Fotogalerie
Alle Fotos (7)Biografie
Curt Bois, geboren am 5. April 1901 in Berlin, wuchs ab 1907 in der Obhut seiner Mutter und seines Stiefvaters, des Bühnenautors Albert Bernstein-Sawersky, auf. Im Alter von sieben Jahren wurde Bois anstelle seiner älteren Schwester Ilse – auch sie ein Kinderstar und später erfolgreiche Film- und Bühnenkomikerin – als Heinerle in Leo Falls Operette "Der fidele Bauer" engagiert, die im Oktober 1908 in Berlin Premiere feierte.
Es folgten zahlreiche, zum Teil große Kinderrollen auf der Bühne, während er beim Film bis in die 20er Jahre hinein vor allem kleinere Rollen erhielt. Gemeinsam mit seiner Schwester wurde er zum Titelheld der komödiantischen Serie "Max und Moritz von heutzutage".
Von 1914 bis 1920 ging Bois als "Salonhumorist" auf lange Tourneen durch Deutschland, Österreich, Ungarn und die Schweiz. In den1920er Jahren erhielt er Engagements an Berliner Varietés und Kabaretts. Er wurde zum Interpreten zahlreicher Schlager, die später auch durch den Tonfilm sowie Schallplattenaufnahmen weite Verbreitung fanden.
Ab Mitte der 20er Jahre bekam Bois zunehmend Bühnenrollen als Charakterkomiker, so etwa als Tanzlehrer in Maughams "Victoria" (1926) unter der Regie von Max Reinhardt oder als Trebitsch-Lincoln in Leo Lanias "Konjunktur" (1928) unter der Regie von Erwin Piscator. Seinen größten Bühnenerfolg feierte Bois 1928 am Wiener Theater in der Josefstadt als Lord Babberley in seiner eigenen Bearbeitung von Brandon Thomas" "Charleys Tante" (Regie: von Hugo Thimig). In Zusammenarbeit mit Max Hansen schrieb Bois den Schwank "Dienst am Kunden", den er gemeinsam mit Hans Deppe an der Berliner Komödie auch inszenierte. Seine letzte Rolle in Berlin war 1932 der Chlestakow in Gogols "Der Revisor".
Bois' "erwachsene" Filmkarriere begann, als er ab 1924, von dem amerikanischen Komödienregisseur Bud Pollard unter mehr als 700 Bewerbern ausgewählt, zwölf zweiaktige Grotesk-Lustspiele für die Trianon-Film AG drehte. Ziel war es, aus ihm einen "deutschen Harold Lloyd" zu machen – doch das Vorhaben wurde letztlich nicht realisiert. Dennoch war damit der Weg für seine Filmlaufbahn geebnet. Ab 1926 spielte Bois neben seiner Theatertätigkeit erfolgreiche Hauptrollen in Filmkomödien wie "Der Jüngling aus der Konfektion" (1926) oder "Der Fürst von Pappenheim" (1927). Bois' Auftritt in Damenkleidern in letzterem Film nutzten die Nazis 1937 in einem antisemitischen Pamphlet sowie 1940 in dem Hetzfilm "Der ewige Jude" zur Diffamierung des Schauspielers.
Mit "Der Schlemihl" drehte er 1931 unter der Regie von Max Nosseck seinen ersten Tonfilm, der umgehend zum Überraschungserfolg avancierte. Zum Erfolg wurde auch die Musikkomödie "Ein steinreicher Mann", in der er singend und tanzend an der Seite von Dolly Haas zu sehen war. Seine vorherrschenden Rollen jener Jahre waren zumeist junge, agile, mitunter regelrecht "zappelige" Angestellte, die allerlei Verwirrung stiften.
Anfang Februar 1933 ging Bois mit seiner Frau, der Soubrette Hedi Ury (gestorben 1962), nach Stationen in Wien, Prag, Paris und London ins amerikanische Exil. In New York wirkte er 1935/36 in einigen Inszenierungen am Broadway mit, zog dann aber nach Hollywood. Da er eine Reihe bereits etablierter Emigranten kannte, fiel ihm der Einstieg ins US-Filmgeschäft recht leicht: Anatole Litvak engagierte ihn für "Tovarich", Dieterle für seinen "Hunchback of Notre Dame". In Michael Curtiz' "Casablanca" spielte Bois die markante Nebenrolle des fingerfertigen Taschendiebs.
Insgesamt aber hielt er sich vorwiegend mit Kleinauftritten über Wasser, nur vereinzelt gaben ihm Regisseure wie Richard Oswald (in "The Lovable Cheat" mit Buster Keaton) oder Max Ophüls (in "Caught") größere Nebenrollen.
1950 kehrte Curt Bois nach Deutschland zurück und zog nach Ost-Berlin. Seine erste Rolle war dort der Chlestakow in Gogols "Der Revisor" in einer Inszenierung am Deutschen Theater. Für die DEFA, zu deren Ensemble Bois gehörte, brachte er 1955 seine Bühneninszenierung der Posse "Ein Polterabend" unter eigener Regie auf die Leinwand – dies blieb allerdings seine einzige Filmregie der Nachkriegszeit.
Da er in der DDR nicht auseichend interessante Rollen angeboten bekam, siedelte Bois 1954 nach West-Berlin über. Dort wurde er zunächst boykottiert und erst ab 1957 von Fritz Kortner in mehreren seiner Inszenierungen besetzt. So etwa als Malvolio in "Was ihr wollt" (1957, Kammerspiele München; 1962, Schiller-Theater Berlin) oder als Androklus in "Androklus und der Löwe" (1958, Residenztheater München). Für seine Darstellung des Sganarelle in Kortners Inszenierung von Molières "Don Juan" (1960, Schiller-Theater) erhielt Bois den Preis der Theaterkritiker.
1959 wurde Bois ins Ensemble des Schiller-Theaters berufen. 1973 gastierte er am Berliner Ensemble in der Rolle des Kaisers von China in Brechts "Turandot oder Der Kongreß der Weißwäscher". Am 23.10.1978 feierte er im Theater im Palast der Republik sein 70. Bühnenjubiläum und zog sich anschließend von der Bühne zurück.
Auf der Kinoleinwand sah man Bois nach seiner Rückkehr nach Deutschland nur sehr vereinzelt. Er wirkte unter anderem in "Das Spukschloß im Spessart" (1960) und "Ganovenehre" (1964) mit, verlegte sich jedoch hauptsächlich auf Fernseharbeit. In diesem Bereich spielte er bis in die 80er Jahre in zahlreichen ambitionierten Produktionen und verstand es, auch mit kleinen Rollen aufzufallen, so etwa als Totengräber Bühler in Alexander von Eschweges "Flächenbrand" (1981). Im gleichen Jahr strahlte das DDR-Fernsehen ein filmisches Porträt des Schauspielers aus: "Curt Bois oder Mit Heinerle fing alles an".
1980 engagierte ihn der Schweizer Regisseur Markus Imhoof für "Das Boot ist voll" als alten Juden auf der Flucht vor den Nazis. Die Schauspieler Bruno Ganz und Otto Sander drehten 1982 mit dem Dokumentarfilm "Gedächtnis" ein Doppelporträt über ihre Kollegen Curt Bois und Bernhard Minetti. Darin stellten sie den auf dem Höhepunkt seiner Karriere ins Exil Gezwungenen dem Karrieristen im Dritten Reich gegenüber. Die Retrospektive der Filmfestspiele Berlin 1983 "Exil – Sechs Schauspieler aus Deutschland" ist unter anderen Curt Bois gewidmet.
In Wim Wenders' "Der Himmel über Berlin" (1987) war Bois dann neben Ganz und Sander auf der Leinwand zu sehen – und wurde für seine Rolle mit dem Europäischen Filmpreis geehrt. Seine Dankesrede im Theater des Westens geriet zu einem bewegenden Ereignis, als er sich an seine ersten Schritte vor 80 Jahren auf dieser Bühne erinnerte.
Am 25. Dezember 1991 starb Curt Bois in Berlin.