In einer Zeit, in der Bewegtbilder allgegenwärtig sind, werden mediale Grenzüberschreitungen, wenn sie überhaupt noch so zu nennen sind, durch andere Parameter bestimmt. Spannungsverhältnisse zwischen Mainstream und Underground, Erzählkino und Avantgarde, Kunst und Kino scheinen weitgehend aufgelöst.
Heute stellen sich verstärkt übergreifende Fragen zum Verhältnis der Bilder zum Realen. Das 14. Forum Expanded zeigt 30 Kurz- und Langfilme, 17 installative Arbeiten und eine Performance, die auf das Leben außerhalb der Echokammern verweisen, in denen wir uns nicht nur in den sozialen Medien wiederfinden.
Der argentinische Beitrag "Parsi" von Eduardo Williams und Mariano Blatt nimmt das Motiv des Echos auf und überhöht es durch Wiederholung: Ein repetitives, virtuell endloses Gedicht wird zur Grundlage einer sich überschlagenden filmischen Tour de Force.
Das Karrabing Film Collective findet einen Gegenentwurf zur Echokammer in der Mythologie der australischen Indigenen. In "The Mermaids, or Aiden in Wonderland" wird die Figur der Meerjungfrau zum Ansatz für eine Kritik an Kolonialismus und extraktivem Kapitalismus.
Um Ressourcen geht es auch in "Labour Power Plant" von Robert Schlicht und Romana Schmalisch. Der Film entwirft eine unangenehm vertraute Zukunft des Arbeitens, in der Menschen im 'Arbeitskraftwerk' normiert und zugerichtet werden.
Eine Brücke in die Geschichte des Persischen Golfs schlägt Monira Al Qadiris Installation "Diver". Vor der Entdeckung von Erdöl war das Perlentauchen die Grundlage der Wirtschaft der Golfregion. Synchronschwimmerinnen in schillernden Anzügen stehen symbolisch für beide Rohstoffe ein, und für eine Vergangenheit, die heute in die Popkultur verbannt wurde.
Auch Ala Younis widmet sich mit "Drachmas" der Populärkultur des arabischen Raums. Die minimalistischen Modelle von Sets arabischer TV-Dramen lösen diese aus ihren sozialen, politischen, ökonomischen und geografischen Kontexten und feiern das Studio als Ort bescheidener Mittel und hoher Produktivität.
Wie ein Komet streifte Ricky Shayne zwischen 1967 und 1972 die bundesdeutsche Unterhaltungskultur. Stephan Geene nimmt in "SHAYNE" Fan-Material und persönliche Erinnerungen als Ausgangspunkt für ein serielles TV-Anti-Portrait des Musikers, dessen lebensgroße 'Starschnitte' gleich zwei Mal in der Jugendzeitschrift BRAVO erschienen.
Die beängstigende Kehrseite des Pops zeigen Paul und Damon McCarthy in "DADDA – Poodle House Saloon": In einer wilden Westernfarce bekämpfen sich bizarre Varianten von Pop-Ikonen wie Donald und Daisy Duck, Minnie Mouse, Andy Warhol oder die Cartwrights unerbittlich – bis zum blutigen Ende.
Einen kritischen Einblick in das Filmfestivalgeschäft wagen schließlich Mpumelelo Mcata und Perivi Katjavivi: "Film Festival Film", die dokumentarisch-fiktive Geschichte einer jungen Schwarzen Regisseurin, die auf einem Festival ihren Debütfilm zu pitchen versucht, wehrt sich gegen die kommerzielle Vereinnahmung künstlerischer Visionen und entwirft ein Anti-Kino - nicht nur für den afrikanischen Kontext, in dem der Film entstand.
Filme
"Al Dhareeh" ("The Tomb") von Eltayeb Mahdi (Ägypten, 17') - 1977
"Al Habil" ("The Rope") von Ibrahim Shaddad (Sudan, 32') - 1985
"Al Mahatta" ("The Station") von Eltayeb Mahdi (Sudan 16') - 1989
"DADDA - Poodle House Saloon" von Paul McCarthy und Damon McCarthy (USA, 93') – WP
"False Belief" von Lene Berg (Norwegen, 105') - WP
"Film Festival Film" von Mpumelelo Mcata und Perivi Katjavivi (Südafrika / Namibia / England, 46') - WP
"Fordlandia Malaise" von Susana de Sousa Dias (Portugal, 40') - WP
"Idhi Katha Matramena" ("Is This Just a Story?") von Yugantar (Indien, 25') - 1983
"It’s a Long Way from Amphioxus" von Kamal Aljafari (Deutschland, 25') - WP
"Jagdpartie" von Ibrahim Shaddad (Deutsche Demokratische Republik, 41') - 1964
"Jamal" ("A Camel") von Ibrahim Shaddad (Sudan, 14') - 1981
"Labour Power Plant" von Robert Schlicht und Romana Schmalisch (Frankreich / Deutschland, 85') - WP
"Liqa'lm yadhae" ("An Un-Aired Interview") von Muhammad Salah (Ägypten, 40') - WP
"Mai i te kei o te waka ki te ihu o te waka" ("From the Back of the Canoe to the Front of the Canoe") von Jeremy Leatinu'u (Neuseeland, 8') – IP
"Meridian" von Calum Walter (USA, 16') - WP
"The Mermaids, or Aiden in Wonderland" von Karrabing Film Collective (Australien, 26') - IP
"O Ensaio" ("The Rehearsal") von Tamar Guimarães (Brasilien / Dänemark, 53') - WP
"Parsi" von Eduardo Williams und Mariano Blatt (Argentinien / Schweiz, 23') - IP
"Part One: Where There Is a Joyous Mood, There a Comrade Will Appear to Share a Glass of Wine." von Rosalind Nashashibi (Großbritannien / Polen / Österreich / Niederlande, 24') – IP
"Prison Architect von Cao Fei" (Hong Kong, China / Volksrepublik China, 59') - WP
"Rasendes Grün mit Pferden" von Ute Aurand (Deutschland, 86') - WP
"SHAYNE" von Stephan Geene (Deutschland, 120') - WP
"Tales from Planet Kolkata" von Ruchir Joshi (Indien, 38') - 1993
"Tambaku Chaakila Oob Ali" ("Tobacco Embers") von Yugantar (Indien, 26') - 1982
"A Tiny Place That is Hard to Touch" von Shelly Silver (USA / Japan, 30') - WP
"Traveling Shoes" von Kevin Jerome Everson (USA, 7') – WP
"Uutisten aika" ("Nachrichtenzeit") von Laura Horelli (Deutschland / Namibia / Finnland, 39') - WP
"Vever (for Barbara)" von Deborah Stratman (USA, 12') - WP
"Vivir en junio con la lengua afuera" ("To Live in June with Your Tongue Hanging out") von Coco Fusco (USA / Kuba, 24') - WP
"Wa lakin alardh tadur" ("It Still Rotates") von Suliman Elnour (UdSSR, 19') - 1978
Gruppenausstellung in der Betonhalle des silent green, in der Galerie Ebensperger Rhomberg und im Luxoom Lab
"4 Waters – Deep Implicancy" von Denise Ferreira da Silva und Arjuna Neuman (USA / Großbritannien, 31') - WP
"Can’t You See Them? – Repeat." von Clarissa Thieme (Deutschland / Bosnien und Herzegowina, 8') - WP
"Curupira, bicho do mato" ("Curupira, der im Walde haust") von Félix Blume (Mexiko / Frankreich, 35') - EP
"Did You See Me This Time with Your Own Eyes?" von Shadi Habib Allah (Palästina, 7') – IP
"Diver von Monira Al Qadiri" (Vereinigte Arabische Emirate / Kuwait, 4') - EP
"Drachmas" von Ala Younis (Jordanien) - IP
"The Fine Thread of Deviation" von Evan Calder Williams und Anne Low (USA / Kanada 39') - EP
"glory" von James Benning (USA, 120') - WP
"The Script" von Akram Zaatari (Libanon / Großbritannien, 7') - IP
"Le Silence des sirènes" ("Das Schweigen der Sirenen") von Diana Vidrascu (Frankreich, 34') – WP
"The Startled Faction" ("A Sensitivity Training") von Catherine Sullivan (USA, 35') - EP
"A Story from Africa" von Billy Woodberry (Portugal, 32') - WP
"Transformation Scenario" von Clemens von Wedemeyer (Deutschland / Lettland / Schweiz, 20') - IP
"Wosa" ("Coyote's Burden Basket") von Heike Baranowsky (Deutschland, 9') - WP
"Zur Bauweise des Films bei Griffith" von Harun Farocki (Deutschland, 9') – 2006
Performance in der Betonhalle des silent green
Residuum von Ute Waldhausen – WP
Ausstellung im Marshall McLuhan Salon der Botschaft von Kanada
Notes to Self von Christina Battle (Kanada) - EP
Ausstellung bei SAVVY Contemporary
Shadow Circus von Ritu Sarin und Tenzing Sonam (Indien) - WP
Quelle: www.berlinale.de