürgen Flimms "Through Roses" (1997).
Stattdessen verlegte Hirtz sich auf die Regie und inszenierte in den kommenden 15 Jahren eine Reihe von Fernsehfilmen. Die Bandbreite reichte dabei von der lesbischen Liebesgeschichte "Die Konkurrentin" (1997) über die mehrfach preisgekrönte, moderne Märchenadaption "Küss mich, Frosch" (2000) bis zu dem Mutter-Tochter-Drama "Sie ist meine Mutter" (2006). Der Journalistenthriller "Ich wollte nicht töten" (2006) wurde beim Filmfest Hamburg mit dem Hamburger Produzentenpreis ausgezeichnet. Ebenfalls 2006 erhielt Hirtz bei Filmplus, dem Kölner Festival für Filmschnitt und Montagekunst, den Schnitt-Preis für ihre Lebensleistung. Bemerkenswert ist, dass Dagmar Hirtz bei ihren eigenen Filmen ab 1997 nie selbst als Editorin fungierte, sondern in Nicola Undritz eine feste Schnittmeisterin hatte.
Hirtz' wohl größter Erfolg als Regisseurin war das auf wahren Begebenheiten basierende Historiendrama "Die Hebamme – Auf Leben und Tod" (DE/AT 2009), für das sie unter anderem einen Grimme-Preis erhielt. Ihre letzte Regiearbeit war das TV-Drama "Herzversagen" (2012), über eine junge Klinikärztin (Maria Simon), die nach einer angeblichen Fehldiagnose eine Stelle als Landärztin antritt.
Dagmar Hirtz war bis 2018 Mitbetreiberin des renommierten Münchner Arri-Kinos.