Carl Raddatz
Carl Raddatz wurde am 13. März 1912 in Mannheim geboren. Bereits als Oberrealschüler nahm er 1930 Schauspielunterricht bei Willy Birgel, der damals ein Star des Mannheimer Nationaltheaters war. Dort gab Raddatz nach dem Abitur 1931 auch sein Bühnendebüt (durch Birgels Vermittlung). Es folgten Stationen am Stadttheater Aachen (1933/34), dem Staatstheater Darmstadt (1934-37) und dem Theater der Stadt Bremen (1937/38). Häufig wurde er im Rollenfach des jugendlichen Charakterkopfs und Bonvivants eingesetzt.
Sein Filmdebüt gab Raddatz 1937 mit einer Nebenrolle als Grenadier in Karl Ritters propagandistischem Soldatenfilm "Urlaub auf Ehrenwort". Binnen kurzer Zeit avancierte er zu einem gefragten Filmschauspieler, meist in Haupt- oder größeren Nebenrollen: Man sah ihn an der Seite von Brigitte Horney und Willy Birgel in der Dreiecksgeschichte "Verklungene Melodie" (1939), als Graf in der Künstlerinnengeschichte "Befreite Hände" (1939) als Juwelenmakler in dem Krimi "Zwölf Minuten nach zwölf" (1939) und als skrupellosen Wilderer in "Zwielicht" (1939).
Neben solchen scheinbar harmlosen Filmen wirkte er während der NS-Zeit auch in mehr oder weniger unverhohlenen Propagandafilmen mit. So etwa als Luftwaffenleutnant mit Liebesproblemen in "Wunschkonzert" (1940, Regie: Eduard von Borsody), einem Propagandafilm im Gewand einer zeitgenössischen Liebesgeschichte; als Fliegerkommandeur mit Sinn fürs Musische in Karl Ritters "Stukas" (1941), der den Krieg als fröhliches Abenteuer zeigte; mit Paula Wessely und Attila Hörbiger in Gustav Ucickys "Heimkehr" (1941), einer gezielten Rechtfertigung des deutschen Überfalls auf Polen; oder in Ritters "...Über alles in der Welt" (1941), der in verschiedenen Episoden das Schicksal im Ausland befindlicher deutscher Staatsbürger erzählte, auf die nach Ausbruch des Krieges "Jagd" gemacht wird.
Als Partner Kristina Söderbaums wirkte Raddatz in zwei Farbfilm-Melodramen von Veit Harlan mit: als unerfüllt liebender Dirigent in der Theodor Storm-Adaption "Immensee" (1943), und als Mann zwischen zwei Frauen in "Opfergang" (1942-44), der vor allem in späteren Jahrzehnten einige Wertschätzung erhielt. Kurz vor Kriegsende spielte Raddatz eine Hauptrolle in Helmut Käutners "Unter den Brücken", einer poetischen Dreiecks-Liebesgeschichte im Binnenschiffer-Milieu, die heute als Klassiker und Meisterwerk des deutschen Kinos gilt.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung Deutschlands konnte Carl Raddatz seine Laufbahn direkt fortsetzen. Unter Käutners Regie gehörte er zum Ensemble der episodischen Bestandsaufnahme "In jenen Tagen" (1947); er gab einen Heimatlosen in dem Trümmerfilm "Wohin die Züge fahren" (1949) und einen fidelen Taxifahrer in Kurt Hoffmanns Komödie "Taxi-Kitty" (1950) mit Hannelore Schroth.
Mit seinen Hauptrollen als Major Crampas in der "Effi Briest"-Adaption "Rosen im Herbst" (1955), als Kriegsheimkehrer in dem Drama "Nacht der Entscheidung" (1956) und als bahnbrechender Physiker Ernst Abbe in "Made in Germany" (1957) festigte Raddatz seinen Status als Publikumsliebling. Eine markante Rolle hatte er auch als Geschäftsmann und Verehrer der Prostituierten Rosemarie Nitribitt in "Das Mädchen Rosemarie" (1958). Raddatz war auch ein gefragter Synchronsprecher und lieh Stars wie Kirk Douglas, Burt Lancaster und Robert Taylor seine Stimme.
Daneben blieb Raddatz nicht zuletzt auch als Bühnenschauspieler aktiv, so etwa von 1951 bis 1955 am Deutschen Theater Göttingen, und ab 1958 an den Staatlichen Schauspielbühnen Berlin. Ab den 1960er Jahren war die Bühne sein Hauptbetätigungsfeld. Der amerikanische Kriegsfilm "The Counterfeit Traitor" ("Verrat auf Befehl", 1962), in dem er einen antinazistischen Deutschen spielte, blieb seine einzige Kinoarbeit dieses Jahrzehnts.
In den 1970er Jahren wirkte Carl Raddatz in einzelnen Fernsehproduktionen mit, zum Beispiel als König Friedrich Wilhelm I. in Käutners "Die preußische Hochzeit" (1974) und als Johann Buddenbrook senior in Franz Peter Wirths Verfilmung der "Buddenbrooks" (DE/PL/AT 1979). Sein letzter Kinofilm war Alfred Vohrers Fallada-Verfilmung "Jeder stirbt für sich allein" (1976), nach der wahren Geschichte eines Paares, das stillen Widerstand gegen das NS-Regime leistete. 1979 wurde Raddatz mit dem Filmband in Gold für sein langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film geehrt.
1984 übernahm er eine Gastrolle in einer Episode der Serie "Ein Heim für Tiere", seine letzten TV-Auftritte hatte er in der zur Zeit der Berliner Blockade 1948/49 angesiedelten TV-Produktion "Rosinenbomber" (1988) und als Rentner mit krimineller Energie in einer Folge der Krimiserie "Derrick" (1990). Danach zog er sich ins Privatleben zurück.
1993 verweigerte Raddatz die Annahme des Berliner Titels "Professor ehrenhalber" aus Protest gegen die vom Senat verfügte Schließung des Schiller-Theaters, an dem er jahrelang tätig und dessen Ehrenmitglied er seit 1972 war. Am 19. Mai 2004 starb Carl Raddatz in Berlin.