Ab heute bis zum 9. Oktober zeigt das Filmfest Hamburg 110 Langfilme aus 57 Ländern. Feierlich eröffnet wurde das Festival am gestrigen Abend mit der Deutschlandpremiere der österreichisch-deutschen Koproduktion "Große Freiheit" von Sebastian Meise, der schon den Jury-Preis von "Un Certain Regard" in Cannes erhielt.
Der diesjährige Douglas Sirk Preis geht an den französischen Regisseur Leos Carax, der seinen in Cannes umjubelten Eröffnungsfilm "Annette" in Hamburg vorstellen wird.
Einige Highlights aus dem Programm
Im diesjährigen Programm haben die Filmemacher·innen ihre eigenen Zeitkapseln geschaffen, mit denen Zukunftsfragen gestellt und Bilder aus der Vergangenheit aus heutiger Sicht betrachtet werden. So blicken Kenneth Branagh und Paolo Sorrentino in ihren Filmen "Belfast" und "Die Hand Gottes", vergangenes Wochenende in Venedig ausgezeichnet mit dem Silbernen Löwen, zurück auf ihre Kindheit und Jugend in Irland und Italien. Die Regisseurinnen Laura Samani und Audrey Diwan thematisieren den Wunsch nach Selbstbestimmtheit als Frau in einer archaischen christlichen Gesellschaft im Friaul des 19. Jahrhunderts ("Piccolo Corpo") und im Frankreich der 60er-Jahre, als Abtreibung noch unter Strafe stand. Der Goldene-Löwen-Gewinner "Das Ereignis" ("Happening") basiert auf einem Buch von Annie Ernaux, das aktuell auf Deutsch unter dem Titel "Das Ereignis" erschienen ist. Der Film verweist in einer beklemmenden Rückschau auf die heutige Relevanz des Themas, wie es die neuen Gesetzgebungen in Polen oder Texas gerade zeigen. In dem Film "Futura" blicken die Filmemacher·innen Pietro Marcello, Alice Rohrwacher und Francesco Munzi nach vorn und porträtieren im Kollektiv italienische Jugendliche, wie sie sich mit Fragen um die Zukunft auseinandersetzen. Ihre Gedanken werden mit Archivmaterial früherer Reportagen und Dokumentationen von älteren Generationen von Jugendlichen ergänzt. Mit der restaurierten Fassung des Films "Tscherwonez" von Gábor Altorjay aus dem Jahr 1983 können die Zukunftsbilder der New-Wave-Satire von damals neu überprüft werden. Die Filme "Vortex" von Gaspar Noé und "Ein großes Versprechen" von Wendla Nölle sind filmische Reflektionen über Beziehungen, das Alter(n), den Umgang mit Krankheit und das Abschiednehmen. In "Niemand ist bei den Kälbern" von Sabrina Sarabi geht es um Zukunftsträume jenseits der dörflichen Enge. Saskia Rosendahl wurde für ihre Rolle als Christin in Locarno als Beste Schauspielerin ausgezeichnet. Auch der Eröffnungs- und der Abschlussfilm spannen zueinander einen zeitlichen Bogen: Während der diesjährige Eröffnungsfilm "Große Freiheit" von Sebastian Meise die unfreie Liebe im Nachkriegsdeutschland thematisiert, ist Jacques Audiards Abschlussfilm "Wo in Paris die Sonne aufgeht" ein Zeugnis aktueller Lebensentwürfe und ein Plädoyer für Freiheit und die vielseitige selbstbestimmte Liebe im 21. Jahrhundert.
Anlässlich des Jubiläums "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" stehen unter dem Namen #2021JLID – Jüdisches Leben in Deutschland im Festjahr zahlreiche Veranstaltungen auf dem Programm, um das jüdische Leben sicht- und erlebbar zu machen. Im Rahmen dieser Initiative zeigt das Filmfest Hamburg in Kooperation mit dem Jüdischen Salon am Grindel e.V. den Dokumentarfilm von Niko Apel "Wir sind alle deutsche Juden". Darin fragt der Filmemacher nach der jüdischen Identität und begleitet den einstigen Studentenführer und ehemaligen Grünenpolitiker Daniel Cohn-Bendit auf eine sehr persönliche Reise nach Israel. Nach den Aufführungen am 3.10. um 15 Uhr im CinemaxX 1 und am 4.Oktober um 19.30 in der Hapag-Lloyd-Zentrale wird es ein Filmgespräch mit Daniel Cohn-Bendit geben. Ein weiterer Film in dieser Themenreihe ist "Evolution": Der Theater-, Opern- und Filmregisseur Kornél Mundruczó und seine Drehbuchautorin Kata Wéber fragen sich, was es heißt, heute jüdisch zu sein und schöpfen in ihrem Drama, das sie persönlich vorstellen, aus eigenen Familienerfahrungen.
Acht abendfüllende Filme in der Sektion "Televisionen" konkurrieren um den mit 25.000 Euro dotierten Hamburger Produzentenpreis für Deutsche Fernsehproduktionen. Das Preisgeld stiftet die VFF Verwertungsgesellschaft der Film- und Fernsehproduzenten. Gezeigt werden unter anderem das sensible Drama über Selbstbestimmung im Alter "Bring mich nach Hause" (Regie: Christiane Balthasar), der Familienfilm über vier Generationen "Mutter, Kutter, Kind" (Regie: Matthias Tiefenbacher) und der erste Teil von "Das Weiße Haus am Rhein", ein Event-Zweiteiler über den Überlebenskampf einer berühmten Hotel-Dynastie in der Zeit zwischen den Weltkriegen (Regie: Thorsten M. Schmidt). Zusätzlich wird erstmals der mit 5.000 Euro dotierte Sonderpreis der VFF an eines von vier seriellen Formaten vergeben. Einer der Wettbewerbsbeiträge ist die Serie "Legal Affairs" über den Alltag einer Prominentenanwältin.
Das MICHEL Kinder- und Jugend Filmfest, seit 2003 fester Bestandteil des Filmfest Hamburg, wird am 1. Oktober mit dem Film "Willi und die Wunderkröte" (Regie: Markus Dietrich) eröffnet. Insgesamt sieben Filme gehen ins Rennen um den mit 5.000 Euro dotierten MICHEL Filmpreis, der in diesem Jahr von der Körber Stiftung zur Verfügung gestellt und am 5. Oktober von der MICHEL-Jury, bestehend aus Kindern und Jugendlichen, verliehen wird.
Mit dem zusätzlichen Programm »Filmfest ums Eck« möchte das Filmfest Hamburg die engagierte Arbeit der Kinobetreiber·innen und Programmmacher·innen für die Stadtteilkultur würdigen. In der Festivalzeit wird der rote Teppich in Altona (Zeise Kinos), Bergedorf (Hansa Filmstudio), Blankenese (Blankeneser Kino), Volksdorf (Koralle Lichtspielhaus) und Winterhude (Alabama Kino, Magazin Filmkunsttheater) ausgerollt. Gezeigt wird jeweils ein Film aus dem Festivalprogramm.
Das Veranstaltungsprogramm des Filmfest Hamburg hält wieder diverse Formate und Themen parat. Neben den Bargesprächen mit Andrea Arnold und Sean Baker lädt der Hauptverband Cinephilie in Kooperation mit der MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein ein zum »Cinephilen Quartett«: Hierbei treffen unter anderem der Musiker Andreas Dorau und die Rapperin Sookee aufeinander und diskutieren über drei Filme aus dem aktuellen Programm. Weitere Veranstaltungen, die vor Ort im CinemaxX stattfinden und auch auf dem FILMFEST-YouTube-Kanal übertragen werden, widmen sich unter anderem den Themen Inklusion, kreative Zusammenarbeit, Deutscher Film im Ausland und Filmnachwuchs.
Das Programm aller Sektionen und zusätzliche Veranstaltungen finden Sie auf www.filmfest-hamburg.de
Preise, Jurys & Partner
Nach einem Jahr Pause wird das Filmfest Hamburg in diesem Jahr Preisgelder in Höhe von insgesamt 130.000 Euro vergeben, darunter den jeweils mit 25.000 Euro dotierten Hamburger Produzentenpreis für Deutsche Kinoproduktionen und Hamburger Produzentenpreis für Internationale Kino-Koproduktionen, gestiftet von der Behörde für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg. Weitere Preise sind der Hamburger Produzentenpreis für Deutsche Fernsehproduktionen, gestiftet von der Verwertungsgesellschaft der Film- und Fernsehproduzenten (VFF), sowie der ebenfalls von der VFF vergebene Sonderpreis für serielle Formate, der Sichtwechsel Filmpreis, der Commerzbank Publikumspreis, Der Politische Film der Friedrich Ebert-Stiftung, der MICHEL Filmpreis, gestiftet von der Körber Stiftung, der Art Cinema Award, der NDR Nachwuchspreis sowie der Preis der Filmkritik.
Das Filmfest Hamburg konnte auch in diesem Jahr namhafte Regisseur·innen, Produzent·innen, Schauspieler·innen und weitere Kulturschaffende gewinnen, die als Jury-Mitglieder über die Preisträger·innen in den verschiedenen Sektionen des Festivals entscheiden, darunter die Gründerin des European Film Market in Berlin, Beki Probst aus der Schweiz, die iranische Regisseurin Shirin Barghnavard, der iranische Kameramann, Regisseur und Produzent Mohammad Reza Jahanpanah, die Schauspielerin Luise Wolfram, der Regisseur Max Zähle und die Produzentin Lisa Blumenberg.
Quelle: www.filmfest-hamburg.de