Richard Oswald
Richard Oswald (bürgerlich: Richard W. Ornstein), geboren am 05. November 1880 in Wien, Österreich als Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns, besucht ab 1896 das Wiener Theaterseminar, gefolgt von verschiedenen Engagements als Schauspieler und Bühnenarbeiter an Wander- und Provinzbühnen. Ab 1907 ist er als Schauspieler, Dramaturg und Regisseur am Wiener Raimund Theater tätig, wechselt aber schon bald ans Wiener Theater in der Josefstadt. Nach antisemitischen Anfeindungen geht er 1910 als Schauspieler an das Düsseldorfer Schauspielhaus. Hier lernt er auch seine spätere Ehefrau, die Schauspielerin Katharina Wilhelmine Maria Paar, kennen. Ein Jahr darauf gibt Richard Oswald sein Filmdebüt in zwei Filmen von Reinhard Bruck: "Halbwelt" und "Zouza". 1913 erhält er ein Engagement am Neuen Volkstheater in Berlin, das er jedoch schon 1914 aufgibt, um eine Stelle als Dramaturg und Reklamefachmann bei der Filmfirma Deutsche Vitascope GmbH anzunehmen, die kurz darauf mit der Projektions-AG "Union" (PAGU) fusioniert.
Bereits mit seinem dritten Drehbuch, einer Adaption von Conan Doyles "Der Hund von Baskerville" (1914) etabliert Oswald sich als Autor für publikumswirksame Stoffe. Ebenfalls 1914 gibt er mit "Das eiserne Kreuz" sein Kinoregie-Debüt – das jedoch auf Grund seiner "pazifistischen Tendenzen" beschlagnahmt wird. Oswald selbst wurde zuvor als "wehruntauglich" eingestuft und bleibt daher vom Dienst im Ersten Weltkrieg verschont. 1915 stößt er als Ober-Regisseur und Autor zur neu gegründeten Greenbaum-Film GmbH, wo er die Baskerville-Serie fortführt. Für Lothar Stark kreiert Oswald den deutschen Detektiv Engelbert Fox und inszeniert mit "Hoffmanns Erzählungen" (1916) das Filmdebüt von Werner Krauß. Im Frühjahr 1916 gründet Oswald die Richard Oswald-Film-Gesellschaft, deren Programm Literatur-Adaptionen wie "Das Bildnis des Dorian Gray" (1917) und Detektivfilme wie "Die Rache der Toten" umfasst, die unter dem Serien-Etikett "Das unheimliche Haus" laufen. Der Film "Rennfieber" (1917/18) verweist auf Oswalds Hobby, der zeitweilig einen erfolgreichen Rennstall unterhält.
Nach einer Idee von Lupu Pick entsteht Ende 1916 mit "Es werde Licht!" der erste von Oswalds Aufklärungsfilmen, bei denen unter anderem der prominente Sexualforscher Magnus Hirschfeld als Berater fungiert. Mit großem Erfolg verbinden die Filme Informationen über sexuelle Themen mit tabubrechender Unterhaltung. Zu den populärsten Werken der umstrittenen Reihe zählen "Das Tagebuch einer Verlorenen" sowie die sado-masochistische Fallstudie "Dida Ibsens Geschichte" (beide 1918), mit Oswalds Schauspielerstars Anita Berber, Conrad Veidt und Werner Krauß in den Hauptrollen. Das "sozialhygienische Filmwerk" "Anders als die andern" (1918/19) thematisiert erstmals die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Liebe – und wird 1921 von der Zensur verboten. Bis heute gilt der Film als die erste filmische Auseinandersetzung über die strafrechtliche Stigmatisierung der Homosexualität.
In der "zensurlosen" Phase gedreht, entfachen die Sittenfilme (vor allem aber die zahlreichen spekulativen Nachahmer) eine heftige Debatte über die Wiedereinführung der Pflichtzensur. Neben diesen oft angefeindeten Produktionen adaptiert Oswald auch erfolgreiche Stoffe, so Georg Hermann Borchardts "Jettchen Geberts Geschichte" (1918) und Werner Scheffs Ullstein-Roman "Die Arche" (1919). Im gleichen Jahr eröffnet er in Berlin sein erstes eigenes Kino: die Richard-Oswald-Lichtspiele, in denen auch andere Publikumsfilme uraufgeführt werden.
Zur gleichen Zeit erweitert er seine Produktionsfirma sukzessive zu einem Konzern mit mehreren Tochtergesellschaften. Grundlage des Anfangserfolgs der 1921 gegründeten Richard Oswald AG ist der erfolgreiche Auslandsvertrieb des Historiengemäldes "Lady Hamilton" (1921) mit Conrad Veidt als Lord Nelson. Als ein "Faust"-Projekt scheitert und die Schiller-Adaption "Carlos und Elisabeth" (1923/24) ein Misserfolg wird, wendet sich Oswald wieder den Genre-Filmen zu, die finanziell weniger kostenaufwändig sind und die er als Regisseur besser zu beherrschen scheint.
Aber trotz solider Erfolge wie "Die Frau von vierzig Jahren" oder "Vorderhaus und Hinterhaus" (beide 1925) muss die Richard Oswald Film-AG 1926 Konkurs anmelden. Unter verschiedenen, neuen Firmensignets arbeitet er in den folgenden Jahren unermüdlich weiter, unter anderem für die gemeinsam mit Heinrich Nebenzahl gegründete Nero Film. Neben leichten Stoffen ("Im weißen Rössl", 1926) und altbewährtem ("Der Hund von Baskerville", "Frühlings Erwachen", beide 1929) greift er mit "Feme" (1927), einem Film über die Ermordung Walter Rathenaus, auch politisch brisante Themen auf. Aus internationalen Kooperationen gehen "Villa Falconieri" (1928) und "Cagliostro" (1928/29) hervor.
Mit "Wien, du Stadt der Lieder" realisiert Oswald 1930 seinen ersten Tonfilm. Nach dem Erfolg dieses Films produziert er Operetten, Schwänke und Komödien. Seinen Ruhm als Tonfilm-Regisseur begründen gleichwohl drei Filme, in denen er sich 1930/31 kontrovers mit der jüngsten Vergangenheit auseinandersetzt: "Dreyfus" um die antisemitisch motivierte Intrige gegen den gleichnamigen Hauptmann Ende des 19. Jahrhunderts; das Geschichtspanorama ""1914" – Die letzten Tage vor dem Weltbrand", das einen Zensurskandal auslöst; und die Verfilmung von Carl Zuckmayers karikierende Charakter- und Gesellschaftsstudie "Der Hauptmann von Köpenick".
Nach der Machtübernahme der Nazis erscheint Propagandaminister Joseph Goebbels im Mai 1933 zwar zur Premiere von "Ein Lied geht um die Welt", in dem der populäre (jüdische) Tenor Joseph Schmidt eine Hauptrolle spielt; Oswalds zuvor gestarteter "Ganovenehre" (1932) gehört jedoch zu den ersten Spielfilmen, die von der Nazi-Zensur verboten werden. "Ein Lied geht um Welt" ist Oswalds letzter in Deutschland produzierter Film, bevor er, selbst ein Jude, die drohende Gefahr erkennt und Deutschland verlässt.
In den kommenden Jahren arbeitet er im europäischen Ausland und emigriert 1938 in die USA. Anders als viele andere deutsche und österreichische Emigranten jener Zeit findet er nur schwer Anschluss an die amerikanische Filmindustrie. Ein Remake von "Der Hauptmann von Köpenick", 1941 gedreht, kommt erst 1945 als "Passport to Heaven" heraus, ohne ein Publikum zu finden. Unter dem Banner seiner in Hollywood gegründeten Firma Skyline Productions realisiert er 1948/49 die Hochstapler-Komödie "The Lovable Cheat" mit Curt Bois und Buster Keaton in Nebenrollen. Während er selbst in den USA bleibt, bringt er in der Bundesrepublik seine alten Tonfilme erneut in die Kinos.
Mit seiner Firma Richard Oswald TV Productions unternimmt er 1951 einen letzten Versuch, Filme zu realisieren: Eine auf über hundert Folgen angelegte Fernsehserie mit dem Titel "Destiny" (Schicksal) wird jedoch bereits nach dem 30-minütigen Pilotfilm "The Mayerling Story" eingestellt. Auf einer Europareise kehrt er 1962/63 noch einmal nach Deutschland zurück, um seinen Sohn Gerd Oswald (1919–1989), der sich in Hollywood erfolgreich als Produzent und Regisseur etabliert hatte, bei Dreharbeiten zu besuchen. Im Verlauf dieser Reise stirbt Richard Oswald am 11. September 1963 in Düsseldorf.
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