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Robby Müller wurde am 4. April 1940 in Willemstad, Curaçao auf den Niederländischen Antillen als niederländischer Staatsbürger geboren. Da sein Vater für eine Ölfirma arbeitete, reiste die Familie um den Erdball, sodass Robby Müller bereits als Kind viel von der Welt sah. Es war auch der Vater, ein passionierter Amateurfilmer, der dem jungen Robby seine Zweitkamera gab. Dieser machte so früh die ersten Drehversuche, schulte seinen Blick und lernte die Technik, die die Welt als Bewegtbild einfängt, kennen.
Als Dreizehnjähriger kam Müller schließlich nach Amsterdam, wo er das Gymnasium besuchte und im Anschluss seinen Militärdienst absolvierte. Nach der Armee schrieb er sich 1962 zum Studium an der Nederlandse Filmacademie Amsterdam ein und drehte erste Kurzfilme mit Kommilitonen wie Frans Weisz und Pim de la Parra jr. Ab 1962 arbeitete das Nachwuchstalent dann als Assistent Gérard Vandenbergs, einem der zentralen Kameraleute des Neuen Deutschen Films, der unter anderem bei Ulrich Schamonis Debüt "Es" (1966) sowie vielen Inszenierungen von Peter Zadek filmte. Bei den Dreharbeiten zu George Moorses "Liebe und so weiter" (1968) traf Robby Müller so auf Hans W. Geißendörfer, der ihn prompt als Kameramann für "Der Fall Lena Christ" (1969) einsetzte. Dem Fernsehfilm folgten neun weitere gemeinsame Produktionen, so zum Beispiel "Carlos" (1971), "Marie" (TV, 1972) oder später "Die gläserne Zelle" (1978).
Über "Der Fall Lena Christ" lernten sich wiederum Müller und der damalige Filmstudent Wim Wenders kennen; der Grundstein für eine äußerst fruchtbare Zusammenarbeit war gelegt. Müller übernahm die Kamera beim Kurzfilm "Alabama. 2000 Light Years" (1969) und Wenders Abschlussarbeit "Summer in the City" (1971). Der chronologische Dreh an Originalschauplätzen und der bewusste Einsatz sowie die Verstärkung natürlichen Lichts prägten die Wenders-Müller-Kollaborationen schon früh und wurden in Filmen wie den Literaturadaptionen "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter" (1972), "Der scharlachrote Buchstabe" (1973) oder "Falsche Bewegung" (1975) sichtbar. Für letzteren wurde er erstmals mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet. Der umtriebige Müller arbeitete zeitgleich mit weiteren Regisseuren des Neuen Deutschen Films: 1973 drehte er für Edgar Reitz den Weltkriegsfilm "Die Reise nach Wien", zwei Jahre später für Peter Lilienthal den preisgekrönten TV-Film "Es herrscht Ruhe im Land". Zudem versuchte er sich in Peter Przygoddas "Can" (1972) im Konzertfilm.
Besonders bekannt wurden jedoch weiterhin die gemeinsamen Projekte des Niederländers mit Wenders wie "Alice in den Städten" (1974), "Im Lauf der Zeit" (1976) und "Der amerikanische Freund" (1977), die sich allesamt zu Klassikern des Deutschen Kinos entwickeln sollten. Souverän fing Müller darin die Subtilitäten der deutschen Stadt- und Provinzlandschaften ein, ob in sprödem schwarz-weiß oder nuancenreicher Farbe. Von Wenders produziert wurde dann Peter Handkes Regie-Debüt "Die linkshändige Frau" (1977), den Müller filmisch in Szene setzte.
1979 kam es zur ersten Zusammenarbeit mit Peter Bogdanovich im Zuhälterdrama "Saint Jack", der aufgrund seiner anstößigen Thematik bei den Dreharbeiten in Singapur als ein völlig anderer Film getarnt wurde. Nach dem Country-Film "Honeysuckle Rose" (US, 1980) drehte Müller dann erneut für Bogdanovich in "They All Laughed", einem der letzten Filme der New-Hollywood-Ära inklusive letztem Auftritt Audrey Hepburns. Im deutschen Film wirkte er kurze Zeit später erneut erfolgreich mit: Für die Kameraführung in Peter Steins "Klassen Feind", für den er das Klassenzimmer mit grellem Neonlicht klaustrophobisch ausleuchtete, wurde er 1983 mit einem Filmband in Gold ausgezeichnet. 1984 drehte Müller wieder Filme in den USA: Zunächst stand er beim späteren Kultfilm "Repo Man" hinter der Kamera, dann bei Wim Wenders' wohl bekanntestem Film, dem vielfach ausgezeichneten Roadmovie "Paris, Texas". 1984 erhielt Robby Müller für seine Bilder des amerikanischen Südwestens, der in fahlem Licht nur wenig nach John Ford aussieht, die Goldene Kamera und 1985 den Bayerischen Kamera-Filmpreis.
Während Wenders für seinen nächsten Film "Der Himmel über Berlin" wieder nach Deutschland zurückkehrte, verlegte Müller seinen Arbeitsschwerpunkt langfristig in die Vereinigten Staaten. Zunächst fotografierte er 1985 für William Friedkin den Polizei-Thriller "To Live and Die in L.A.", im Jahr darauf hinterließ seine Kamera-Arbeit bei Jim Jarmuschs Debüt "Down By Law" nachhaltig Eindruck. Die rauen Schwarzweißbilder und ruhigen Einstellungen liefern den atmosphärischen Hintergrund der Südstaaten-Erzählung. Von jetzt an arbeitete Müller regelmäßig mit Jarmusch zusammen, drehte für ihn den schrägen "Mystery Train" (1989), fotografierte Johnny Depp in einer seiner ersten großen Hauptrollen in "Dead Man" (1995) und ließ die Welt des US-amerikanischen Untergrunds mit fernöstlicher Mentalität verschmelzen in "Ghost Dog: The Way of the Samurai" (1999).
Die Arbeit mit Wenders und Jarmusch war allerdings keineswegs ausschließlich: So drehte Müller 1987 mit John Schlesinger den Horrorthriller "The Believers" sowie mit Barbet Schroeder die Bukowski-Verfilmung "Barfly", war im Folgejahr Kameramann für Roberto Benignis Komödie "Il piccolo diavolo" und Mitglied der Jury des Cannes Film Festival. 1991 erhielt er schließlich seinen dritten Deutschen Filmpreis als Filmband in Gold für die zurückhaltende, fast dokumentarische Kameraführung im deutsch-polnischen Drama "Korczak" (1990) unter Regie von Andrzej Wajda.
1991 arbeitete Müller in "Bis ans Ende der Welt" erneut mit Wim Wenders zusammen, dem Film wahr jedoch kein allzu großer Erfolg beschieden. Auch John McNaughtons mit einem Starensemble aufwartende Krimikomödie "Mad Dog and Glory" (1993), für die der Niederländer hinter der Kamera stand, konnte nicht auf ganzer Länge überzeugen. Herausragend aus den Filmen Müllers gegen Ende des Millenniums waren zum einen Lars von Triers "Breaking the Waves" (US, 1996), mit dem er den Circle Award der New York Film Critics gewinnen konnte, und zum anderen "Dancer in the Dark" (2000), der komplett mit DV-Kameras gedreht wurde. Wenngleich sich die Bildästhetik und auch die Lichtsetzung von Film und Video stark unterscheiden, kam das flexible Drehen mit den kleinen Videokameras Müller insofern entgegen, als dass der DOP stets bevorzugte, mit möglichst geringem technischen Aufwand zu fotografieren und auf zusätzliches Kamerapersonal gerne verzichtete, um möglichst autark arbeiten zu können. Mit diesem "weniger-ist-mehr"-Ethos beeinflusste er nicht zuletzt seinen ehemaligen Assistenten Martin Schäfer, der von 1970 bis 1977 an seiner Seite an mehreren Wenders-Filmen mitarbeitete und selbst ein profilierter Kameramann wurde.
Im neuen Jahrtausend zeichnete Müller lediglich für zwei Langfilme verantwortlich, das Drama "My Brother Tom" (UK, 2001) und Michael Winterbottoms Szene-Film "24 Hour Party People" (UK, 2002). Alle weiteren Arbeiten waren Kurzfilme wie Steve McQueens "Carib's Leap" (UK, 2002) oder Abschnitte von Omnibusfilmen wie "Europäische Visionen" (2004).
2003, in dem Jahr, in dem er beim Segment "Twins" des Episodenfilms "Coffee and Cigarettes" zum letzten Mal für Jarmusch hinter der Kamera stand, erhielt er den Marburger Kamerapreis. Zwei Jahre später wurde Robby Müller mit dem Deutschen Kamerapreis als Ehrenkameramann ausgezeichnet. 2006 würdigte das polnische Festival Plus Camerimage ebenfalls sein Lebenswerk. Seine Verdienste für den niederländischen Film brachten ihm im gleichen Jahr den Kulturpreis des Niederländischen Filmfestivals Utrecht in Form des Goldenen Kalbs ein. Zuletzt wurde dem Kameramann 2013 von den Kollegen der American Society of Cinematographers der ASC International Achievement Award verliehen, um seine lebenslangen Verdienste zu ehren.
Robby Müller verstarb am 3. Juli 2018 in seiner Heimatstadt Amsterdam.