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Alle Fotos (4)Biografie
Gyula Trebitsch, 1914 in Budapest als Sohn eines Beamten der Kultusgemeinde geboren, wurde 1932 Volontär in der UFA-Niederlassung Budapest, wo er eine Ausbildung als Film-Vorführer absolvierte und anschließend im dortigen UFA-Kino Urania arbeitete. Der 22-jährige Trebitsch gründete 1937 eine eigene Produktionsfirma: Objectiv-film kft produzierte im Auftrag der UFA ungarische Spielfilme, um so das Verleihprogramm für den Inlandsmarkt zu ergänzen. Die erste Produktion war "Rád bízom a feleségem", die Verfilmung eines Lustspiels von Janos Vászáry (Johann von Vaszary), der auch die Regie übernahm und das 1943 von Kurt Hoffmann als "Ich vertraue dir meine Frau an" für die Terra neu verfilmt wurde. Zehn Spielfilme produzierte die Objectiv-film, wobei Trebitsch nach Erlass der Rassegesetze nicht mehr mit seinem Namen zeichnen konnte und 1939 die Geschäftsführung nominell an Ákos von Ráthonyi abgeben musste. Als Jude "wehrunwürdig", wurde er 1942 als Zwangsarbeiter in Russland und Serbien eingesetzt; im August 1944 nach Deutschland deportiert, war er in den KZ-Lagern Oranienburg, Sachsenhausen, Barth und schließlich in Wöbbelin inhaftiert, wo er am 2.5.1945 von amerikanischen Truppen befreit wurde.
Abgemagert bis auf die Knochen, wurde er ins Lazarett eingeliefert und in Itzehoe aus dem Krankenhaus entlassen. Trebitsch blieb in der holsteinischen Kreisstadt, wo ihm 1946 die britische Besatzungsmacht eine Lizenz für den Betrieb zweier Kinos erteilte. Trebitsch engagierte sich in der Jüdischen Gemeinschaft und in der "Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes" (VVN), wo er mit Walter Koppel zusammentraf. Gemeinsam gründeten sie 1947 in Hamburg die Real-Film GmbH, als zweites Filmunternehmen in der britischen Zone lizenziert. Koppel übernahm die Firmenleitung und war für die Finanzierung zuständig, während Trebitsch als Produktionschef fungierte. Auch privat waren die Beziehungen sehr eng: Trebitsch heiratete 1949 Erna Sander (1914-1991), geschiedene Koppel, die als Kostümbildnerin alle Filme der Real-Film ausstattete.
War "Arche Nora" (1948) noch ein typischer Trümmerfilm, der auf einem auf Land gesetzten Wohnkahn spielte und fast ohne Atelieraufnahmen auskam, bauten Koppel und Trebitsch in den folgenden Jahren ein ehemaliges Offiziersheim im Hamburger Stadtteil Jenfeld systematisch zu einem veritablen Studiogelände aus. Hamburg, kein traditioneller Produktionsort des deutschen Films, wurde in den 1950er Jahren zur Filmstadt und die Real-Film zur größten Produktionsgesellschaft in der Bundesrepublik.
Der mit der Namensgebung "Real-Film" verbundene Anspruch, nicht verlogenes Illusionskino zu produzieren, sondern realitätsnahe Geschichten zu erzählen, ließ sich nicht lange durchhalten. Obwohl die beiden Firmengründer Opfer des Nazi-Regimes waren, verfolgten sie kein politisches Programm und orientierten sich am Publikumsgeschmack. Unter den Regisseuren und Stars der Real-Film befinden sich Antifaschisten wie Fritz Kortner und Wolfgang Staudte, aber auch Stützen des Nazi-Kinos wie Wolfgang Liebeneiner, Gustav Ucicky oder Arthur Maria Rabenalt. "Gabriela" (1950) mit Zarah Leander knüpfte unverhohlen an das UFA-Kino vergangener Zeiten an. Géza von Cziffra bescherte mit opulent ausgestatteten Revuefilmen wie "Die Dritte von rechts" der Firma Kassenerfolge. Ein Wolfgang Neuss zugeschriebener Spottvers machte die Runde: "Von Cziffra bis Trebitsch / immer der gleiche Drehkitsch." Angesichts solcher am Fließband produzierter Unterhaltungsware überrascht es, dass 1951 in der Zeit des Kalten Krieges die Real-Film unter Kommunismus-Verdacht geriet und keine Bundesbürgschaften mehr bekam. Die Produktion musste eingestellt werden, und Real-Film reichte Klage beim Bundesgerichtshof ein. Das Bulletin der Bundesregierung teilte am 27. Februar 1953 mit, dass keinerlei Bedenken gegen die Real-Film mehr bestehen, so dass man nach zweijähriger Zwangspause die Dreharbeiten wieder aufnehmen konnte.
Der wichtigste Regisseur, dem die Real-Film ihre größten Erfolge (und einige Misserfolge) verdankte, war Helmut Käutner. Er inszenierte drei Filme, die auf der Basis literarischer Vorlagen publikumswirksames Erzählkino mit Star-Besetzung boten: "Des Teufels General" (1954/55) mit Curd Jürgens, "Der Hauptmann von Köpenick" (1956) mit Heinz Rühmann und "Die Zürcher Verlobung" (1956/57) mit Liselotte Pulver. "Der Hauptmann von Köpenick" war nicht nur ein überwältigender Publikumserfolg mit mehr als zehn Millionen Zuschauern im deutschen Kino, sondern wurde in zahlreiche Länder verkauft und für den Oscar nominiert. Trebitsch, inzwischen ein angesehenes Mitglied der Hamburger Gesellschaft, erhielt 1957 die deutsche Staatsbürgerschaft.
Die zweite Karriere Trebitschs, der zum Doyen des deutschen Fernsehens wurde, gründet auf dem Umbruch der Medienlandschaft Anfang der 1960ger Jahren. Trebitsch erkannte die Zeichen der Zeit: Frühzeitig suchte er die Verbindung zum aufkommenden Fernsehen. 1960 beauftragte der NDR mit Trebitsch erstmals einen privaten Filmproduzenten mit der Herstellung eines Fernsehspiels. Fritz Kortners "Die Sendung der Lysistrata" mit Romy Schneider löste den ersten bundesdeutschen TV-Skandal aus; bei der Ausstrahlung schaltete sich der Bayerische Rundfunk aus dem Gemeinschaftsprogramm der ARD aus.
1960 gingen die Kompagnons Trebitsch und Koppel getrennte Wege, Filmproduktion und Ateliergesellschaft wurden entflochten. Koppel führte die Real-Film fort, die zwei Jahre später Konkurs machte, während Trebitsch die Ateliergesellschaft in Studio Hamburg umbenannte und die Norddeutsche Werbefernsehen GmbH (NDR und Radio Bremen) als Mehrheitsgesellschafter gewann. Mit der Gründung von Tochtergesellschaften für Produktion, Synchronisation und Auslandsvertrieb schuf Trebitsch ein verschachteltes Imperium, das den wachsenden Programmbedarf des Fernsehens zu stillen half, andererseits die Auslastung des Studios sicherte. Den Atelierbetrieb führte er als Dienstleistungsbetrieb, der für jeden offen war und keiner Senderpolitik verpflichtet: "Für mich ist 'Studio Hamburg' so etwas wie ein Gemüsegroßmarkt. Hier kann sich jeder seinen Produktionsstand mieten."
1980, mit Erreichen der Pensionsgrenze, beendete Trebitsch seine Karriere bei Studio Hamburg und wurde selbständiger Produzent. Gemeinsam mit seiner Tochter Katharina M. Trebitsch, geboren 25.10.1949, gründete er die Objectiv Film, die mit Mehrteilern wie "Die Geschwister Oppermann" (1982) und "Die Bertinis" (1988), beide in der Regie von Egon Monk, bundesdeutsche Fernsehgeschichte machte. Sein Sohn Markus, geboren 26.9.1950, gründete mit der Aspekt Telefilm ebenfalls eine Produktionsfirma, die jedoch nicht zur Trebitsch Holding gehörte. 1990 gab Trebitsch seine Anteile ab an die UFA, die später vollständig die Firma übernahm.
Trebitsch, mit zahlreichen Ehrungen, darunter dem Deutschen Filmpreis für das Lebenswerk (2000) ausgezeichnet, sah sich selbst als "kreativen Kaufmann". Er war kein leidenschaftlicher Cineast, der getrieben wurde von Visionen und Obsessionen. Weitergehende Ambitionen versagte er sich: Nie hatte er den Ehrgeiz, selbst Regie zu führen. Auf Glamour legte er keinen Wert; Filmproduktion in Hamburg wurde mit hanseatischer Nüchternheit betrieben. Bereits zu Lebzeiten eine legendäre Gestalt, führte er sein oftmals umgruppiertes Firmen-Imperium durch alle Krisen, ohne je in die Schlagzeilen zu geraten.
© Michael Töteberg