Annette Focks
Annette Focks, 1964 im niedersächsischen Thuine bei Lingen/Ems geboren, spielte bereits als Kind mehrere Instrumente und komponierte ihre ersten Stücke im Alter von zehn Jahren. Noch als Schülerin legte sie die D- und C-Organistenprüfung erfolgreich ab und war Chorleiterin in Lingen. 1985 nahm Focks ein Studium an der Kölner Musikhochschule auf, das sie 1993 abschloss. Während ihres Studiums spielte sie in verschiedenen Bands und klassischen Musikformationen und nahm zwei Alben mit der Band "Die weißen Männer" auf. Nachdem sie für ihre Freundin Mathilde Kohl den Studentenfilm "Das Blau des Himmels" vertont hatte, beschloss Focks, Filmkomponistin zu werden: Sie ging nach München, wo sie von 1996 bis 1998 an der Hochschule für Musik und Theater ein Diplom-Studium im Fachbereich "Komposition für Film und Fernsehen" absolvierte. Weitere Ausbildungsstationen folgten, als sie 1998 im Rahmen der European Biennial for Music diverse Kurse und 2002 in Los Angeles einen Workshop beim renommierten Hollywood-Orchestrator Steven Scott Smalley besuchte.
Nach Kompositionen für mehrere Kurzfilmprojekte verfasste Focks im Jahr 2000 für das Fernsehspiel "Schwiegermutter" von Dagmar Hirtz ihre erste Musik für einen abendfüllenden Spielfilm. In den kommenden Jahren arbeitete sie an zahlreichen Kino- und TV-Produktionen, darunter hoch gelobte Filme wie "Als Großvater Rita Hayworth liebte" (2001), "Ins Leben zurück" (2003) und "Die Wilden Hühner" (2006). Für ihre Musik zu der "Bella Block"-Folge "...denn sie wissen nicht, was sie tun" wurde sie mit dem Deutschen Fernsehpreis 2005 ausgezeichnet. Ihre eindringliche Komposition zum erfolgreichen Drama "Vier Minuten" (2006) brachte ihr eine Nominierung zum Europäischen Filmpreis ein, die Musik für Rainer Kaufmanns "Ein fliehendes Pferd" (2007) eine Nominierung für den Deutschen Filmpreis 2008. Ein Jahr darauf wurde sie für Marco Kreuzpaintners Ottfried-Preußler-Verfilmung "Krabat" erneut nominiert. In der Zwischenzeit konnte sie ihr Talent in so unterschiedlichen Werken und Genres wie dem Familiendrama "Der Architekt" (2008), der Verfilmung des Kult-Krimihörspiels "Die drei ??? - Das verfluchte Schloss" (2009), sowie dem historischen Filmdrama "John Rabe" (2009) unter Beweis stellen. Focks Musik passt sich dabei stets feinfühlig der jeweiligen Stimmung und Machart der Filme an und variiert von breitem Hollywood-Sound bis hin zur intimen Melodie. Gleichzeitig arbeitete die Komponistin erneut für etliche Fernsehproduktionen. Mit der Musik zum historischen Baltikum-Drama "Poll", ihrer zweiten Zusammenarbeit mit Chris Kraus, war Focks dann beim Internationalen Filmfestival in Rom 2010 erfolgreich, wo sie für die "Beste Filmmusik" ausgezeichnet wurde. Zudem wurde sie mit diesem Score für den Preis der Deutschen Filmkritik nominiert.
Mit ihren Kompositionen zu "Dschungelkind" (2011) und "Dreiviertelmond" (2011), in dem sie die kollidierenden Welten der beiden Hauptfiguren musikalisch erfahrbar machte, bewies Focks eindrucksvoll, wie wirkungsvoll sie klangliche Eigenarten anderer Kulturen in ihre Scores einfließen lassen kann. Sie selbst arbeitete im Anschluss ebenfalls auch außerhalb des deutschen Films und wurde 2012 mit der internationalen Koproduktion "Simon" (2011) für den schwedischen Filmpreis Guldbagge nominiert. Auch bei "Nachtzug nach Lissabon", einer weiteren internationalen Produktion, zeichnete sie 2013 für die Musik verantwortlich. Im gleichen Jahr erhielt Focks schließlich den Deutschen Musikautorenpreis (GEMA-Autorenpreis) in der Kategorie Komposition Filmmusik. 2014 wurde sie für ihre Musik zu Katja von Garniers Jugendfilm "Ostwind" (2013) erneut für den Deutschen Filmpreis nominiert.
Auch in den folgenden Jahren blieb Focks eine vielgefragte Film- und TV-Komponistin. Neben drei weiteren Filmen der "Ostwind"-Reihe (2015, 2017 und 2019), komponierte sie die Soundtracks für zahlreiche TV-Produktionen von namhaften Regisseur*innen wie Matti Geschonneck ("Das Zeugenhaus" 2014), Aelrun Goette ("Im Zweifel" und "Atempause", 2015 und 2017) oder Wolfgang Murnberger ("Kästner und der kleine Dienstag", 2016). Dazwischen und danach schrieb sie die Musik für eine Reihe von Kinoproduktionen, darunter Karoline Herfurths romantisches Drama "SMS für Dich" (2016) und ihre Komödie "Sweethearts" (2019) mit Hannah Herzsprung als Bankräuberin, die sich unfreiwillig mit der chaotischen Geisel (dargestellt von Herfurth) auseinandersetzen muss, oder auch Katja Benraths "Rocca verändert die Welt", der 2019 die Lola für den Besten Kinderfilm gewann.
Bereits 2017 lief die deutsch-belgische und auf wahren Begebenheiten beruhende Koproduktion "Eleanor & Colette" (DE BE, Regie: Bille August) in den Kinos an, in dem Helena Bonham Carter und Hilary Swank als Schizophrenie-Patientin bzw. deren idealistische Anwältin im Kampf gegen Pharmaindustrie und Medizin-Establishment zu sehen sind.
Mit Regisseur Chris Kraus arbeitete sie über die Jahre zwei weitere Male zusammen und steuerte die Musik zu dessen preisgekröntem Drama "Die Blumen von gestern" (2016) mit Lars Eidinger und Adèle Haenel ebenso bei wie zu dessen "15 Jahre" (DE AT), einer Fortsetzung seines ebenfalls preisgekrönten Dramas "Vier Minuten", die 2023 in die Kinos kommen soll.
Zuvor arbeitete sie 2021 erneut mit Herfurth zusammen, bei deren Spielfilm "Wunderschön" (2020). Für ihre Musik zu diesem episodenhaften Film über fünf Frauen im Konflikt mit den traditionellen Schönheitsidealen und Geschlechterrollen der westlichen Gesellschaften erhielt sie 2022 ihre dritte Nominierung für den Deutschen Filmpreis - und gewann die Lola.
Neben ihrer Arbeit im Film verfasst Annette Focks Kammermusik und Arrangements für Orchester, die unter anderem von den Ensembles des Bayerischen Rundfunks und des WDR aufgeführt wurden.