Rudolf Thome
Rudolf Thome, geboren am 14. November 1939 in Wallau (heute: Biedenkopf) als Sohn eines Buchhändlers, beginnt 1960 ein Studium der Germanistik und Geschichte, zunächst in München, später in Bonn. Noch während des Studiums beginnt Thome 1962, erste Filmkritiken für den Bonner Generalanzeiger zu schreiben. Im gleichen Jahr kehrt er nach München zurück, wo er bis 1968 als Filmkritiker für die Süddeutsche Zeitung tätig ist. Daneben publiziert er Texte in der Zeitschrift Film (1963/64) und schreibt später auch für die wegweisende Filmzeitschrift Filmkritik. In Co-Regie mit Eckhart Schmidt dreht Thome 1964 "Die Versöhnung", einen 8-mm-Kurzfilm, den er wenig später in Alleinregie auf 16mm neu dreht. 1965 gründet Thome gemeinsam mit Klaus Lemke und Max Zihlmann die Produktionsfirma Alexandra-Film.
In den folgenden Jahren inszeniert Thome weitere Kurzfilme und ist als Produktionsleiter an Kurzfilmen seiner Freunde und Kollegen Lemke und Zihlmann beteiligt. 1968 gibt Thome mit "Detektive" sein Langfilmdebüt; ein Jahr später folgt "Rote Sonne" mit Marquard Bohm und Uschi Obermaier, der ebenso wie "Detektive" zu einem Schlüsselwerk der Münchner Filmmacher-Szene der späten 60er Jahre avanciert.
Als Vorbild nennt der Filmliebhaber und ehemalige Filmkritiker Thome immer wieder Howard Hawks – vor allem wegen dessen starker und komplexer Frauenfiguren und seines geradlinigen, "einfachen" Erzählstils.
Mit dem Fernsehfilm "Supergirl" (einer freien Adaption des DC-Comics) und dem Großstadtdrama "Fremde Stadt" schließt Thome seine "Schwabinger Phase" ab: Im Jahr 1973 zieht er mit seiner damaligen Frau, der Filmmacherin Karin Thome, nach West-Berlin. Neben seiner Arbeit als Regisseur schreibt er Filmkritiken für den "Tagesspiegel" und die Stadtzeitschrift "Hobo". Außerdem gehört Thome zum Team des Arsenal Kinos und des Internationalen Forums des jungen Films der Berlinale. Im Rahmen des "Forums" haben auch seine nächsten Filme Premiere: "Made in Germany und USA" (1974) und "Tagebuch" (1975), der mit dem FIPRESCI-Preis ausgezeichnet wird. Das Besondere an diesen Filmen ist, dass sie ohne reguläres Drehbuch gedreht und weitgehend von Regisseur und Darstellern am Set improvisiert wurden. Der Grund für diese ungewöhnliche Maßnahme: Thomes langjähriger Drehbuchautor Max Zihlmann wollte seinem Partner nicht nach Berlin folgen und hatte die Zusammenarbeit aufgekündigt – aus dieser Not machte Thome die Tugend der dialogischen Improvisation.
Für die Produktion seines nächsten Projekts, des ethnografischen Spielfilms "Beschreibung einer Insel", gründet Thome gemeinsam mit der britischen Filmmacherin Cynthia Beatt 1977 die Moana-Film GmbH, unter deren Label er bis heute seine Filme produziert.
1980 beginnt mit "Berlin Chamissoplatz", der ihm den Gildepreis für den zweitbesten deutschen Film einbringt, eine neue Schaffensperiode, die von präzise aber unaufwendig inszenierten Liebes- und Beziehungsproblemen geprägt ist und die Lebenssituation in Berlin nachzeichnet. Mit "Tarot" (1985) nimmt Thome wieder – nach "Tagebuch" und "Stella" (1966) – Goethes Thema der Wahlverwandtschaften auf, das auch 1994 in "Das Geheimnis" zum Tragen kommt.
Mit "Das Mikroskop" beginnt Thome 1987 seinen filmischen Zyklus "Formen der Liebe", den er 1988 mit "Der Philosoph" fortsetzt und 1989 mit "7 Frauen" abschließt. Für "Der Philosoph" erhält Thome 1989 beim Filmfestival von Montréal den Preis der Internationalen Filmkritik.
Die diversen Formen und Spielarten der Liebe spielen bis heute eine zentrale Rolle in Thomes Filmen, die stilistisch immer wieder an die filmischen Reflexionen der Franzosen Marivaux und Eric Rohmer erinnern: So etwa "Liebe auf den ersten Blick" (1991), "Das Geheimnis" und "Just Married" (1998). Wie schon "venus.de - Die bewegte Frau" (2000) ist auch "Frau fährt, Mann schläft" (2004) mit Karl Kranzkowski und Hannelore Elsner als Ehepaar am Scheideweg eine differenziert erzählte und fotografierte Familiengeschichte, die von den üblichen Klischees dieses Genres abweicht.
Seit ihrer Rolle in "Rot und Blau" spielt Elsner in mehreren Werken Thomes, der fast jedes Jahr einen neuen Film inszeniert, die weibliche Hauptrolle – so auch in dem gelobten "Das Sichtbare und das Unsichtbare", der beim Hessischen Filmpreis 2007 mit dem "Förderpreis" ausgezeichnet wird. Bei "Pink", auf der Berlinale 2009 vorgestellt, übernimmt Hannah Herzsprung den Hauptpart der jungen Dichterin auf der Suche nach dem richtigen Ehemann.
Ein Jahr darauf dreht Thome mit "Das rote Zimmer" einen Film über die ungewöhnliche Dreiecksbeziehung zwischen einem Kussforscher und einem lesbischen Pärchen. Auch mit "Ins Blaue", einem Film übers Filmemachen, der 2012 in die Kinos kommt, bleibt Thome den Farbreferenzen in seinen Filmtiteln treu.
Danach wird es einige Jahre ruhig um Thome. Im Forum der Berlinale 2016 feiert schließlich ein Dokumentarfilm Premiere, bei dem er selbst im Mittelpunkt steht: In "Rudolf Thome - Überall Blumen" zeichnet Serpil Turhan, die als Schauspielerin und Regieassistentin mehrfach mit Thome arbeitete, ein sehr persönliches Porträt des Filmemachers.
Im Frühjahr 2016 übergab Thome zahlreiche Filmrollen, Requisiten, Drehbücher, Kostüme und Plakate als Vorlass dem DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum in Frankfurt am Main. Beim Preis der deutschen Filmkritik 2018 wurde Thome mit einem Ehrenpreis ausgezeichnet.
Rudolf Thome war dreimal verheiratet, er hat drei Söhne und eine Tochter, Joya, die ebenfalls als Regisseurin arbeitet.