Karin Baal
Karin Blauermel, geboren am 19. September 1940 in Berlin, besuchte nach dem Abschluss der Mittleren Reife eine Schule für Modezeichnen, bevor sie eher durch Zufall eine Schauspielkarriere einschlug: Aufgrund einer Zeitungsanzeige, in der "ein Typ wie Marina Vlady" gesucht wurde, ging sie zum Vorsprechen für Georg Tresslers Film "Die Halbstarken" – und erhielt prompt die Hauptrolle sowie einen Vertrag über eine dreijährige Schauspielausbildung.
1959 stand sie als Chinesenmädchen Su Shu Chan in Günther Weisenborns "15 Schnüre Geld" im Münchner Theater an der Brienner Straße zum erstenmal auf der Bühne. In den folgenden Jahrzehnten spielte sie regelmäßig Theater, so etwa in Zürich, am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, an den Münchner Kammerspielen und in Berlin am Renaissance-Theater. 1977 ging sie in der Böll-Inszenierung "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" auf Tournee. Bei den Salzburger Festspielen 1982 spielte sie unter der Regie von Wim Wenders in Peter Handkes "Über die Dörfer".
Im Kino prägte ihre Debütrolle in "Die Halbstarken", in dem sie eine selbstsichere 15-jährige verkörpert, die auch älteren Jungen überlegen ist, in den ersten Jahren Baals Leinwand-Image. So spielte sie eine jugendliche Verbrecherin in "Der Jugendrichter", die Verführerin des Vaters einer Freundin in "Die junge Sünderin" oder die Nachfolgerin der ermordeten Prostituierten Nitribitt in "Das Mädchen Rosemarie". Auf der anderen Seite legten die Edgar-Wallace-Verfilmungen "Die toten Augen von London" und "Der Hund von Blackwood Castle" die Schauspielerin auf die Rolle der bedrohten Unschuld fest.
Mit Beginn der 1970er Jahre verlegte Karin Baal ihr Betätigungsfeld vor allem aufs Fernsehen, wo man sie in gehobenen Unterhaltungsfilmen zumeist in kleineren und größeren Nebenrollen sah. Auch die Regisseure des Neuen deutschen Films entdeckten sie erst spät und besetzten sie lediglich in Nebenrollen. Bei Fassbinder etwa spielte sie Franz Biberkopfs Schwägerin in "Berlin Alexanderplatz", eine Widerstandskämpferin in "Lili Marleen" und die Mutter der Titelfigur in "Lola".
Tragende Rollen, die ihr Talent voll nutzten, blieben selten: In Ula Stöckls Zwei-Personen-Stück "Erikas Leidenschaften" beispielsweise wird sie zunächst als "Frauchen" eingeführt, bringt im weiteren Verlauf der Geschichte jedoch zusehends ihre Souveränität ins Spiel. In Vadim Glownas "Desperado City" bekam sie in der Rolle einer alternden Taxifahrerin die Gelegenheit, ihre einstige Stärke noch einmal in die Persönlichkeit einer in die Jahre gekommenen Frau zu legen. Der ehemalige Filmkritiker Hans-Christoph Blumenberg engagierte Baal 1984 für sein Regiedebüt "Tausend Augen"; unter der Regie von Thomas Brasch spielte sie in "Engel aus Eisen" die Mutter des Berliner Nachkriegs-Gangsters Gladow.
Wenngleich Karin Baal in erster Linie in Fernsehspielen und Serien zu sehen war, nahm sie gelegentlich auch Nebenrollen in ambitionierten Kinofilmen an. So sah man sie in Thomas Braschs letztem Film, dem Schuld-und-Sühne-Drama "Der Passagier – Welcome to Germany" (1988), an der Seite von Tony Curtis und Matthias Habich; in Peter Kahanes Komödie "Cosimas Lexikon" (1992) mit Iris Berben und Ralf Richter; in Carlo Rolas aufwändigem Gangsterfilm "Sass" (2001) als Mutter der Ganoven Ben Becker und Jürgen Vogel; oder in Niels Lauperts auf wahren Ereignissen basierendem Jugenddrama "Sieben Tage Sonntag" (2007; Kinostart: März 2009), in dem sie die Großmutter eines Jugendlichen spielt, der zum Mörder wird.
Andreas Kleinert besetzte sie in dem TV-Drama "Hurenkinder" (2008) in einer kleinen, aber bedeutenden Rolle: als gealterte "Puffmutter" und Mutter der Hauptfigur (Nina Kunzendorf), einer skrupellosen Journalistin. Serien-Gastrollen spielte Baal in "Soko Köln" (2009) und "Pfarrer Braun" (2009). Ihren bislang letzten, kleinen Auftritt vor der Kamera hatte sie 2011 in Carlo Rolas Roadmovie "Vergiss nie, dass ich Dich liebe", erneut als Mutter der Hauptfigur.
Im Jahr 2018 wurde Karin Baal mit dem damals neu gegründeten Götz-George-Preis ausgezeichnet, der vornehmlich ältere Schauspieler*innen ehren soll, die sich um den Beruf der Schauspielkunst verdient gemacht haben.
Karin Baal war viermal verheiratet: Von 1960 bis 1961 mit Karlheinz Gafkus, ihrem Filmpartner aus "Die Halbstarken", mit dem sie auch einen Sohn hat. Von 1962 bis 1977 mit dem Schauspieler Helmut Lohner, mit dem sie die Tochter Therese bekommt, die ebenfalls Schauspielerin wird. In dritter Ehe heiratet Baal den Schauspieler Volker Eckstein, dessen Tod im Jahr 1993 sie in eine tiefe Krise stürzt: Sie zieht sich zurück, dreht bis Ende der 1990er Jahre kaum Filme. Im Jahr 2000 heiratet sie schließlich einen jungen kurdischen Schauspieler, den sie dadurch vor der Abschiebung bewahrt. Seit 2004 leben die beiden getrennt.