Der DEFA-Ausverkauf
In den 1980er Jahren wurden vom zentralen Filmverleih Progress zunehmend Unterhaltungsfilme aus dem Westen importiert, was die DEFA-Filme mehr und mehr in die Nische von Filmkunstkinos und Jugendklubs verdrängte. Die Produktionschefs der DEFA sahen sich einem neuen Dilemma gegenüber – einem Dilemma, das die Gesamtsituation der DDR-Wirtschaft widerspiegelte: Um ihr Publikum weiterhin zu erreichen, mussten sie mit dem westlichen Standard der Filmtechnologie Schritt halten, wofür jedoch äußerst wenig Devisen zur Verfügung standen.
Außerdem mussten sie kritischere Standpunkte in Bezug auf die sozialen Verhältnisse zulassen, um das Interesse der Öffentlichkeit zu erregen, was jedoch von den Parteigewaltigen abgelehnt wurde. Einer der letzten Versuche in diese Richtung war Lothar Warnekes "Einer trage des anderen Last..." (1987), ein halbherziges Plädoyer für mehr Toleranz zwischen Kirche und Staat und ein großer Erfolg beim Publikum, das die in der DDR beliebten Film-Diskussionen zum Anlass für tief greifendere Auseinandersetzungen nutzte. Daneben intensivierte die DEFA ihre West-Kontakte durch Co-Produktionen mit Österreich und den Vorverkauf von Filmen an das westdeutsche Fernsehen. Diese Einnahmen wurden z.B. für den Kauf von Farbfilmmaterial (das eigene ORWO-Material war zu unempfindlich und besaß zu wenig Farbbrillanz) und den Erwerb von Musikrechten verwendet. Die Verbindungen zu Westdeutschland wurden in den 1980er Jahren zunehmend enger. So bot die DEFA westdeutschen Filmfirmen und Fernsehstationen an, mit Unterstützung ihrer anerkannten Handwerker Filme in der DDR zu drehen – z.B. 1982 "Frühlingssinfonie" von Peter Schamoni mit Nastassja Kinski und Herbert Grönemeyer) – und stellte Auftragsproduktionen für das westdeutsche Fernsehen her. 1988 entstand schließlich ein Film, der offen auf den westdeutschen Markt zielte: Bei "Der Bruch" mit dem westdeutschen Star Götz George führte Frank Beyer Regie, der seit einiger Zeit überwiegend im Westen arbeitete; das Drehbuch schrieb Wolfgang Kohlhaase. Beyer kehrte mit diesem Film zurück zu seinem Lieblings-Genre der realistischen Komödie im Nachkriegs-Berlin und arbeitete mit Schauspielern von beiden Seiten der Mauer.
1988 trat der langjährige Generaldirektor der DEFA, Hans-Dieter Mäde, der auch Mitglied des ZK der SED war, in den Ruhestand und wurde durch den technischen Direktor Gert Golde ersetzt, der alle politischen und sozialen Umbrüche der nächsten Jahre gut überstand. Chef-Dramaturg Rudolf Jürschik, der sich intensiv, aber meist erfolglos um die Erweiterung der künstlerischen und kritischen Perspektiven des Studios bemüht hatte, bekleidete den neu geschaffenen Posten eines künstlerischen Direktors. In der Folge wurden ehedem abgelehnte Projekte wieder aufgegriffen und neue ohne Rücksicht auf alte Tabus entwickelt. Als Ende 1989 die Mauer fiel und die alte SED-Führung gestürzt wurde, war die DEFA in einer kuriosen Situation: Sie hatte kritische Filme, die nur wenige Monate zuvor als Sensation angesehen worden wären und bereits die neue politische Situation widerspiegelten, fertig zur Aufführung – doch die Zuschauer waren fort: Entweder waren sie mit ihren Trabis auf Tour im Westen oder hatten ganz einfach das Interesse an allem verloren, was mit dem alten Regime in Zusammenhang stand.